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(Vergiß, vergiß)
Vergiss, vergiss, und lass uns jetzt nur dies erleben,
wie die Sterne durch geklärten
Nachthimmel dringen;
wie der Mond die Gärten voll übersteigt.
Wir fühlten längst schon, wie's spiegelnder
wird im Dunkel,
wie ein Schein entsteht,
ein weißer Schatten in dem Glanz der Dunkelheit.
Nun aber lass uns ganz
hinübertreten in die Welt hinein,
die monden ist.
Rainer Maria Rilke (8)
Zum Nachhören (9):
Nina Hagen: "Die Welt die monden ist"
RILKE PROJEKT CD 1 "Bis an alle Sterne" Nr. 1
... rot wie Blut und schwarz wie Ebenholz, so wird die Schönheit von Schneewittchen, ihre Haut, der rote Mund und ihr Haar im Grimms Märchen Schneewittchen beschrieben. Märchen, die wir seit frühester Kindheit kennen, sind fest verankert in unserem Gedächtnis.
Während ich am Weiß schreibe, ist es recht passend tiefster Winter. Nahezu direkt vor unserer Haustür beginnen Langlaufloipen, auf denen wir durch die verschneite Landschaft gleiten, vorbei an märchenhaft überzuckerten Tannen. Wie weiße Watte schluckt der frisch gefallene Schnee jedes Geräusch und bei strahlend blauem Himmel erwecken die Sonnenstrahlen ein ganzes Meer von glitzernd weißen Diamanten. Wie überaus schön dies alles ist! Zumal wenn man bedenkt, dass Wohl auch diese Pracht vergänglich ist.
Das frühere nordische Frühlingsfest Imbolc, das von der Nacht vom 1. auf den 2. Februar gefeiert wurde, liegt zwischen Wintersonnwende und Frühjahrs-Tagundnachtgleiche. Die Lichterprozessionen und die Kerzenweihe, die heute an "Mariä Lichtmess" (dem vierzigsten Tag nach Weilmachten) zelebriert werden, gehen auf altes Volksbrauchtum zurück. Im Vorfrühling (10) entdecken wir zwischen Schneeresten die allerersten Blüten von weißer Farbe wie etwa Schneeglöckchen oder Märzbecher. "Es ist die Zeit der weißen Göttin, der wilden und ungezügelten Kraft von Liebe und Vitalität." (11) Ganz in Weiß gehüllt sind auch die frühblühenden Sträucher der Schlehen, noch bevor ihre grünen Blätter sprießen. Wie zur Hochzeit geschmückt - für die übers Land schreitende Göttin Brigid - erscheinen uns die im vollen Frühling im strahlenden Weiß aufblühenden Kirsch- und Apfelbäume; diese Blüten mit venusisch rosaner Unterseite (siehe Bild gegenüber). Brigid, ihr Name wird mit "die Helle", "die Strahlende" übersetzt und geht auf eine altkeltische Göttin namens Brigantia oder Brigindo, die Stammesgottheit der keltischen Briganten, zurück. Mit ihr verwandt ist auch die germanische Perchta. Das Weiß ist mit dem Lichten, dem Glänzenden verwandt. Auf italienisch heißt weiß bianco, auf französisch blanc, auf griechisch leukos, daher stammt unser Wort leuchten.
Weiß - die Farbe des reinen Lichts. Weiß ist mehr als eine Farbe: Ein Prisma zerlegt farbloses Licht in rotes, orangefarbenes, gelbes, grünes, blaues und violettes Licht. Weiß ist die Summe aller Farben des Lichts. Weiße Schwäne und Störche - diese großen weißen Vögel sind vom Himmel gesandte Glücksboten, ganz anders in ihrer Bedeutung für uns wie etwa die Krähen, die angeblich schwarzen Unglücksvögel. Wenn weiße Tiere nicht selbst Göller sind, haben sie zumindest eine Verbindung zum Göttlichen. Das zeigt sich auch im christlichen Kontext, wenn als Symbol für den Heiligen Geist eine weiße Taube gemalt wird und Christus mit einem weißen Lamm in Verbindung steht. Seit dem Altertum wurde die Farbe der Götter zur Farbe der Priester. Im katholischen Gottesdienst tragen Priester ein weißes Untergewand, die Alba - "alba" lateinisch für Weiß. An Weihnachten, Ostern und zu den Marienfesten tragen sie auch ein weißes Obergewand, denn Weiß ist die liturgische Farbe der höchsten Festtage.
Weiß ist vollkommen. Weiß wird noch weißer durch seinen Gegenpol Schwarz. Es ist der Kampf der Gegensätze von Gut und Böse, von Tag und Nacht. In der chinesischen Philosophie hingegen gelten die Zeichen des weißen YIN und schwarzen YANG als Symbole des Wandels. Hier ist nichts statisch. Ein zu viel des Einen lässt es ins Gegenteil kippen. Der weiße Punkt im Schwarz deutet diesen Umschwung ins Weiße an und umgekehrt.
