Schweitzer Fachinformationen
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Gerald Windisch und Wolfgang Hoffmann gingen entspannt den Gang entlang. Zwei Männer mittleren Alters, in saloppe und doch distinguierte Kleidung gehüllt. Sie trugen Pistolen unter den Jacketts.
Hoffmann fühlte so etwas wie Stolz, dass sein alter Kumpel Windisch nun Major war und die Gruppe für Kapitalverbrechen anführte. Wie viele Nächte hatten sie sich gemeinsam um die Ohren geschlagen? Wie viele Ermittlungserfolge hatten sie gefeiert? Wie oft hatten sie wie die letzten Trottel dagestanden? Die volle Palette, das ganze Programm, sie hatten nichts ausgelassen. Manchmal hatten sie geniale Ideen geteilt, dann wieder hatten sie sich von schmierigen Kerlen dreist überrumpeln lassen. Eines hatte sie in den Jahren geeint: Sie hatten nie aufgegeben. Gut, Hoffmann war außer Tritt geraten, er war auch gefallen, aber er hatte das Riesenglück gehabt, nicht zu tief zu fallen. Sein Körper hatte dem jahrelangen Raubbau nicht länger standgehalten und war eingebrochen. Hoffmann war durch all das, was ihm begegnet war, ein Fan der modernen Medizin geworden. Ja, es gab Leute, die schimpften auf die verdammte Schulmedizin und die Fleischermeister in den Operationssälen, er aber sah die Fähigkeit der Mediziner, einen in der Lunge sitzenden Tumor rauszuschneiden, als eine großartige Errungenschaft an. Natürlich gehörte auch Glück dazu. Kein Thema. Ein Arzt am Operationstisch brauchte nicht nur jahrelange Schulung, ein eingespieltes Team und maximale technische Unterstützung, er brauchte auch ganz einfach nur saublödes Glück. Vielmehr brauchten der Arzt und der Patient Glück.
»Also schauen wir mal, was die Bande vorbereitet hat«, sagte Windisch mit einem schiefen Grinsen.
Hoffmann schob seine Grübelei zur Seite und schaute Windisch von der Seite an. Als ob der alte Fuchs nicht längst Bescheid wüsste. Sie traten in den Besprechungsraum. Und wurden mit großem Hallo empfangen.
»Da sind sie ja, unsere Sheriffs! Wo habt ihr eure Gäule gelassen?«, rief Walter Kaltenegger.
»Beim Hufschmied natürlich. Aber unsere Colts haben wir dabei.«
Gerald Windisch formte mit beiden Händen Pistolen. Gelächter.
Hoffmann überblickte den Tisch im Besprechungsraum. Tassen und Teller standen bereit, in einem Korb lagen Kipferl und Krapfen, in einem anderen frische Semmeln. Eine Platte mit Wurst- und Käseaufschnitt, auf einem Teller Obst, in der Mitte des Tisches ein Teller mit Apfelstrudel und Mineralwasser und Apfelsaft zu trinken - die Kollegen hatten reichlich aufgetischt. Und natürlich hing der Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee im Raum. Walter Kaltenegger hatte in diesem Stockwerk des Kommissariats absolut das Sagen, was den Verbrauch von Kaffee anbelangte, deswegen wurden hier nur erstklassige Bohnen konsumiert.
Neben dem bärbeißigen Routinier Kaltenegger, immerhin hatte er schon seinen 60. Geburtstag hinter sich und war seit über 35 Jahren Polizist, befanden sich auch Gerhard Assmann, Caroline Stranek und Sigrid Körner im Raum. Das gesamte Team Windisch. Hoffmann rückte einen Stuhl zurecht und setzte sich.
Die ersten beiden Arbeitstage, Montag und Dienstag, waren wie im Flug vergangen, nach einer nur kurzen Einführung vom Leiter des Kommissariats Dr. Pongratz und von Gerald Windisch hatte sich Hoffmann ohne viel Aufhebens an seinen Arbeitsplatz begeben und sich mit seinem Aufgabenbereich vertraut gemacht. Die anderen waren mit ihrer Arbeit beschäftigt gewesen und hatten Hoffmann nur im Vorübergehen dies und das erläutert. Aber an diesem Mittwochvormittag stand eine Teamsitzung an. Hoffmann hatte erwartet, dass diese für eine kleine Willkommensfeier genutzt werden würde. Er war nicht enttäuscht worden.
»Also im Café Landtmann kann es nicht bequemer sein«, sagte Hoffmann gut gelaunt.
»Das Café Landtmann ist ein Lercherlschas gegen uns«, polterte Kaltenegger und griff zur Kaffeekanne. »Kaffee?«
»Unbedingt!«, antwortete Hoffmann.
Caroline Stranek drückte Windisch das Kuchenmesser in die Hand.
»So, Chef, dein Strudel muss jetzt geopfert werden.«
Hoffmann runzelte die Stirn.
»Was, Gerald, du hast den Strudel gebacken?«
Windisch präsentierte seine breite Brust.
»Ja! Oder vielmehr, nein. Meine Tochter war die Meisterin. Ich glaube, nach der Matura schicke ich sie zu einem Konditor in die Lehre. Das Mädel hat Talent. Sieht man mir das nicht an?«
Windisch klopfte sich auf den Bauch.
