Schweitzer Fachinformationen
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If you don't like change, you're going to like irrelevance even less. - General Eric Shinseki
Im Bauch der Cap San Diego lässt es sich vorzüglich denken. Kaum einem anderen als Peter Sloterdijk wäre diese Einschätzung als glaubwürdig abzunehmen. Im sanften Auf und Ab des Hamburger Hafenwassers saßen wir mit ihm in einer zum Meetingraum umdekorierten Kajüte. Es war die Vorbereitungsrunde zu seinem Vortrag; er sollte an jenem Abend im Jahr 2016 zu den Themen Globalisierung und Digitalisierung sprechen. In meiner Vorbereitung auf unser Interview las ich u. a. eines seiner Bücher, dessen lange Gedankenketten bis in diese Seiten reichen: Du mußt dein Leben ändern. Vom »Planeten der Übenden« schreibt er dort, von der »Hinaufpflanzungslehre«. Dabei seziert er den Drang des Wandels. Eine Folge dessen ist der übende Mensch, der sich entwickelnde Mensch. Mittendrin in diesem andächtigen Lauschen der Gedanken eines Über-Philosophen wurde mir deutlich, wie sehr wir jeden Tag alle immer wieder üben, Dinge anders zu machen, üben, um mit dem Neuen, dem Anderen zurechtzukommen. Wir üben für das Andere. Und uns beschleicht dabei das Gefühl, dass dieses »Andere« einfach »alles« betrifft. Alles anders.
»Alles anders? Super!« - Wenn wir jemanden das sagen hören, fragen wir uns im Stillen, was dieser Mensch an illegalen Substanzen zu sich genommen hat. Permanenter Wandel bockt nicht. Er bringt zu viel Ungewissheit. Das gilt für einen Großteil dieser zwangsagilisierten Gesellschaft. Veränderungsbereitschaft ist eben auch nur normalverteilt. Veränderungskompetenz ebenso. Den Gang wechseln, die Richtung ändern und dabei trotzdem Zusammenhalt und Sinn erleben und erzeugen? Kurioserweise mögen wir das nicht wirklich, dieses permanente Sich-neu-Ausrichten zwischen dem Feiern des Gestern - »Machen wir so wie immer« - und dem abgeklärten Globalisierungs-Hangover - »Lass mich, ich hab >New Normal<«. Aber wir erzeugen dieses Spannungsfeld in einem solchen Speed, als gäbe es einen Weltpokal zu gewinnen. Mittendrin steckt unser 21st-Century-Anspruch: »Musste dich eben anpassen. Darwin und so. Survival of the fittest.« Ohne es zu merken oder wahrhaben zu wollen, erschaffen wir eine Zukunft, in der der Intelligenzquotient und die emotionale Intelligenz beide viel weniger bedeuten als unsere Fähigkeit zur schnellen Anpassung.
Warum ist das so erwähnenswert? Viel zu oft stecken wir den Kopf in den mentalen Sand und schütten noch ein wenig emotionalen Kies obendrauf, damit wir die Rübe erst recht nicht mehr erheben können, um der Zukunftsungewissheit intelligent ins Gesicht zu lachen. Dieses Buch will das ändern. Es stärkt Menschen in der zentralen Kompetenz des 21. Jahrhunderts, in ihrer Anpassungsfähigkeit, ausgedrückt in dem entsprechenden Quotienten: dem AQ. Denn per Definition soll dieser uns helfen, uns an eine sich verändernde und/oder anspruchsvolle Umwelt anzupassen, und so zu unserem Überleben beitragen. Es gibt nur ein Problem: Die »Anpassung« hat ein Imageproblem, sie klingt nach einem Glücksdefizit. Sie scheint Menschen zu fordern, die sich mit weniger zufriedengeben sollen. Noch unglücklicher im Sprachmarketing steht aktuell wohl nur »Veränderung« da. Die beiden Begriffe sind Bonny und Clyde unserer gesellschaftlichen Fortentwicklung; hassgeliebte Radikalinskis, mentale Unruhestifter, zu denen wir uns tagtäglich positionieren müssen.
Um die Allgegenwärtigkeit unserer Permanent-Positionierung in diesem Spannungsfeld zwischen Anpassung und Beharrung deutlich zu machen, habe ich einmal einen waghalsigen kleinen Kniff konzipiert. Vor einigen Jahren, als ich eine Museumsausstellung entwickeln durfte, habe ich ein wenig forscherischen Schabernack getrieben. Ich erdachte dazu für den Eingang zur Ausstellung das Pendant des bundestaglichen Hammelsprungs. Der Hammelsprung, so wie er im Bundestag praktiziert wird, ist nichts anderes als eine forcierte Entscheidungsmethode. Das wesentliche Instrument sind drei Türen, die mit »Ja«, »Nein« und »Enthaltung« beschildert sind. Der Gang durch eine der drei Türen erzeugt eine Abstimmung. Das wollte ich nun nutzen, um eine spielerische Auseinandersetzung mit der Frage der eigenen Anpassungsfähigkeit zu erzeugen. Denn die Ausstellung drehte sich um die Entwicklung unseres Verhaltens über die Jahrmillionen. Dementsprechend gab es zwei alternative Eingänge. Der eine trug den Titel »Die Welt zwingt den Menschen, sich zu verändern«, der andere die Überschrift »Veränderung ist ein natürlicher Teil des Menschseins«. In dieser Zweiteilung steckt einiges an Sprengstoff. Menschen, die durch Tür eins gehen würden, sähen sich eher als Opfer der Umstände, würden lieber so bleiben, wie sie sind, wenn die böse Welt sie nur lassen würde. Die Folge ist das, was wir Veränderungsresistenz nennen. Menschen, die durch die zweite Tür gehen würden, sähen die Sache etwas gelassener. Sie würden denken, dass Anpassungsfähigkeit in allen von uns angelegt und damit ein Pluspunkt bei permanenter Umweltveränderung ist. Die Folge wäre eine ausgeprägte Offenheit für Veränderung. Wie hätten Sie sich entschieden?
