Schweitzer Fachinformationen
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Hola«, begrüßte ich die junge Mitarbeiterin am Empfang. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es einen so einladenden Eingangsbereich auf einer Fähre gab, der ähnlich aussah wie die in einem Hotel. Wahrscheinlich nicht so eindrucksvoll wie der Empfangsbereich des Pureza, aber geschmackvoller, als ich erwartet hatte. Ich hatte Angst vor der Überfahrt gehabt und lange überlegt, ob ich nicht doch mit dem Flugzeug fliegen und alles andere zurücklassen sollte. Doch dann hatte ich mit dem Packen begonnen und musste ernüchtert feststellen, dass ich mehr als nur ein paar Koffer benötigen würde, um mein Leben mitzunehmen. Mit der Fähre auf die Insel zu kommen, hatte außerdem den großen Vorteil, dass ich mein Auto vor Ort hatte und mich nicht um ein neues kümmern musste. Mein lächerlich spärliches Spanisch dankte es mir.
Die Dame hinter dem Empfang nickte lächelnd und sagte etwas auf Spanisch, offensichtlich in der Annahme, dass ich sie verstand.
Ich linste auf meine Handfläche, auf der ich mir wie eine Grundschülerin ein paar Vokabeln und Sätze mit Kugelschreiber notiert hatte. Die wenigen Wochen zwischen dem Entschluss, Berlin zu verlassen und auf eine Kanarische Insel zu ziehen, hatten nicht ausgereicht, um in meiner Lernapp über das Touristenspanisch hinauszukommen. Ich hätte in der Schule besser in Spanisch aufpassen müssen. Alle Vokabeln waren nach den Tests und Arbeiten im Nirwana meines Hirns verschwunden.
»Lo siento, mi espanol es muy malo.« Ich gab mir Mühe, die holprigen Worte wenigstens schön zu betonen.
Die Frau verstand mich zum Glück. Wieder nickte sie.
»Welcome on Board. I need your Name, please.«
»Elana Meiss.«
Sie tippte auf ihrer Tastatur herum. »You've booked a cabin?«
»Yes.« Auch wenn die Schlafkabine mehr gekostet hatte, war sie mir jeden Cent wert. Nach der tagelangen Fahrt bis zum Hafen von Cádiz brauchte ich dringend Schlaf. Ich wollte einfach nur duschen und frische Klamotten anziehen.
Die Frau zog die Brauen zusammen, den Blick immer noch auf ihren Bildschirm gerichtet.
»Oh . I am so sorry, but we have a problem.« Sie wandte sich an ihren Kollegen neben ihr. Gedämpft und in einem Tempo, dem ich nicht folgen konnte, sagte sie etwas auf Spanisch. Der Kollege sah zum Computer, beugte sich herunter und tippte ebenfalls etwas ein. Jetzt machte auch er ein ernstes Gesicht.
Ich begann zu schwitzen, was nicht nur an der Temperatur im Eingangsbereich lag. Binnen Sekunden ging ich gedanklich meine Ticketbuchung durch. Ich war mir sicher, dass ich im Internet alles richtig gemacht hatte. Wenn ich nun aber auf der falschen Fähre gelandet war? Oder mich doch im Datum vertan hatte? Meine Hände wurden feucht. Hinter mir hatte sich eine Menschenschlange gebildet. Ein Baby schrie. Der Mitarbeiter rief einen Namen über die Köpfe der Wartenden. Ich war so überfordert, dass ich viel zu spät bemerkte, dass Sekunden später ein Mann neben mir stand, mit dem die Dame vom Empfang jetzt sprach. Erneut wurde auf der Tastatur herumgetippt. Der Typ neben mir sagte etwas auf Spanisch. Der Klang seiner Stimme ließ mich zu ihm blicken. Er war groß, gut einen Kopf größer als ich, hatte dunkles, fast schwarzes kurzes Haar, das er am Oberkopf etwas länger trug. Sein Teint war leicht gebräunt, sein Profil ziemlich perfekt. Eine gerade Nase, eine volle Unterlippe, die er in dem Moment missmutig verzog. Ich schätzte ihn auf Mitte zwanzig, aber auf keinen Fall älter als ich. Er trug ein weißes T-Shirt, auf dem ich keine einzige Falte sehen konnte. Dazu dunkle Jeans und schneeweiße Markensneakers.
»Sorry, Miss Meiss.«
Ich riss meinen Blick von dem Fremden los. Die Empfangsdame sah mich auf eine Art an, die keine guten Nachrichten versprach. »Theres an incorrect booking.«
»A double booking«, schaltete sich ihr Kollege ein, der erst mich und dann den Kerl neben mir zerknirscht ansah.
»Eine Doppelbuchung?«, murmelte ich, obwohl mich niemand verstand. »And that means what exactly?«
»Dass unsere Namen auf dieselbe Kabine gebucht wurden.«
Die dunklen Augen des Typen neben mir streiften mich nur für Sekunden, aber es reichte aus, um mir damit zumindest für den Moment den Atem zu rauben. Wow. Das waren wirklich schöne braune Augen. Erst danach realisierte ich, dass er mit mir auf Deutsch gesprochen hatte, was mich in dieser Situation irgendwie erleichterte.
»Okay, dann nehme ich eine andere. Kein Problem.«
Der Typ schnaubte. »Es gibt keine andere Kabine. Alles ausgebucht.« Sein abschätziger Tonfall machte ihn ein klein wenig unattraktiver. Aber wirklich nur ein wenig. Hinzu kam sein Akzent, die Mischung aus Spanisch und Deutsch, die schön klang. Niedlich. Auch wenn das Wort kein bisschen zu dem Kerl passte, der mich anblitzte als wäre ich seine Erzfeindin.
