Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Das ist der Titel einer textilen Arbeit, die Du nach einem Besuch der Max Wechsler Ausstellung begonnen hast und seitdem verbinde ich dieses poetische Bild mit meinen Erinnerungen. Ich sehe Dich, wie Du, in Gedanken verloren und den Mantelkragen hochgestellt, vor mir auf das Tagungshaus in Bademeusel zugehst.
Wie kann ich einen Artikel schreiben über Dein Leben, über Deine Arbeit, darüber, was du wolltest und was nicht, wie kann das jemand anderes leisten als du selbst. Ich kann mir ja was ausdenken, aber es wird nie Deine Akzeptanz finden, du wirst einen Moment innehalten, deinen Kopf schräg halten und mich mit folgenden Worten drängen, nach wirklich Wichtigem zu schauen: `hast du nichts Besseres zu tun, hast du keine andere Aufgabe`, höre ich Deine Worte. Und wahrscheinlich würden wir jetzt über Japan sprechen, uns gegenseitig unser Entsetzen, aber auch unsere Wut über die Unvernunft und Intoleranz von Politik mitteilen, so engagiert wie immer, so beteiligt wie immer, so verloren wie immer. Du würdest mir Zeitungsartikel vor die Nase legen und deinen Kopf schütteln über dieses Desaster und deine eigenen Bilder müssten auf ihre Vollendung warten.
Na ja, ich soll was schreiben, über dich, weil ich dich kenne, lange schon kenne und du bist ja verschwunden, einfach gegangen. Ich weiß, dass das nicht stimmt, du bist nicht einfach gegangen. Du bist auch nicht verschwunden, du hast schon gekämpft um dein Leben und warst so was wie fassungslos und lange überrascht davon, dass das Ende jetzt da sein soll, dass dir nicht mehr genug Zeit bleibt. Und was wird mit dem, was da überall so unerledigt herumliegt?
Es hat dich nie unberührt gelassen, was um dich herum geschah, was auf der Welt passierte, es war normal, dass deine Gedanken hin und her sprangen von großen Ereignissen im Weltgeschehen, über tagespolitische Belange bis zur Schönheit eines fallenden Regentropfens, kurz, bevor ein Regenbogen sich zeigt. Das war immer das Schönste, oben auf dem Dach in deinem Atelier, wenn nach einem Gewitter ein Regenbogen zu sehen war. Im Einfachen liegt die größte Schönheit. Dann haben wir beide, im Blick verbunden, mit großer Andacht gelauscht, den Farben zugesehen, bis sie verschwunden waren, so wie man einer Sinfonie zuhört. Ich glaube, wir waren nie gemeinsam in einem Konzert, die vielen Leute in einem großen Raum waren dir unheimlich, zu viel, zu laut, eine viel zu große Ablenkung von der Stille.
Bilder haben wir oft betrachtet, uns gegenseitig hingewiesen auf visuelle Poesie. Wir sind durch viele Ausstellungen gegangen, manche Ausstellungen haben wir selbst gehangen, auch deine letzte 2008 in der Galerie der Humboldtuniversität. Du hast die Bilder ausgewählt, ich habe sie aufgehängt, die nächsten Ausstellungen waren geplant, im Kopf schon konzipiert, jetzt werden andere deine Bilder zeigen.
Helga Graupner, Textilkünstlerin, geboren 1931 in Naunhof bei Grimma, gestorben im August 2009 in Berlin, in Berlin gelebt und gearbeitet. Du hast Tapisseristin gelernt, danach in Leipzig an der Fachschule für angewandte Kunst Textilgestaltung studiert, mit der Fachrichtung Bildtextil. Danach bist du nach Bautzen gegangen, an das Haus für sorbische Volkskunst, hast zum Thema textile Folklore und Trachtendokumentation geforscht und publiziert. Du schriebst zahlreiche Lehrbriefe im Auftrag des Zentralhauses für Kulturarbeit in Leipzig. Du bist Autorin von drei Kinderbüchern mit methodischen Hinweisen zur künstlerischen Textilgestaltung.
Eine Textilkünstlerin, die ein reichhaltiges Leben hatte, so waren deine eigenen Worte, und eine, die immer wieder am Anfang stand, im Prozess der künstlerischen Auseinandersetzung mit Licht, Farben, Formen und Materialien, und nicht nur textiler Natur, auch Papier und Plastik und wieder Papier. Viele der kleinen Arbeitsproben sind durch meine Hände gegangen, so hast du sie selbst so benannt. Skizzen, Notizen, Ideen für größere Arbeiten oder auch nur Experimente, die du als Anschauungsmaterial für deine Kursteilnehmer brauchtest, die an deinen Workshops und Schulungen teilnahmen, mehrmals im Jahr. Werkstätten in Magdeburg, Bademeusel bei Cottbus, Riesa, Potsdam und natürlich Berlin. Was für ein Arbeitsaufwand, immer wieder neu, immer wieder Ideen zusammentragen, motivieren, anregen, ermutigen, alles einpacken und sich auf die Reise begeben.
