Schweitzer Fachinformationen
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Es lässt sich nicht bestreiten, dass unsere Beziehung zu Beginn, in ihrem ersten Rausch, hauptsächlich auf Sex beruhte.
Ich zögere, es so deutlich zu sagen - dass wir uns erst richtig verliebten, während wir vögelten -, weil es einen falschen Eindruck von uns vermittelt, von mir als triebgesteuert, von ihr als frei. Tatsächlich war ich damals fast jungfräulich, und sie leerte jede Nacht eine Flasche Wein, um »sich locker zu machen«. Diesen Hürden zum Trotz fanden wir uns schon bald verzaubert vom Körper des anderen, waren mit dem Geschmack unserer Achselhöhlen vertraut, bevor wir überhaupt auf die Idee kamen, einander die grundlegendsten Dinge zu fragen. Ich erinnere mich sehr deutlich an die Nacht, als wir nach drei Wochen Kameradschaft zum ersten Mal miteinander sprachen. Wir waren allein in Arizona. Der Mond war voll, voller, als ich ihn mir je hatte vorstellen können, und alles in der Wüste leuchtete geisterhaft blau, unser Abwasch und unsere Tagesdecke und unsere verschwommenen, aufwärts blickenden Gesichter eingeschlossen. Als ich über die Bettkante hinweg zu unseren sauber aufgereihten Turnschuhen spähte, schimmerten auch ihre Sohlen und Schnürsenkel in sanftem Blau.
Nach Tays Party trieb ich mich noch für ein paar Wochen in London herum und nahm seine Einladungen zu Abendessen und Partys nur an, wenn ich vermutete, dass O. auch da sein würde. Man kann wohl sagen, dass ich verknallt war, eine Ahnung hatte von der Zärtlichkeit, die sie einigen wenigen vorbehielt. Sie und ich unterhielten uns weiter auf diesen Partys, steckten die Köpfe in den Ecken von Bars zusammen, um den anderen besser zu verstehen und sich in ihm zu sonnen, manchmal wagte ich es, ihr an den weichen, erhitzten Unterarm zu tippen: »Wie bitte?« Nach zehn Minuten Geplänkel schien bei ihr eine Grenze erreicht, und sie fand eine Entschuldigung, um sich aus dem Staub zu machen. Sie stellte sich als Person mit sehr kleiner Blase dar. Mir machte das nichts aus; nach diesen Momenten völliger Nähe zu dem Körper, neben dem aufzuwachen ich mir auszumalen begann, benötigte ich selbst einen Augenblick, um wieder zu Verstand zu kommen, mich an eine Wand zu lehnen und tief durchzuatmen. Ich war nervös; das nahm ich als gutes Zeichen.
An meinem letzten Tag in London trafen wir uns im Park. Aus einer Laune heraus bat ich sie, mit mir nach Arizona zu fliegen; nach einer Pause (während der ich mir innerlich zweimal »Happy Birthday« vorsang) sagte sie: »Klar. In London hält mich höchstens eine Todessehnsucht.« Sie zuckte mit den Schultern. Es war ein besonders graupeliger, kackfarbener Tag. »Ich könnte bessere Aussichten vertragen.«
Wenn die Nacht im Kino unser improvisiertes erstes Date war und alle anderen Treffen ein mutwilliges Zusammenfallen gegenseitiger Anziehung, war dieser Spaziergang im Park unser zweiter richtiger Ausflug. Wir hatten uns noch nicht auf irgendeine bahnbrechende Weise berührt; bis dahin bestand unser intimster Kontakt aus einem Begrüßungskuss auf die Wange, und es lag bloß daran, dass wir Amerikaner waren und so sehr dem Konzept von körperlichem Abstand verbunden, dass uns selbst diese routinierten Schmatzer zu denken gaben. Es ist seltsam, an diesen Nachmittag zurückzudenken, an dem wir, gelenkt von den Kieseln ordentlich geharkter Wege, über das Anwesen irgendeines Lords schlenderten, gebannt durch die Schüchternheit des zweiten Dates, an dem alle schmeichelhaften Dinge des ersten Treffens plötzlich zweifelhaft erscheinen und ein falsches Wort, ein wenig Speichel auf der Lippe das Herz Lügen strafen kann. Oola trug einen Gänsedaunenparka, der sie von der Taille aufwärts verbarg; ich hatte zwei Stücke Kuchen in der Tasche, die ich mit ihr teilen wollte, aber umgehend vergessen hatte, als wir uns zur Begrüßung auf die Wange küssten. Nach allem, was seit diesem Tag passiert ist, ist es noch seltsamer, sich klar zu machen, wie stark der Regen, diese zufälligste und banalste aller Naturgewalten, Oola in der Entscheidung beeinflusste, sich an mich zu binden. Die willkürlichen Schöpfungen des Wetters spielten in unserer Romanze eine wichtigere Rolle als glitzernde Lichter und gemischte Gefühle. Du wirst sehen. Sie wollte es warm haben; bei mir würde sie bisweilen Hitze finden.
Zum Teil hatte ich deshalb Arizona erwähnt, weil ich nichts zu sagen wusste. Während wir auf Tays Partys kaum zu halten gewesen waren, wurden mir jetzt, an diesem düsteren Nachmittag, peinlich beklommene Momente des Schweigens bewusst. Das fühlte sich nicht normal an. Schüchternheit, versuchte ich mich zu ermahnen, signalisiert Interesse. Schüchternheit ist die kleine Schwester der Verführung. Ich beruhigte mich mit einem flüchtigen Blick auf ihr Gesicht, das von meinem abgewandt war, so als wären die anämischen Rosen des Parks besonders interessant. Ich hatte die ganze Nacht an sie gedacht, und jetzt konnte ich ihre daunenweiche Nähe nicht ertragen. Es lässt sich nicht leugnen, dass mich, neben ihrer Anziehungskraft, eine gewisse Sturheit veranlasste, sie anzuschauen, ihre behandschuhte Hand zu nehmen und zu verkünden: »Wir sind also im Geschäft!« Und dann, in einem tragischen Ausbruch: »Yabba dabba doo!«, worüber zu lachen sie großherzig genug war.
