Schweitzer Fachinformationen
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Adele
Ihr Häuschen war klein, doch an einem der wunderbarsten Orte der Welt gelegen.
Venedig.
Venezia.
Venice.
Wohl Hunderte Male hatten sie in letzter Zeit unabhängig voneinander, manchmal auch gleichzeitig, den Namen ihrer Lieblingsstadt ausgesprochen und dabei glückstrahlend gelacht.
Jetzt saßen sie, abgeschirmt von Nachbarn, mit Freunden in ihrem bezaubernden Minigarten, umgeben von Oleander und Sträuchern, die sie zuvor höchstens mal in einem botanischen Garten bewundert hatten und deren Duft betörend war. Adele konnte nicht genug von diesem Geruch bekommen.
Sie waren noch nicht lange verheiratet und schwebten auf einer wahrhaft rosaroten Wolke allumfassender Liebe.
Fröhlich prosteten sie einander zu, und Adeles Freundin Giovanna legte den Arm um sie. Die anderen naschten Chips und Pistazien, die zwischen ihren Zähnen knirschten.
»Flüstere mir noch mal eure tolle Geschichte ins Ohr«, hauchte Giovanna. Und Adele erzählte.
Ursprünglich kamen Niklas und sie aus Hamburg, waren aber beide zum Studium fortgezogen, er zunächst nach Köln, sie direkt nach Berlin. Und dort hatten sie sich dann endlich kennengelernt, nach der Arbeit in einem Club. Sie waren sofort ineinander verschossen gewesen und hatten von da an fast jede freie Minute miteinander verbracht.
Bald schon stellte sich die Frage, ob sie denn nicht zusammenziehen wollten. Es bedurfte nur eines einzigen Blickes, und die Antwort war klar. Sie wohnten in unterschiedlichen Vierteln, er in Berlin-Mitte, sie an der Grenze von Pankow zu Prenzlauer Berg. Klang gut, war es aber nicht. Die Entfernung zueinander war ebenso groß wie der Weg zu ihren Arbeitsstätten.
Sie überlegten gründlich und sorgsam, welche Kriterien ihr gemeinsames Heim erfüllen sollte, und es war Adele, die schließlich ihrem geheimen Traum Ausdruck verlieh.
»Was hältst du von einer anderen Stadt, nicht hier in Deutschland?«
Niklas verstand nicht gleich, er schaute sie eine Weile verdutzt an. »Gleich ein kompletter Länderwechsel?«
»Warum nicht? Was spricht dagegen?«
Zuerst antwortete er nicht, dann forderte er sie mit ernster Miene auf: »Schließ deine Augen. Eine so bedeutungsvolle Entscheidung ist nämlich nicht ohne Bedingungen zu treffen.«
»Jetzt machst du mir Angst.« Adele war kurz erschrocken über den abrupten Wechsel seiner Stimmlage und riss gegen seine Anweisung ihre hellen, graugrün schimmernden Augen weit auf.
»Worum habe ich dich gerade gebeten, mein Liebling? Hör bitte ein einziges Mal auf mich. Auch wenn es dir schwerfällt.«
»Ach ja. Augen zu.« Jetzt gluckste sie, und eine unbestimmte Last, deren Anwesenheit sie zuvor gar nicht recht gespürt hatte, fiel von ihren Schultern. »Aber beeil dich, ich platze gleich vor Ungeduld.«
Sie kauerte auf dem Perserteppich, ihre zarten Hände vorm Gesicht, und hielt den Atem an, als eine wunderschöne Musik erklang. Sie kam wohl aus Niklas' iPhone.
»Into the great wide open . under them skies of blue.«
Adele sprang auf und umarmte Niklas innig.
»Einer meiner Lieblingssongs von Tom Petty! Heißt das«, sie schmiegte sich an seinen Hals, »du sagst Ja zu einem länderübergreifenden Ortswechsel?«
»Wie vorhin angedroht, nicht ohne eine gewisse Bedingung.« Er hielt sie ein Stück von sich weg und zog eine kleine Schachtel aus der Tasche seiner schwarzen Jeans.
»Das . ist doch nicht das, was ich vermute?«
»Nichts würde mich seliger machen, als wenn du das Gleiche willst wie ich, mein Schatz.«
»Oh.« Sie schluckte und rang nach Worten. Ihr wurde heiß, dann brach es aus ihr heraus. »Es ist genau das, was ich mir insgeheim erhofft hatte«, jubelte sie und nahm den Ring, der in einer Schlaufe im blauen Samt steckte, heraus. Ein paar Sekunden ließ sie ihn auf ihrem Handteller liegen, um ihn anzusehen, und schob ihn dann über ihren Finger.
Ergriffen betrachtete sie ihn. »Passt haargenau«, sagte sie leise.
»Natürlich, schließlich habe ich mich bei deinen Freundinnen nach deiner Ringgröße erkundigt. Die sind übrigens nicht so verschwiegen, wie sie es einem gern vormachen. Als eine von ihnen - ich sage nicht, wer - mir nahelegte, neben der Ehe auch eine Luftveränderung in Erwägung zu ziehen, habe ich so lange nachgebohrt, bis sie mir verraten hat, was du dir wünschst. Und wohin es dich zieht. Was mich in meinen eigenen Plänen nur bestärkt hat. Adele, wenn wir eine so große Veränderung planen, gehört unsere Liebe besiegelt.«
»Sag mir ruhig ihren Namen. Diese Verräterin nehme ich mir demnächst mal gründlich vor. So eine Geheimnistuerin«, entgegnete Adele grinsend. »Was heißt das alles eigentlich im Detail?«, fragte sie dann.