Ich habe das oft bewundert, manchmal habe ich die Anstrengungen hautnah mitbekommen, wenn ich dich begleitet oder auch nur abgeholt habe, wunderbare Frauen hattest du um dich herum, herzlich, neugierig, engagiert. Sie waren der Kunst verfallen wie du, durch dich, immer rastlos und beschäftigt mit einer textilen Technik oder der Umsetzung einer bildlichen Idee zwischen all dem anderen Leben. Du warst nicht so leicht zufrieden zu stellen, hast immer einen enormen Anspruch verfolgt, hast gekämpft um eine gute Qualität, um gute Bilder, hast gefordert und gefördert, immer wieder neu wie Sisyphos, hast du hingewiesen auf gute Bilder, hast du die Auseinandersetzung gefordert, gewollt, hast du dich selbst und andere in ihrem Denken und Fühlen begeistert, angeschubst, bewegt.
Eine Auszeit in deinem Leben hat es, glaube ich, nie gegeben, nie warst du lange krank, auf Reisen oder sonst abwesend, nicht als die Gesellschaft sich wandelte, gewendet wurde, nicht, als dir der Sohn genommen wurde, ein unermessliches Unglück, eine Tragik, die man erst mal irgendwie begreifen und dann überleben muss. Du hast das Wunder der Liebe erlebt, hast du erzählt, du warst dankbar für Pierre, hast deine Trauer mit dir selbst ausgemacht, was für eine Größe, andere wären zerbrochen.
Wir sind uns neu begegnet, Anfang der Neunziger Jahre und ich weiß noch meine Aufregung, bevor ich das Studio Otto Nagel betrat, wo du eine Ausstellung der Berliner Textilfrauen eröffnet hast, wir hatten uns aus den Augen verloren, wie Schüler ihre Lehrer hinter sich lassen.
Ich weiß auch noch meine vielen Aufregungen während der Ausbildung bei dir, diese ehrfurchtsvolle Stille, wenn du zu Beginn der Praxislehrgänge den Raum betreten hast. Zwei lange Tischreihen waren es, an denen du vorbeigegangen bist, bis nach vorn an den Königsplatz. Es war immer ein sehr stiller Moment, es war ein stilles Einverständnis, hoffend, dass die eigenen Arbeiten genügten, von dir wahrgenommen wurden, deinen kritischen Blicken nicht entfielen und natürlich auch vor der Gruppe bestanden. Das gehörte dazu, immer, die ganze Zeit, man musste sich stellen, die eigenen Arbeiten verteidigen, da gab es kein Vorbeimogeln, keine Ausflüchte, das konnte schon erbarmungslos sein.
Diese Ausbildung war dein Kind, du hast sie begründet, aufgebaut und selbst durchgeführt, mit Prinzipien, Strukturen, Ordnungen, viele wurden von dir geprüft und zertifiziert. Du hast Fördergruppen aufgebaut und angeleitet, regelmäßig, kontinuierlich, konsequent; dieses offene, beliebige und sporadische Arbeiten, wie es heute oft üblich ist, war dir immer ein Grauen. Du hast darunter gelitten, dass diese Kontinuität verschwand und mir übelgenommen, dass wir, als die nächste Generation, deine Arbeit, dieses Verständnis, Sehen zu lehren, nicht weitergeführt haben, mit deiner Hartnäckigkeit, mit deiner Beharrlichkeit.
Ich habe sie gelesen, die vielen kurzen hingeworfenen Sätze, Zitate, Bemerkungen, Fragen und dazwischen auch immer die Frage nach dem: Was ist Kunst? Vielleicht das Suchen nach Wahrheit, nach Wahrhaftigkeit?
Ich habe erst nach deinem Tod Bekanntschaft mit den originalen Werken von Max Wechsler gemacht, eine großzügige Schenkung an die Berlinische Galerie machte dies möglich. Erst in diesem Moment verstand ich deine Faszination für diese Werke, auch wenn sich mir diese Tiefe, vor der du dich verneigt hast, nicht sofort erschloss. Ein bemerkenswerter Mann, ein interessanter Künstler, er war es, der bei dir einen bleibenden, aufregenden und nachhaltigen Eindruck hinterließ.
Du wolltest keine Nachrufe, das hast du dir verbeten, das war eine deutliche Ansage an alle, denn der Tod pflegt von erlesener Unterschiedlichkeit zu sein.
Du hast sie alle beeindruckt, dort im Lazarus-Heim, deiner letzten Wohn- und auch Arbeitsstätte, du wolltest aufrecht, aufgeklärt und wissend deine letzten Tage gehen. Du hattest dich entschieden, auf den Tod zu warten und es werden mir deine Fragen in Erinnerung bleiben, wie er sich anfühlt, ob man spürt, wann er kommt, was Endlichkeit bedeutet.
"Die Tendenzen der Kunstentwicklung sollten mehr analysiert werden, vor allem die kultur- und kunstpolitischen Probleme, das verhängnisvolle Sponsorenproblem, das Hochspielen von Jubelprojekten, die Missstände in der künstlerischen, musischen Bildung für alle .."
"...außerdem, wer nur 700,- Euro pro Monat hat, kann nicht ins Kino, in gute Theater oder Konzerte gehen. Es reicht gerade für Bibliotheksgebühren und ein paar Medien-Abonnements." Und Begegnungen waren Dir wichtig, ich habe die Notizen gesehen. Aitmatows Adresse war darunter, ich fand sie in deinem Notizbuch und Worte von Kent Nagano und Peter Hacks und vielen anderen KünstlerInnen,...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.