Schweitzer Fachinformationen
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Die Maschine setzt derart holprig auf, dass ich mehrfach aus dem Sitz gehoben werde. Dabei presst sich der Gurt unangenehm in meinen ohnehin schon angespannten Unterleib.
Ich hasse Fliegen. Mit einem Seufzer öffne ich die Augen, während ein paar wenige Passagiere verhalten klatschen. Ich habe noch nie verstanden, warum die Leute bei Landungen applaudieren. Ich meine, der Pilot macht auch nur seinen Job. Mich hat bisher keiner mit Applaus überschüttet, nur weil ich es geschafft habe, Schatten und Beleuchtung bei einem Game effektvoll zu programmieren.
»Sehr geehrte Damen und Herren, herzlich willkommen in Frankfurt am Main, Flughafen. Es ist 15.20 Uhr Ortszeit und es herrschen angenehme Temperaturen von 29 Grad. Vielen Dank, dass Sie sich entschieden haben, mit .«
Angenehme Temperaturen? Scherzkeks. Sofort sehne ich mich nach den 21 Grad in Vancouver zurück, die ich gestern noch genießen durfte.
»Entschuldigen Sie, aber ich müsste an mein Gepäck.« Meine Sitznachbarin hat sich schon abgeschnallt und steht geduckt neben mir. Den ganzen Flug über hat sie kaum eine Minute stillgesessen und ständig Kaugummis gekaut. Den künstlichen Erdbeergeruch habe ich noch immer in der Nase.
Ich rücke meine Brille zurecht und öffne betont langsam die Schnalle des Sitzgurtes. Beobachte die anderen Passagiere, wie sie Gepäckfächer aufreißen, Smartphones einschalten und sich im Gang drängeln, obwohl der voll besetzte Flieger seine Türen noch gar nicht geöffnet hat.
»Das dauert«, sage ich mit gespieltem Bedauern zu meiner Sitznachbarin. »Da kommen wir jetzt nicht ran.« Ich bin wahrscheinlich der Einzige, der keine Eile hat, das Flugzeug zu verlassen. Kein Wunder, da ich es am liebsten gar nicht erst bestiegen hätte.
»Sie machen auf.« Meine Sitznachbarin deutet nach vorn, und die Menschen schlängeln sich durch den engen Gang.
Ich erwische eine Lücke und erhebe mich aus dem Sitz, um das Gepäckfach zu öffnen. Dann lasse ich der Dame den Vortritt, warte, bis alle anderen an mir vorbeigezogen sind, nehme in Ruhe meinen Rucksack und steige aus der Maschine.
Warme Luft und der Geruch von Kerosin erschlagen mich für einen Moment. Am liebsten würde ich mir das Sweatshirt vom Leib reißen, aber ich trage nur ein Unterhemd drunter. Gut, dass ich daran gedacht habe, ein paar T-Shirts einzupacken. Ich bin eher der Typ für Hemden und Anzüge.
Leider gibt es keine Gangway zum Terminal, stattdessen bringen uns zwei Busse zum Flughafengebäude. Allein der Anblick des riesigen Airports, von dem ich als Kind ein paar Mal mit meiner Familie in den Urlaub geflogen bin, bereitet mir leichte Panik. Ich gehöre hier einfach nicht mehr her.
Der Bus hält. Wieder drängelt sich alles an mir vorbei ins Freie. Es sind nur ein paar Schritte bis zur Rolltreppe im Gebäude, die uns ein Stockwerk nach oben trägt.
Die Ausweiskontrolle geht fix, da ich einen deutschen Pass habe, und so folge ich den Schildern zur Gepäckhalle. Das Rollband für meinen Koffer steht noch still. Zeit, E-Mails zu checken. Ich schalte mein Smartphone ein, das ich auch dienstlich nutze. Meinem Geschäftspartner Rory habe ich versprochen, dass ich für ihn erreichbar bin. Das war das Mindeste, nachdem ich von einem auf den anderen Tag abgereist bin und ihn mit einem wichtigen Projekt hängen gelassen habe.