»Geh, Gerald, da haben noch ein paar Backbleche mit Apfelstrudel Platz.«
Gerald Windisch war für einen Mann Mitte 40 absolut in Topform. Hoffmann konnte sich gut erinnern, dass Windisch vor ein paar Jahren beinahe ausgezehrt gewirkt hatte. Mit Zigaretten und Kaffee hatte er den Stress bekämpft und darüber allzu oft die geregelte Nahrungsaufnahme vergessen. Nachdem ihm seine Frau ein Ultimatum gestellt hatte, hatte er eine Entwöhnungstherapie absolviert. Tatsächlich war er von den Zigaretten weggekommen und hatte innerhalb von ein paar Wochen 15 Kilo zugenommen. Als er dann als Teamleiter berufen worden war, und mit Assmann, Stranek und Körner drei echten Sportskanonen vorstand, hatte er Sonderschichten im Fitnessstudio eingeschoben. Walter Kaltenegger hingegen hatte sich durch den Fitnesswahn seiner Kollegen und seines Chefs nicht irritieren lassen und mit einem Achselzucken auf seinem Übergewicht und seiner Gemütlichkeit beharrt. Kaltenegger war zu lange im Metier, er hatte in den 35 Dienstjahren als Polizist zu viel erlebt, um sich noch aus der Ruhe bringen zu lassen.
Der Strudel wurde angeschnitten und der Kaffee ausgeschenkt. Hoffmann hatte vorsorglich das Frühstück ausfallen lassen, also griff er zu einer Semmel und belegte sie mit Wurst und Käse. Dazu trank er Apfelsaft. Die Stimmung war gut, der Schmäh rannte, die vier Männer und zwei Frauen unterhielten sich bestens.
»Jetzt aber der Schampus!«, rief Windisch und erhob sich.
»Sehr richtig!«, pflichtete Kaltenegger bei. »Hol den Sprudel. Nunc est bibendum, wie der alte Lateiner sagt.«
»Habt ihr etwa Sekt für meine Willkommensparty gekühlt?«
Kaltenegger gestikulierte.
»Bleib am Teppich, Wolfgang, so fesch bist du auch wieder nicht. Die Sigrid hat Geburtstag!«
Sigrid Körner strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Sie lächelte in die Runde.
Hoffmann atmete tief durch. Wie hübsch sie war. Vielleicht war es gut, dass Körner bei Kaltenegger im Zimmer saß, er selbst bei Stranek und Assmann. Wahrscheinlich würde er den ganzen Tag nichts anderes tun können, als seine Kollegin anzugaffen. Geburtstag hatte sie also. Es musste der 30. sein.
»Ein runder Geburtstag«, sagte Hoffmann. »Das gehört natürlich gefeiert.«
Körner warf Hoffmann einen Blick zu. Heiße Schauer liefen über seinen Rücken. Als Körner noch bei der uniformierten Polizei Dienst verrichtet hatte, knapp bevor Hoffmanns Erkrankung diagnostiziert worden war, hatten sie eine kurze, aber intensive Beziehung gehabt. Keine Affäre, diesen Begriff verbat sich Hoffmann, eine Beziehung. Sie hatten einander wirklich berührt. Und waren beide davon so erschrocken gewesen, dass sie die Beziehung wieder beendet hatten. Und jetzt arbeiteten sie in derselben Gruppe. Im Kommissariat wusste niemand davon. Körner hatte um Diskretion gebeten. Für Hoffmann eine Selbstverständlichkeit. Niemanden ging es etwas an, was sie in der Vergangenheit erlebt hatten.
Es klopfte an der Tür.
»Herein!«
Ludwig Pongratz öffnete die Tür und erfasste mit einem Blick die Szene.
»Herr Doktor, kommen Sie nur näher!«, rief Kaltenegger. »Bei uns ist Stimmung. Und was zum Beißen und Schlürfen gibt es auch.«
Der Leiter des Kommissariats schloss die Tür hinter sich. Wie immer war der drahtige Mittfünfziger seriös gekleidet. Er lächelte versonnen.
»Herr Kaltenegger, wenn Sie wieder Ihren Zauberkaffee aufgebrüht haben, dann muss ich dieser Einladung doch glatt Folge leisten.«
»Na, selbstverständlich gibt es guten Kaffee. Wer mir Dreckszeug andrehen möchte, kriegt eine Packung Hauswatschen.«
»Kommen Sie mit Problemen zu uns?«, fragte Caroline Stranek in ihrer immer direkten, oft sogar konfrontativen Art.
»Frau Kollegin, ich weiß zwar, dass meine Anwesenheit nicht selten Probleme mit sich bringt, aber ich komme in sozusagen unproblematischer Mission. Ich wusste ja, dass heute der Willkommenskaffee für den Kollegen Hoffmann gereicht wird.«
»Ludwig, willst du ein Glaserl Sekt?«, fragte Windisch.
»Sekt bitte nicht. Ich muss heute noch arbeiten.«
»Aber die Sigrid hat Geburtstag.«
Pongratz zog die Augenbrauen hoch.
»Entschuldigen Sie, Frau Körner, dass ich das übersehen habe.«
»Eigentlich habe ich ja erst übermorgen Geburtstag. Aber wir feiern heute gleich mit.«
Pongratz ging um den Tisch herum und reichte Körner die Hand.
»In diesem Fall nehme ich gerne ein Glas zum Anstoßen.«
Kaltenegger polterte wieder einmal.
»Und ich singe >Die Reblaus<, dann weinen wir wie Schlosshunde und busseln uns ab. Für Mord und Totschlag sind wir heute nicht zuständig.«
Gelächter.
Hoffmann war gut drauf. Der Sekt schmeckte köstlich, der Apfelstrudel war eine Wucht und exquisiten Kaffee gab es auch. Und als er Sigrid Körner wie alle anderen mit einem Wangenküsschen zum Geburtstag gratulierte, fühlte sich das ganz wunderbar an. Hoffmann setzte sich wieder und lauschte dem lebhaften Gespräch, manchmal sagte er etwas, in der Regel hielt er...
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