Ich benutzte den riesigen Vielfliegermeilenvorrat meiner Eltern, um unsere Flüge zu buchen. Unser Ziel war ein Fleck Wüste außerhalb von Phoenix, wo ein Freund der Familie und gescheiterter Architekt ein Haus aus Glas und Stahl besaß. Er nannte es die Abode und hatte den Garten mit hässlichen Skulpturen vollgestellt. Oola gefiel die Vogeltränke, die aus einer alten Toilette gemacht war; ich fand das Mobile aus Barbieköpfen besonders abstoßend. Es gab einen Salzwasserpool auf dem Dach und einen Keller, der derart extravagant war, dass ich ihn für einen Luftschutzraum hielt. Während unseres Aufenthalts nutzte ich den Keller als Arbeitszimmer. Dank diverser Hochbetten mit Indianerdecken und einer mit den Zutaten für Marshmallow-Sandwiches ausgestatteten Vorratskammer erschien die Apokalypse campy und unterhaltsam. Es gab gewebte Teppiche auf dem Boden und Soleri-Glocken in den Türrahmen (doch wer würde sie läuten hören?). Ich musste ein paar Artikel für ein pseudo-akademisches Magazin namens Wingdings fertig schreiben. Wenn ich prokrastinieren wollte, zeichnete ich Kirchenfenster auf Packpapier und heftete sie an die Lehmwände oder schlenderte in die Vorratskammer, um Astronauteneiscreme zuzubereiten. Oola verbrachte ihre Tage damit, die schwindelerregenden Flächen Land zu durchwandern, die sich um die Abode erstreckten und ihren Glamour fast unzüchtig wirken ließen, so als störten der harte Schein der Glasfronten und das Geklingel der Skulpturen das gedämpfte Wüstensummen aus Eulenrufen und schnörkellosem Tod. Jede Nacht schlugen die Kojoten Alarm; jeden Morgen hing Eis in den Windspielen.
Es ist möglich, dass Oola unsere Verbindung zum Teil als eine wirtschaftliche verstand und deswegen in unserer ersten Nacht in der Abode mit mir schlief. Ich musste einen kurzen Aufschrei unterdrücken, als ich das Schlafzimmer betrat und sie komplett nackt vorfand, auf der Bettkante sitzend, die Hände im Schoß gefaltet wie eine Patientin.
»Es ist heiß«, sagte sie mit halbem Lächeln.
Mein Geist war leer, war es schon seit einer Weile, beschäftigt mit einer amöbischen Art dunkler Vorahnung, so als wartete ich darauf, dass die ganze Welt sich vorbeugen und mich küssen würde. Das Post-Party-Schweigen war uns in die Staaten gefolgt. Wir hatten die Nacht zuvor in LaGuardia verbracht, wo wir Hörbücher auf getrennten Geräten gehört und uns eine Packung Pfadfinder-Kekse geteilt hatten - »Was hab ich Amerika vermisst!«, rief ich, gerade als sie seufzte: »Wie sind diese kleinen Spinner bloß hier reingekommen?« Ich fragte, was sie hörte, und sie hielt mir ihren Bildschirm hin: American Psycho. »Gott«, sagte ich, »du bist ein verdammt morbides Mädchen.« Sie lächelte gelassen, die Ohrstöpsel in den Ohren, ohne mich zu hören.
Im Schlafzimmer mit seinen türkisfarbenen Fliesen und Glasschiebetüren war ihr Lächeln ähnlich ruhig, doch die Schlitzhaftigkeit ihrer Augen verriet eine unnatürliche Dringlichkeit. Sie war hier, alles an ihr in diesem Moment nur für mich da. Wenn wir uns auf Tays Partys unterhalten hatten, sah sie genauso aus, kurz bevor sie rief: »Muss pinkeln, bin gleich wieder da!«, und mir über die Schulter zuwinkte, während meine gegen die Wand sank. Nun hatte ich Erlaubnis, ihr Gesicht zu studieren, jenen verschlagenen Ausdruck von Hunger, den zu verstecken sie ins Badezimmer gerannt war.
»Zu heiß für einen Schlafanzug«, sagte ich mit steifem Nicken und setzte mich neben sie aufs Bett. Ich öffnete meine Schnürsenkel.
»Gibt es hier Skorpione?«, fragte sie und lehnte sich vor, als wollte sie unter dem Bett nachschauen. Ihre Brüste schwangen vor, und ihre Masse, der schiere Raum, den sie einnahmen, verblüffte mich. Ich senkte den Blick. »Glaub schon«, flüsterte ich, obwohl ich gar nicht flüstern wollte. »Denk dran, deine Schuhe auszuschütteln.«
Sie lachte, als wäre das lustig. »Wird gemacht«, sagte sie. »Stechen die?«
»Glaub schon.«
Autsch, formte sie lautlos mit den Lippen. »Würdest du mich küssen?«
Schüchternheit glitt wie ein Rock sanft auf den gefliesten Boden. Es ist unmöglich, dir nur annähernd das Ausmaß der Erleichterung zu vermitteln, die ich empfand; am ehesten lässt es sich wohl so sagen, dass mir, während ich eine Hand auf Oolas Knie und die andere an ihren Nacken legte, der hitzig pulsierte, plötzlich in einem fiebernden Taumeln einfiel: Ich war nicht der einzige Autor -...
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