Angerufen hat er nicht, dafür eine E-Mail geschickt. Unser Kunde hat mal wieder ein paar Änderungswünsche. Nichts Besonderes, das kriegt Rory hin. Ich antworte ihm, dass ich mit seiner Vorgehensweise einverstanden bin, dann öffne ich mit angehaltenem Atem wieder die Anrufliste.
Ava hat angerufen. Zweimal. Dann eine WhatsApp geschickt, in der sie mich fragt, ob ich schon angekommen bin und wie der Flug war. Sie ist auch eine, die ich mit meiner ungeplanten Reise vor den Kopf gestoßen habe. Ich antworte ihr, dass alles gut gelaufen ist und ich sie später anrufe. Sofort schäme ich mich, da ich nicht weiß, ob ich es tatsächlich tun werde.
Es kommt Bewegung in die Menge vor dem Band. Die Koffer rollen an. Ich habe Glück, denn meiner ist unter den ersten, und so schnappe ich mir das schwarze Ungetüm, lasse den Zoll hinter mir und nehme die Skyline zum Fernbahnhof.
Schon im Flieger war es komisch, vereinzelt wieder Deutsch zu hören, doch jetzt am Bahnsteig prasseln so viele Stimmen in meiner Muttersprache auf mich ein, dass es wie ein kleiner Kulturschock ist. Obwohl Deutschland ja meine Heimat ist - war.
Natürlich telefoniere ich ab und zu mit meiner Mutter auf Deutsch, aber dann ist es eben nur ihre Stimme.
Ich schüttle den Kopf über meine Verwirrung. So lange ist es auch wieder nicht her. Nach dem Studium vor acht Jahren habe ich das letzte Mal meine Mutter in Deutschland besucht. Shame on me. Aber sie ist eben schon lange nicht mehr die Frau, die sie einmal war.
Die Bahn ist zu spät. Wenigstens etwas, das sich in diesem Land nie ändern wird. Ich entscheide mich, eine der Reservierungsanzeigen zu ignorieren, und hoffe, die Person taucht nicht auf. Immerhin ist es nicht weit bis zu meinem Zielbahnhof.
»Nächster Halt: Würzburg Hauptbahnhof. Ausstieg in Fahrtrichtung rechts.« Die Ansage lässt mich aufschrecken. Bin ich doch tatsächlich eingenickt. Lustlos greife ich nach meinem Gepäck. Ein Teil von mir wünscht sich, dass die Reise zum Zielort endlich zu Ende ist, ein anderer, dass ich schon bald nach Vancouver zurückfliegen kann.
Würzburg in Unterfranken. Hier habe ich das Deutschhaus-Gymnasium besucht, mir Actionfilme im Kino angesehen und mich im Dallenbergbad zum ersten Mal verliebt.
Wie mir gleich auffällt, hat sich die Bahnhofshalle zum Besseren gewandelt. Meine Mutter hat mir irgendwann einmal erzählt, dass das gesamte Bahnhofsgelände seit 2012 saniert wird. Das ehemalige Fahrkartenbüro ist einem direkten Zugang zu den Gleisen gewichen, und die unansehnlichen gelben Wandfliesen wurden von einem weißen Anstrich sowie hellen Fliesen abgelöst, die für mehr Freundlichkeit sorgen. Auch die neuen Ladengeschäfte wie Drogerie, Buchhandlung und Bäckerei sowie mehr Sitzplätze und Aufzüge für Rollstuhlfahrer verleihen dem Inneren einen ungewohnt modernen Eindruck.