Ich kapierte langsam aber sicher, dass das hier tatsächlich ein Problem war.
Der Typ sprach wieder auf Spanisch mit den Mitarbeitenden - diesmal schneller und eindringlicher. Der scheue Blick der Frau zuckte zu mir, sie nickte, bevor sie hinter sich nach einem Schlüssel griff und . ihn dem Typen in die Hand drückte!
»Moment, halt«, schaltete ich mich ein. Nur widerwillig sah mich der Kerl an. »Was ist jetzt? Gibt es doch eine Lösung?«
»Die Lösung ist, dass ich die Kabine bekomme.«
Ohne mich noch einmal anzusehen, steckte er den Schlüssel in seine Hosentasche und schulterte seine Reisetasche. Bevor er aus der Reihe treten konnte, stellte ich mich ihm in den Weg.
»Moment. Das ist jetzt ein Scherz, oder?«
Doch der Blödmann ignorierte mich einfach und marschierte an mir vorbei.
Die Frau am Empfang sagte etwas zu mir, aber ich beachtete sie nicht. Sie war mir schließlich eiskalt in den Rücken gefallen.
»Ich habe genauso Anspruch auf die Kabine. Ich habe sie gebucht.«
»Aber ich bekomme sie, rief er zurück.«
Ich schnappte nach Luft und konnte nicht fassen, wie egoistisch dieser Kerl war. Ein paar Leute drängten sich an uns vorbei, warfen uns genervte Blicke zu, weil wir den Verkehr so lang aufhielten. Ich machte ihnen Platz, nahm meine Tasche, eine von vielen, die in meinem Auto lagerten, und folgte dem Mann. Zielstrebig steuerte er die Treppe an.
»Ich bin von Deutschland aus vier Tage mit dem Auto gefahren. Ich bin müde und muss duschen. Ich brauche diese Kabine.«
»Das ist nicht mein Problem. Ich brauche sie auch.«
Mit offenem Mund sah ich ihm nach. Er hatte sich nicht mal zu mir umgedreht. Jetzt lief er die Treppe nach oben und ich hatte genau zwei Möglichkeiten: Ihm zu folgen und nicht lockerzulassen oder diesem Arsch die Kabine zu überlassen und meine spärlichen Energiereserven nicht an ihn zu verschwenden. Ich entschied mich für Letzteres. Ich war erschöpft. Ausgelaugt. Kraftlos.
Plötzlich stand die Mitarbeiterin vom Empfang neben mir. Sie wirkte reumütig und deutete auf einen Raum, in dem mehrere Sessel aufgereiht standen, die mich an die Sitze im Flugzeug erinnerten. Sie versprach, dass ich mein Geld zurückbekommen würde, und entschuldigte sich mehrmals. Ich lächelte matt und versicherte ihr, dass es okay sei, obwohl das eine Lüge war. Ich fragte mich, was der Kerl zu ihr gesagt hatte, um seinen Willen zu bekommen. Oder sie hatte sich, wie ich zu Beginn, von seinem verdammt guten Aussehen blenden lassen.
Die nächste halbe Stunde, bis die Fähre ablegte, sah ich mich ein wenig um, damit ich später den Essensraum fand und wusste, wo die Toiletten lagen. Bei dem Gedanken, die Nacht ohne heiße Dusche und ein bequemes Bett hinter mich bringen zu müssen, braute sich wieder Wut in mir zusammen. Doch ich nahm mir vor, mir meinen Start in mein neues Leben nicht von einem egoistischen Kerl mit braunen Augen versauen zu lassen.
Als die Fähre ablegte, nahm ich auf einem der Pullmansitze Platz und schaute aus dem Bullauge hinaus aufs Wasser. Es war anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Es schaukelte nicht, und ich hatte das Gefühl, das Schiff würde auf Schienen fahren. Das beruhigte mich. Ich kaufte mir an der Bar einen Kaffee und ging aufs Deck. Hier standen ein paar Stühle und Sonnenliegen. Ich lehnte mich ans Geländer, trank meinen Kaffee und bestaunte die Aussicht auf das Meer. Der Wind pustete kühlere Luft als an Land über den Ozean, aber der Ausblick war atemberaubend. Ich kam im richtigen Moment, als die Sonne wie ein orangefarbener Ball auf die Meereslinie traf, um dann Stück für Stück darin zu versinken. Mein Herz schlug schneller, und der Anblick ließ mich die Strapazen der Reise vergessen, die letzten Wochen voller Anspannung und Zweifel daran, ob ich wirklich das Richtige tat. Ich dachte an Leo und mein gebrochenes Herz, an meinen Job im Peach und an das komplett neue Leben, das vor mir lag. Ich dachte an meine Familie und hoffte, dass das Vermissen mit der Zeit nicht größer wurde als die Freude auf meine Zukunft.
Mein Hochgefühl verschwand schlagartig, als ich auf dem Deck unter mir jemanden ausmachte, der mir sehr bekannt vorkam. Der Kabinen-Dieb lief zwischen den Autos hindurch, vorbei an den Hundebesitzern, die mit ihren Vierbeinern zwischen den parkenden Wagen spazieren gingen. Dabei achtete er penibel darauf, den Pipipfützen auszuweichen, die die Hunde hinterlassen hatten. Ich rollte mit den Augen und wunderte mich nicht, als er den protzigen schwarzen Geländewagen ansteuerte, der zwischen den anderen Autos wie ein Koloss aufragte. Es hatte ein spanisches Kennzeichen, so viel konnte ich erkennen.
Ich beobachtete, wie er etwas aus dem Seitenfach seiner Tür herausholte und dann zurücklief. Er hob den Kopf und unsere...
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