Yang: weiß, hart, heiß, männlich, aktiv, Bewegung Yin: schwarz, weich, kalt, weiblich, passiv, Ruhe.
Juli 2020: In der aktuellen Rassismus-Debatte wird intensiv über Zuordnungen von Schwarz und Weiß gesprochen. ZEIT Dossier: "Wie rassistisch sind Sie?"
Denn die meisten weißen Menschen sind überzeugt: Hautfarbe spielt für mich keine Rolle. "Schön wär's". schreibt Bastian Berbner und zeigt uns ungewohnte, jedoch tief im Unterbewusstsein verankerte Zuordnungen von Schwarz und Weiß auf. (12)
Man spricht von einem Alabasterteint, wenn eine Haut makellos weiß erscheint. Weiß steht für den Anfang, beispielsweise im weißen Taufkleid, im weißen Hochzeitskleid. Es ist die Farbe der Jugend, der Unschuld. Ein weißes Brautkleid - als Zeichen von Unschuld - ist keineswegs von alter Tradition; dieses Ritual kam erst im vorletzten Jahrhundert auf. Noch um 1600 ließen sich auch sehr reiche Bräute kein Hochzeitskleid extra für diesen Anlass anfertigen. In Shakespeares "Romeo und Julia" wird die junge Gräfin Julia Capulet von ihren Eltern zur Hochzeit mit dem Grafen Paris gezwungen. Alles ist für dieses Fest schon lange vorbereitet, aber erst am Abend vor der Hochzeit fragt Julias Mutter, welches Kleid sie denn zur Hochzeit tragen würde.
"Beim Tragen weißer Dessous negiere die Frau die Anziehung ihres Körpers und steigere sie zugleich damit", der Modehistoriker Philipp Perrot widmete im 19. Jahrhundert ein ganzes Kapitel seines Buches zur bürgerlichen Mode dem Weißleinenen und der weißen weiblichen Baumwollwäsche. Er zeigte in seinen Reflexionen zur weißen Wäsche die Spannung zwischen Aufstachelung und Unterdrückung der Begierde.
Es gibt jedoch auch das sterile Weiß der Ärztekittel und Krankenhäuser. Auch kleinste Verschmutzungen sind auf diesem Untergrund sofort erkennbar. Weiße Arbeitskleidung ist vorgeschrieben in Berufen, die mit Lebensmittelverarbeitung zu tun haben wie Bäcker, Köche. Die sprichwörtlich gewordene "weiße Weste" ist im übertragenen Sinn Symbol eines untadeligen Verhaltens. Auch Folgendes hat eine lange Tradition: "Wer sich in Rom um ein politisches Amt bewarb, musste zuerst der Öffentlichkeit Rede und Antwort stehen. Vorgeschrieben war, dass alle Bewerber dabei eine weiße Toga trugen. Ein glänzendes Weiß heißt auf lateinisch candidus. Bewerber um politische Ämter nennt man noch heute Kanditaten." (13)
Noch vor wenigen Jahrzehnten war ein weißer Kragen das sichtbare Zeichen des beruflichen Standes eines Mannes. Die "blue-collar workers", die blau gekleideten Arbeiter unterschieden sich durch diese Farbe in den USA oder England von den "white-collar workers", den Angestellten mit ihren weißen austauschbaren Hemdkragen. Erst in den 1970er Jahren wurden farbige Herrenhemden akzeptabel. Noch heute ist das elegante Hemd ein weißes Hemd. Und je höher die berufliche Stellung, desto konservativer die Kleidung. Unbeeindruckt vom modischen Wandel tragen Männer in Spitzenpositionen fast nur weiße Hemden. Frauen sind in diesen Positionen zwar etwas freier in der Wahl ihrer Geschäftskleidung, jedoch auch für sie gelten ähnliche Maßstäbe.
Die weiße Taube mit einem grünen Ölzweig im Schnabel - heute als Friedenssymbol - tritt im Alten Testament als Verkünder vom Ende der Sintflut auf (1. Mose 8,1012). Eine große politische Bedeutung hat Weiß noch heute als Friedensfahne. Wer die weiße Fahne zeigt, kapituliert vor der Übermacht, ist zu Verhandlungen bereit. Als Farbe politischer Bewegung war Weiß die Farbe der absoluten Monarchie. Die erste monarchistische Bewegung, die sich "die Weißen" nannte, entstand 1815 in Frankreich nach dem Sturz Napoleons. Auf den "Roten Terror" der Französischen Revolution folgte der "Weiße Terror" der monarchistischen Gegenreformation. In Rußland waren die "Weißen", die "Weißgardisten". Anhänger des Zaren, die während der Russischen Revolution bis 1920 gegen die Rote Armee...
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