Schweitzer Fachinformationen
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»Rudolf Prinz? Das ist doch dieser unsympathische Macho, der Frauen danach beurteilt, ob sie farblich zum Sofa passen.«
In meiner Vorstellung hatte meine Frau zunächst einen euphorischen Jubelschrei ausgestoßen, dann Sekt aus dem Kühlschrank geholt und mir schließlich voll wilder Leidenschaft die Kleidung vom Leib gerissen. Stattdessen schaut Aylin mich mit ihrem Schatz-wir-müssen-reden-Blick an:
»Daniel, ist dir klar, dass er neulich gesagt hat: Wenn der Thermomix Brüste hätte, wäre er die perfekte Ehefrau?«
»Das war doch nur ein Witz. Der Shitstorm war total überzogen.«
»Und neulich im Kölner Treff hat er sich abfällig zum Thema Frauenquote geäußert.«
»Er hat gesagt: In meinem Bett war ich für 75 Prozent, aber meine Frau hat ein Veto eingelegt . Das zeigt doch, dass er die Wünsche seiner Frau respektiert.«
»Oder es zeigt, dass zu viel Testosteron das Hirn aufweicht.«
»Jaja, seine Witze sind manchmal ein bisschen daneben . Aber er ist mit einer Türkin verheiratet.«
»Na und? Mein Exfreund ist auch mit einer Türkin verheiratet. Trotzdem ist er ein Idiot.«
»Gut, äh . also, es ist so: Der Job ist verdammt gut bezahlt. Nur deshalb habe ich zugesagt.«
»Das ist eine Lüge, Daniel, und du weißt das.«
»Och jo . sicher, er hat mit Steven Spielberg gedreht, er war mal Bösewicht bei James Bond und hatte eine Affäre mit Sharon Stone . aber der ganze Weltruhm, das alles beeindruckt mich gar nicht. Ich geh ganz cool an die Sache ran.«
»Hihi, du bist so süß.«
Aylin nimmt meinen Kopf in beide Hände und küsst mich zärtlich auf den Mund. Dann geht sie ins Schlafzimmer, um sich für die Nachtschicht in der Geburtsklinik umzuziehen. Als sie merkt, dass ich sie beobachte, springt sie aufs Bett, summt eine orientalische Melodie, zieht sich das Oberteil ihres grauen Jogginganzugs über den Kopf und schmeißt es mir ins Gesicht. Dann lässt sie das Unterteil mit Bauchtanzbewegungen sanft in Richtung Bettlaken gleiten . Ich hatte zwar keine Affäre mit Sharon Stone, aber ich habe etwas viel Besseres: Aylin. Jetzt stellt sie sich an die Bettkante und steckt sich lasziv einen Finger in den Mund:
»Oh mein Gott, das ist so hoch, ich weiß gar nicht, wie ich da runterkomme - Hilfe!«
Ich nehme eine Superhelden-Pose ein und breite meine Arme aus, in die sie sich, einen Ohnmachtsanfall imitierend, fallen lässt. Dann trage ich sie heldenhaft zum Kleiderschrank und rede mit der tiefen rauchigen Bass-Stimme von Rudolf Prinz:
»Lady, das war knapp. Wenn Sie das nächste Mal in Unterwäsche auf den Kilimandscharo klettern, sagen Sie bitte vorher Bescheid.«
Da meldet sich Lara aus dem Kinderzimmer:
»Mama, Papa, ich kann euch hören.«
Aylin und ich lächeln uns ertappt an, dann öffnet meine Frau die Schranktür, holt eine Jeans heraus und ruft zurück:
»Tamam Pamuksekerim. Dislerin fır?aladın mı? (Okay, meine Zuckerwatte. Hast du dir die Zähne geputzt?)«
»Evet (Ja).«
»On dakikan var. (Du hast zehn Minuten.)«
Aus dem Kinderzimmer erklingt ein kurzes Protest-Stöhnen, dann scheint Lara sich in ihr Schicksal zu fügen. Aylin, inzwischen in Jeans und T-Shirt, verabschiedet sich von unserer Tochter, und ich muss an meine erste Begegnung mit dem Namen Rudolf Prinz denken:
Ich war sieben Jahre alt und saß mit meinem Vater vor dem Fernseher. An dem Abend lief Wetten, dass..? - damals noch von Frank Elstner moderiert. Mein Vater leitete gerade an der Kölner Universität ein Seminar zum Thema Auswirkungen populärer Fernsehsendungen auf den alltäglichen Sprachgebrauch. Nun saß er verkrampft mit einem Glas Château Anniche im Sessel, Notizblock und Bleistift auf dem Schoß. Meine Mutter tippte derweil im Nebenzimmer einen Artikel für die Emma und kam nur einmal zwischendurch ins Wohnzimmer, um sich darüber zu beschweren, dass das Wette-verloren-Jingle ein unerträglicher Abklatsch von Chopins Trauermarsch sei.
