Schweitzer Fachinformationen
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Google hatte die Faxen dicke. 2015 haben sich so viele Menschen in Deutschland gegen die digitale Innovation »Google Street View« entschieden, dass das Unternehmen die Verbreitung stoppte. Nicht interessiert. Neugier hat mächtige Gegenspieler, wie den Drang nach Sicherheit und die Angst vor der eigenen Inkompetenz.
Und das ist schon lange so: Athen, Wiege der Demokratie und des modernen Denkens, galt auch als Ort der Neugier. 350 v.?Chr. schrieb Aristoteles: »Alle Menschen streben von Natur aus danach, zu wissen.«1 Er unterschied zwischen »thauma« (Wundern) und »perierga« (Schnüffeln) und sah Neugier als Tugend, wenn sie im richtigen Maße genutzt wird. Augustinus von Hippo (354-430 n.?Chr.) betrachtete Neugier jedoch als »beschämend« und gleichwertig mit der Erbsünde, was das Mittelalter prägte. Neugier wurde bis ins 17. Jahrhundert oft abgelehnt. John Locke brachte die Neugier in ein besseres Licht und sah sie als wichtig für die Erziehung. 1685 schrieb er: »Die Neugier der Kinder ist der Wissensdurst nach Erkenntnis, darum sollte man diese in ihnen fördern und ermutigen.«2
Und das trug Früchte. Bis hin zur Neugier in der Krise, denn die wurde Jahrhunderte später in Mainz gefeiert. Aber nur im kleinen Kreis. BioNTech hatte gerade den Durchbruch beim Impfstoff belegt. Wissenschaftliche Neugier sorgte für einen Gesundheitsruck in diesem Land und auch in vielen anderen. Aber halt mal, machte das nicht irgendetwas mit dem Erbgut? Was genau . nicht interessiert. Aber Neugier ist eine Grundvoraussetzung für Innovationen und Durchbrüche. Schon seit mehr als 800.000 Jahren. Ohne sie hätten wir das Feuer nicht gebändigt oder den Speer nicht zur Verfügung. Neugier makes cents!
Im Buch Neugier - So schaffen Sie Lust auf Neues und Veränderung habe ich ein paar sehr typische Neugierkiller beschrieben. Sie kamen aus der Erziehung, »Sei nicht so neugierig«, aus gesellschaftlichen Normen, »Dumme Fragen«, und aus der soziologischen Entwicklung, »Alle graben an der gleichen Stelle«. In diesem Update geht es um etwas mehr. Es geht um ein frisches Killeraufgebot, das sich im 21. Jahrhundert etabliert hat. Das Verständnis dieser Faktoren und ihrer Wechselwirkung kann Einblicke in die Förderung und Verbesserung von Neugier bei Einzelpersonen und Gemeinschaften bieten.
Das vorliegende Buch zeigt, wie Neugier Menschen und Organisationen zukunftsfähig macht. Trotz ihres schweren Stands ist Neugier ein Überlebensretter und Innovationsmotor. Große Denker sahen sie oft als unnütze Triebfeder, doch Neugier öffnet Köpfe und verlängert Leben. Kinder mit Neugier erzielen in Intelligenztests 12 Punkte mehr, Erwachsene sind gewissenhafter und ausdauernder, und Ältere erhöhen ihre Lebenserwartung um 12 Prozent.
Die berufliche Neugier, seit 2014 intensiv erforscht, zeigt sich als dynamischer Treiber für Erfolg. Zwischen 2016 und 2021 verdreifachte sich die Anzahl der Veröffentlichungen zu Neugier. Berufliche Neugier gilt als Treiber für persönliches Handeln und unternehmerischen Erfolg. Die Initiative von Merck und der Curiosity Council fördern seit 2015 Neugier und verbinden Forschung mit Praxis.3 Neugierige Menschen hinterfragen ständig und begegnen dadurch Ablehnung, aber sie fördern eigenständiges Denken und stellen Normen infrage, was die Welt ins Wanken bringt.
Machen wir doch einmal eine mini Standortbestimmung der Neugier. Aus dem Bauch heraus, wie würden Sie diese Sätze zu Ende bringen?
Diese Fragen stammen aus den Dimensionen der Neugier, die später im Buch vorgestellt werden. Ein israelisches Forscherteam um Menucha Birenbaum integrierte sie 2019 in eine Studie. Die Analyse zeigte, dass Menschen, die gut mit Unsicherheit umgehen, auch oft gut mit neuen Leuten und Problemen zurechtkommen. Ebenso stellen Menschen, die viele anspruchsvolle Fragen stellen, eine gute Problemlösungsfähigkeit und Unsicherheitstoleranz auf. Keine signifikante Verbindung bestand zwischen dem Verhalten »es sicher zu spielen« und anderen neugierigen Verhaltensweisen. Dieses Buch geht tief in die zugehörige Skala ein - Sie können den Originaltest später machen.