Der Vorplatz des Gebäudes führt mich zur Straßenbahnhaltestelle und zum Busbahnhof. Auch hier hat sich einiges verändert. Die zahlreichen Bahnhofsbuden sind alle verschwunden. Immerhin steht der Kiliansbrunnen noch an gewohnter Stelle, und der Bus, der Würzburg mit meiner Heimatgemeinde Friedberg verbindet, fährt häufiger als früher, wie ich mit Blick auf den Fahrplan erfreut feststelle. Leider ist es im Inneren des Fahrzeugs nicht klimatisiert. Ich puste mir eine dunkle Haarsträhne aus der mit Schweiß bedeckten Stirn. Ich muss mal wieder zum Friseur. In den letzten Wochen habe ich so viel in der Firma zu tun gehabt, dass selbst dafür keine Zeit war.
»Entschuldigen Sie, Ihr Koffer .« Eine junge Frau, vielleicht 16, spricht mich an. Mein Gepäck steht mitten im Gang.
»Oh, sorry.« Einen Moment lang stockt mir der Atem, und ich starre die Frau, die eigentlich noch ein Mädchen ist, an. Etwas zu lang, wie mir ihre zusammengekniffenen Augen verraten. Verständlich, denn ich bin doppelt so alt wie sie, und mein Glotzen könnte sie fehlinterpretieren. Kaum bin ich zurück in der Heimat, da sehe ich Gespenster.
Schnell ziehe ich den Koffer zwischen meine Beine, die wenig Freiheit genießen. 25 Minuten später steige ich aus. Ein paar Meter von der Bushaltestelle entfernt ist ein Bushäuschen, von der eine andere Linie durch die Gemeinde fährt. Das Häuschen existiert seit über 20 Jahren, genau an dieser Stelle. Der Dorfbus würde mich quasi direkt vor dem Haus meiner Mutter absetzen, es ist nur eine Station. Doch ein paar Schritte zu Fuß werden mir nach dem langen Herumsitzen guttun.
Trotz Gepäck meide ich die Abkürzung über den Weinbergsweg und folge der kurvigen und steilen Hauptstraße hinauf, vorbei an vertrauten Einfamilien- und Reihenhäusern. Ich bin froh, niemandem zu begegnen. Mein Auftauchen wird sich schnell genug in Friedberg herumsprechen.
Mein Ziel ist ein alleinstehender Bungalow mit Vorgarten, der äußerst ungepflegt wirkt. Die Beete sind vertrocknet, und der Rasen sieht aus, als hätte er seit Wochen keinen Sprenger mehr gesehen. Aber was habe ich nach dem Anruf meiner Mutter auch erwartet? Sie hat andere Sorgen als ihre Blumenbeete. Trotzdem - sie liebt ihren Garten, hat sich immer selbst darum gekümmert. Sogar für Vater waren die Beete tabu. Ich lächle bei der Erinnerung an einen Nachmittag, an dem ich meiner Mutter eine Freude machen wollte und das Unkraut im Garten zupfte. Ich muss elf oder zwölf gewesen sein, meine Kindheit noch unbeschwert.
»Du hackst mir meine schönen Beete kaputt«, schimpfte sie zu Recht, denn ich hatte einige Setzlinge erwischt.
Jetzt, wo ich vor der Haustür stehe, schäme ich mich auf einmal, dass ich so verschwitzt bin. Meine Haare in der Stirn sind nass, und auch unter dem Sweatshirt hat sich Feuchtigkeit angesammelt.
Sie öffnet sofort auf mein Klingeln. Wahrscheinlich hat sie mich vom Küchenfenster aus entdeckt.
»Robert, da bist du ja endlich.« Mutter nimmt mich in den Arm. Sie reicht mir kaum bis zur Schulter. »Du bist blass«, meint sie, nachdem sie sich von mir gelöst hat. »Gibt es in Kanada keine Sonne?«
»Doch«, antworte ich. Aber da ich viel arbeite, bin ich zu selten im Freien. Dein Gesicht hat noch weniger Farbe, denke ich. Die dunklen Ringe, die seit Jahren von Schlafmangel zeugen, heben sich markant auf...
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