»Wir kündigen unsere Wohnungen. Ich habe mich bereits in Venedig mit einigen Immobilienmaklern besprochen und glaube, etwas für uns Passendes gefunden zu haben. Im Rathaus war ich auch schon. Das war, als du dachtest, ich wäre auf dem Seminar in München.«
Adele hatte selbst hin und wieder Außentermine und war daher nicht verwundert gewesen, als Niklas für ein paar Tage weggefahren war. Sie hatte ihn zwar vermisst, aber dadurch endlich wieder mal Zeit gehabt, ausführlich mit ihren drei Freundinnen zu quatschen.
»Weißt du noch?«
»Ja, ja«, sagte sie ungeduldig. »Jetzt spann mich nicht so auf die Folter. Berichte mir sämtliche Details.« Sie kuschelte sich an ihn, seinen Ring am Finger, und zerzauste liebevoll seine hellblonden, dichten Locken.
Sie war aufgeregt wie nie zuvor.
Ihr ganzes Leben änderte sich gerade, drehte sich wie ein Wirbelwind um die eigene Achse.
Immer noch sang Tom Petty, und in Adeles Augen brannten Freudentränen. Schnell wischte sie mit einem Papiertaschentuch über ihre Wangen.
»Willst du mich denn heiraten?«
»Ja«, antwortete sie leise und fügte dann lauter hinzu: »Ja, Niklas, ja, ich will.«
»Und ich, mein Liebling, will das auch. Mein Ja hast du für immer und ewig.«
Der Tag, an dem Niklas ihr den Antrag machte, hatte begonnen wie viele, doch er endete mit einem gegenseitigen Ja, das der Startpunkt für ihr gemeinsames Leben hier in Venedig gewesen war und das sie nur als Ausdruck des höchsten Entzückens bezeichnen konnte. Immer wieder schwelgte sie in den Erinnerungen und Emotionen dieser außergewöhnlichen Story, die noch dazu ihre eigene war.
»Das ist eine der bezauberndsten und berührendsten Liebesgeschichten, die mir je untergekommen ist«, sagte Giovanna mit ihrem rauen Timbre.
Verdammt, sie redete wieder nur von sich und Niklas. Auch wenn Giovanna sie dazu aufgefordert hatte, war das keine Entschuldigung für sie als Gastgeberin. Kein Wunder, dass drei der anderen Freunde verstohlen gähnten.
Adele besann sich ihrer Rolle und holte eine weitere Flasche Prosecco aus dem Kühlschrank und von der marmornen Anrichte die bereits zubereiteten köstlichen Cicchetti, winzige Häppchen, belegt mit lokalen Spezialitäten. Eine venezianische Besonderheit, hübsch angerichtet auf der Silberplatte ihrer verstorbenen Großmutter. Adele bevorzugte Baccalà mantecato, einen Cremeaufstrich aus Stockfisch, Niklas hingegen mochte seine am liebsten pur mit Acciughe, den salzigen Sardellen, auf frisch gerösteten Brötchen mit einem Klecks Butter.
Zum Essen zogen sie sich mit ihren Gästen vom Garten auf die überdachte Terrasse zurück.
Während sie aßen und tranken, fühlte Adele sich heiter und sorglos. Giovanna berichtete inzwischen von einem Skandal, der die großen Luxusliner betraf. Eine hitzige Diskussion entstand, alle wollten ihr geliebtes Venedig retten. Adele war zwar oberflächlich am Gespräch beteiligt, geistig jedoch ganz woanders. Immer wieder spulte sie den wunderbarsten Tag in ihren Gedanken ab. Das geschah ihr häufig. Nicht nur Giovanna, auch sie konnte von ihrer Lovestory nicht genug kriegen.
Endlich servierte Niklas die von ihm gebackene Zitronentarte, holte kleine Teller und Besteck aus der Küche und stellte alles unter den begeisterten Rufen ihrer Gäste auf den schmiedeeisernen Tisch.
»So, und jetzt genießen wir den restlichen Abend, bis wir so müde und hageldicht sind, dass wir in der Morgenröte im Sitzen einschlafen.«
»Da bin ich dabei, mein Schatz.«
Er fand einfach die passenden Worte für jede Gelegenheit. Adele war auf den haargenau richtigen Mann getroffen, sie ergänzten einander perfekt, und bis auf ein paar geringfügige Kabbeleien hatte es noch nie Streit zwischen ihnen gegeben. Und wenn es nach ihr ginge, würde das ein Leben lang so bleiben.
Sie waren füreinander geschaffen.
Niklas
Er fand Freude daran, seine Liebste bei allem zu unterstützen. Natürlich sonnte er sich gern ein wenig in der Bewunderung ihrer gemeinsamen Freunde, die unaufhörlich betonten, wie gut sie beide zueinanderpassten und was für ein hervorragender Koch er doch sei.
Klar, manchmal nervte ihn das Chaos, das Adele hinterließ, wenn sie sich in der Küche zu schaffen machte. Kaum bereitete sie ihm einen Espresso, konnte er sicher sein, dass die Tischplatte voll Kaffeepulver war. Als »Kreatives Kochen« bezeichnete er ihre Unordnung flapsig und neckte sie damit.
Statt gekränkt zu sein, schenkte sie ihm in solchen Momenten jedoch bloß ein zärtliches Lächeln, das sein Herz unmittelbar schmelzen ließ. Beinah kam er sich boshaft vor. Adele war in einem begüterten Elternhaus aufgewachsen. Für sie war es von jeher selbstverständlich gewesen, verwöhnt zu werden.
So merkte sie gar nicht, dass er das meiste im Haushalt allein erledigte, beginnend mit den Einkäufen bis hin zur Zubereitung ihrer Mahlzeiten. Für Adele war es...
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