Aber wie sieht es heute im privaten und beruflichen Alltag aus? Neugier fehlt an vielen Ecken. Etwas zugespitzt könnte man sagen: Uns kommt die Neugier abhanden! Vier Beispiele:
Deutschland fällt in Innovationsrankings zurück. Der Spiegel titelte am 16. April 2024: »Deutschland auf dem letzten Platz der Industrienationen«4, und der Tagesspiegel fragte am 15. April 2024: »Können wir bei innovativen Technologien noch mithalten?«5 Neugier wird oft nicht gefördert, obwohl sie entscheidend für kreative Lösungen und unternehmerischen Erfolg ist. Studien zeigen, dass neugierige Mitarbeiter innovative Ideen entwickeln. In einer Umfrage gaben 83 Prozent der Führungskräfte an, Neugier sei wichtig, aber nur 52 Prozent der Mitarbeitenden stimmten zu.6 Gehaltserhöhungen als Belohnung für Neugier sehen nur 16 Prozent der Mitarbeiter. Forschung zeigt, dass Gelder für Neugier viele originelle Erfindungen fördern. Ein ausgewogener Ansatz aus Neugier und praktischer Anwendung führt zu mehr Patenten und Veröffentlichungen. Deutsche Arbeitnehmer haben den höchsten Neugierindex, was Hoffnung weckt, auch wenn Deutschland als innovationsarm gilt.
Angestoßen durch unsere Veröffentlichungen in der Harvard Business Review7, hat das Softwareunternehmen SAS 2021 eine weltweite Neugierbefragung durchgeführt. Sie nannten sie den Curiosity@Work Report.8 Knapp 2000 Führungskräfte aus Deutschland, Brasilien, Indien, Singapur, UK und den USA wurden befragt. Die deutschen Antworten schätzten das Potenzial von Neugier deutlich schwächer ein. Nur 59 Prozent sahen diese Persönlichkeitseigenschaft als sehr wichtig bei Mitarbeitenden an, während der Chief Executive Officer von SAS in der Studie mit den Worten zitiert wird: »Unsere Untersuchung zeigt ganz klar: Neugier ist längst nicht mehr nur ein Nice to have. Diese Eigenschaft ist inzwischen ein Muss in der Geschäftswelt, denn sie hilft Unternehmen, entscheidende Hürden zu nehmen und Innovation voranzutreiben.« Aber genau wie wir sieht die SAS-Studie deutlich Luft nach oben.
Die Welt des 21. Jahrhunderts ist durch technologische Fortschritte, Globalisierung, soziale Dynamiken und ökologische Herausforderungen zunehmend komplex. Diese Faktoren erhöhen die kognitive und emotionale Belastung für Einzelpersonen und Gesellschaften. Innovationen wie künstliche Intelligenz (KI) und das Internet der Dinge verändern Leben und Arbeit, bringen aber auch neue Probleme. Globalisierung führt zu wirtschaftlicher Ungleichheit und geopolitischen Spannungen, während soziale Medien die Kommunikation revolutionieren. Klimawandel und ökologische Probleme erfordern koordiniertes Handeln. Diese Komplexität verlangt politische Flexibilität sowie soziale und emotionale Intelligenz.
Die Multischauplatz-Komplexität verursacht Stress, Angst und Burn-out, da Menschen ständig Informationen verarbeiten, fundierte Entscheidungen treffen und sich anpassen müssen. Laut einer Studie der American Psychological Association von 2017 und einer Umfrage von 2022 fühlen sich immer mehr Menschen gestresst. Über die Hälfte der Deutschen gab an, dass Stress ihr tägliches Leben beeinträchtigt, und mehr als ein Drittel konnte aufgrund von Stress über längere Zeiträume nicht arbeiten.
Die Kognitionswissenschaftler Celeste Kidd und Benjamin Hayden haben 2015 beobachtet, dass Neugier dazu führen kann, dass Menschen tiefer nachdenken, bessere Entscheidungen treffen und sich besser an neues Wissen erinnern. Neugier hat also einen echten Bildungsauftrag.
Neugier ist der persönliche und emotionale Ausdruck eines Wunsches, Ignoranz zu beseitigen. Dazu benötigt sie Aufmerksamkeit, Anwesenheit und Wachsamkeit. Eine bedeutungsvoll lebendige Öffentlichkeit erfordert Neugier über andere Menschen und eine aktive Wahrnehmung und Anerkennung anderer Menschen. Aber wir leben in einer Welt verschwindender Aufmerksamkeit, einem Scheitern, wirklich zuzuhören - was schließlich Geduld und Warten beansprucht. Aufmerksamkeit und Neugier, als Gegensätze von Apathie in gewissem Sinne, erfordern ihrerseits Hoffnung. Neugier impliziert ein Gefühl der persönlichen Wirksamkeit und Möglichkeit, ein Glaube daran, dass die eigene Neugier durch die eigenen Handlungen erfüllt werden könnte, sowie ein Gefühl für die...
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