Mein Vater wiederum kritisierte, dass das Wort Wettkönig in die Irre führe, wenn dieser am Ende demokratisch gewählt werde:
»Das bessere Wort wäre Wettkanzler.«
Nachdem ein vollbärtiger Südtiroler mit seinem Schaufelbagger ein Feuerzeug angezündet hatte, kündigte Frank Elstner Rudolf Prinz an, den »größten deutschen Schauspieler mit der fantastischsten Karriere, den meisten Preisen und der größten Fangemeinde«. Mein Vater notierte, dass die übermäßige Benutzung des Superlativs ein verkrampfter Versuch sei, Belanglosigkeiten aufzuwerten. Ich dagegen war fasziniert, weil das Publikum einfach nicht aufhören wollte, Rudolf Prinz zu applaudieren. Als Frank Elstner die Leute bat, sich endlich zu beruhigen, bewirkte er das Gegenteil: Die Stadthalle Böblingen stand geschlossen auf, johlend und pfeifend, während Rudolf Prinz immer wieder dankend die Hände faltete, sichtlich gerührt. Ich hatte im Fernsehen schon den Papst, die Queen und den Kaiser gesehen (also Beckenbauer), aber niemand wurde je so bejubelt wie Rudolf Prinz. Ohne Zweifel musste er der wichtigste Mensch der Welt sein. Mein Vater schüttelte mit dem Kopf:
»Das ist Führerkult pur, auf einen durchschnittlichen Populärkünstler projiziert.«
Ich ignorierte die Anmerkung und war verblüfft, als die Ovationen für Prinz selbst dann nicht enden wollten, als er sich neben die blutjunge Nena setzte und sie zum Lachen brachte, indem er ihr irgendwas ins Ohr flüsterte. Als sich das Publikum schließlich einigermaßen beruhigte, sagte Prinz:
»Wahnsinn, Leute - so laut hat noch niemand für mich geschrien. Außer meiner Mutter bei meiner Geburt.«
Das Publikum johlte erneut, und auch ich musste kichern - was mir einen mitleidigen Blick und verbalen Tadel einbrachte:
»Mein Sohn, das war nicht originell, sondern niveaulos. Denk an die Dadaismus-Ausstellung neulich in der Kunsthalle. Das war komisch.«
Dabei hatte ich gar nicht wegen des Gags gelacht, sondern weil Prinz mit der Stimme von Golo Gorilla sprach, meiner Lieblings-Zeichentrickfigur. Der Vorgang des Synchronisierens war mir damals noch unbekannt. Ich ging davon aus, dass die Ähnlichkeit ein verrückter Zufall war. Dummerweise verpasste ich durch die Anmerkung meines Vaters den nächsten Prinz-Gag, der erneut einen Lachorkan durch Böblingen ziehen ließ.
Frank Elstner kam nun auf den James-Bond-Film Blüten des Todes zu sprechen. Prinz mimte darin einen osteuropäischen Schurken namens Borislav Ratzjev, der in einer gigantischen Höhle unterhalb des Mount Everest Killer-Bakterien züchtet, um diese später in künstlichen Wolken über Europa und den USA abregnen zu lassen und so die westliche Welt auszulöschen.
James Bond sagte mir gar nichts - meine Lieblings-Geheimagenten waren damals Bernhard & Bianca - die Mäusepolizei. Rudolf Prinz erzählte von den Dreharbeiten in Thailand, dazu wurden Fotos von ihm mit Sean Connery sowie einigen leicht bekleideten Bond-Girls gezeigt. Als Prinz im Anschluss zu Nena sagte, dass sie auch ein exzellentes Bond-Girl abgeben würde, fiel sie ihm lachend um den Hals. Für den Rest der Sendung turtelten die beiden dermaßen offensiv miteinander, dass Tina Turner, die kurz zuvor What's love got to do with it performt hatte, ihnen vorschlug, sich besser schnell ein Zimmer zu besorgen. Ich hatte keine Ahnung, was sie damit meinte, lachte aber trotzdem gemeinsam mit der Böblinger Stadthalle, erneut zum Unwillen meines Vaters.
Als Rudolf Prinz schließlich seine Wette verlor und deshalb mit Nena im Duett 99 Luftballons singen musste, war für meinen Vater der Untergang des Abendlandes besiegelt und für mich der Grundstein gelegt für die heimliche Bewunderung von Rudolf Prinz.
»Jetzt mal im Ernst, Daniel: Findest du diesen Typ etwa gut?«
Aylin schafft es, ein Maximum an Verachtung in das Wort Typ zu legen. Ihr Schwiegervater wäre stolz auf sie.
»Wenn ich jetzt Nein sage, glaubst du mir sowieso nicht.«
»Sei einfach ehrlich, Daniel.«
»Askım (meine Liebe), wir wissen doch beide, dass das eine rhetorische Frage war.«
»War es nicht.«
»Oh wohl. Ich soll jetzt sagen: Nein, ich finde ihn schrecklich.«
»Sollst du nicht. Du sollst ehrlich sein.«
»Klar. Aber nur, wenn ich dieselbe Meinung habe wie du.«
»Probier's einfach aus. Was du auch sagst, ich werde antworten: Okay. Kein Problem.«
»Ich wette zehn Euro dagegen.«
»Deal.«
Aylin hat bereits ihre schwarzen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden, steht in der Tür und schaut mich provokativ an. Ich habe Angst vor ihr. Das darf sie niemals wissen. Ach, Quatsch, sie weiß es doch längst.
»Na gut, Aylin. Also: Ich finde Rudolf Prinz . Tut mir leid, aber ich will mich nicht mit dir streiten.«
»Es - ist - für - mich - okay.«
»Na schön . Ich finde ihn gut.«
Aylin lacht kurz auf. Es folgt ein kurzer verächtlicher Ich-hab's-ja-gewusst-Blick, dann sammelt sie sich und zwingt sich zu einem Lächeln:
»Okay, kein Problem.«
»Moment, du sagst es mit Worten. Aber dein Blick sagt etwas ganz anderes.«
»Zehn Euro bitte.«
»Tut mir leid, das Geld gibt's nur, wenn du es auch so meinst.«
»Ich habe gesagt: Okay, kein Problem. Und...
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