Egal, wie, das Dilemma und die Auseinandersetzung damit sind klar. Es wird sinnfällig, dass wir unser Menschsein auf zwei sehr unterschiedliche Arten verstehen können. Und um genau den Gang durch die eine der Türen geht es jetzt, im 21. Jahrhundert; es ist eine Entscheidung, die jeder für sich trifft. Diese Entscheidung zu einer guten zu machen hat sich dieses Buch zum Ziel gesetzt.
Natürlich ist der in diesen Zeilen mitschwingende darwinsche Selektionsvorteil eher metaphorisch. Auch diejenigen unter uns mit weniger Anpassungsfähigkeit siechen nicht dahin. Sie kommen gut über die Runden. Aber die anpassungsfähigen Menschen wie auch Unternehmen kommen eben besser zurecht. Nun ist diese Art von AQ aber ein Zustand und nicht per se ein Kontinuum. Wir sind angepasst an eine bestimmte Umwelt. Wenn die sich ändert, ändern sich die Anpassungsanforderungen. Der AQ beschreibt daher eine dynamische Eigenschaft von Menschen, die sich an immer wieder ändernde Umstände und Gegebenheiten anpassen können. Eigentlich ist das also so eine Art Flex-Fit.
Aber das klingt ein wenig zu sehr nach Gesundheitsschuhen oder elastischem Hosenbund. In der Arbeit in meinem Open Mind Lab gehe ich der Sache mit geschätzten Kollegen wie Achim Wortmann, Professor für Wirtschaftspsychologie, etwas subtiler nach. Wir fragen uns: Welche einzelnen veränderbaren Fähigkeiten hat ein Mensch, die seinen AQ erhöhen? Welche Merkmale müssen diese Menschen mitbringen? Wie können diese Merkmale sichtbar und messbar werden? Wie finden und entwickeln Unternehmen diese Menschen, die ihre Zukunftsfitness sicherstellen?
Das Thema drängt sich so sehr auf, dass es alles andere vor sich her zu schubsen scheint. Und es ist nicht einmal neu. Karl-Heinz Oehler (2015) formulierte schon vor einigen Jahren: »Die seltensten Persönlichkeitseigenschaften in der ganzen Welt sind Robustheit, intellektuelle Beweglichkeit und Anpassungsfähigkeit - mit anderen Worten, die Fähigkeit, mit einer sich verändernden Situation umzugehen und dadurch nicht gelähmt zu werden.«1 Da war von beschleunigten Entwicklungen aufgrund von Pandemien noch keine Rede, regierungsbeglückte Homeoffice-Regulatorien in weiter Ferne, »New Normal« kein Schimpfwort, sondern ein soziologischer Nischenbegriff.
Dann das. Virus hält Welt im Griff. Alles anders. Jetzt. Jetzt war März 2020. Seitdem scheint immer »jetzt« zu sein. Schulen zu, auf, zu, Restaurants, Theater, Kinos auf, zu, zu, zu. Büros auf, zu, leer, zu einem Viertel voll, ungewollt und von manchen heiß ersehnt, aber nicht ohne Test betretbar. Knapp sechs Monate später, am 1.9.2020, kommt die Süddeutsche Zeitung mit direktem Bezug zu den coronabedingten Umbrüchen zu dem Schluss: Der Grund, warum Digitalisierung funktioniert, ist nicht nur eine Frage der Technik, sondern vor allem eine Frage der Anpassungsfähigkeit der Menschen.2 Diese Anpassungsfähigkeit zahlt dabei auf drei Konten ein:
Anpassungsfähigkeit ist eine Voraussetzung. Im Wechselspiel von Stabilität und Wandel sind Menschen mit mehr Anpassungsfähigkeit offener und weniger resistent dem Wandel gegenüber. Sie tragen mehr zur Umsetzung der Veränderung bei. Und sie fokussieren stärker auf die neue Situation. Der AQ ist also ein individuelles Merkmal, das die Basis für die Reaktionen von Mitarbeitern auf dynamische Arbeitsumfelder bildet.
Anpassungsfähigkeit ist ein Bindeglied. Sie wirkt darauf, wie Menschen den Impact einer Veränderung aufnehmen. Dabei hat sie eine proaktive und eine...
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