Schweitzer Fachinformationen
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Wenn man sich mit der sportlichen Historie der Eintracht beschäftigen möchte, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Man kann zum Beispiel im Internet recherchieren, wo sich Infos und Daten zu allen Spielen finden lassen, etwa sämtliche Tabellen, seit es Tabellen gibt. Wer wann in welcher Minute ausgewechselt wurde, wer wann welches Tor geschossen oder einen Elfmeter vergeigt hat, sich in welcher Spielminute wie lange wo gekratzt hat, ob es was genutzt hat und so weiter. Das dürfte die umfangreichste Informationsquelle sein, aber gleichzeitig auch die nüchternste und somit langweiligste.
Des Weiteren gibt es eine Menge schlaue Bücher, in denen die Autoren Eintracht-Wissen zusammengetragen und in den meisten Fällen mit historischen Fotos aufgehübscht haben. Viele davon schmücken mein großes Bücherregal.
Eine weitere Möglichkeit ist, sich mit noch lebenden Zeitzeugen zu unterhalten, die vieles selbst miterlebt haben. Allerdings birgt das die Gefahr, dass sich in reale Schilderungen gern auch mal münchhausenartige Übertreibungen schmuggeln, zum Beispiel bei der Beschreibung von Spielverläufen oder Toren. (»Erst hat de Jay-Jay Okocha die komplette Karlsruher Mannschaft ausgedribbelt, dann alle, die auf der Ersatzbank saßen, inklusive Trainerteam und Zeugwart. Dann isser raus und hat auch noch de Busfahrer nassgemacht, bevor er dann wieder aufs Spielfeld zurück is und des Tor geschosse hat!«) Was einen seriösen Umgang mitunter etwas erschwert.
Die zweifellos beste Variante aber ist, das Eintracht-Museum zu besuchen! Weil es mehr ist als nur ein Ausstellungsraum für historische Dinge wie alte Plakate, Pokale oder den rechten Schuh von Alex Meier, sondern darüber hinaus ein wirklich ganz besonderer Ort - der es jedes Mal, wieder und wieder, schafft, mir ein gutes Gefühl zu geben. Was gleich mit mehreren Faktoren zu tun hat.
Ein wichtiger ist das Team, das dort arbeitet. In all den Jahren habe ich dort noch nie jemanden schlecht gelaunt, geschweige denn unhöflich erlebt. Dazu kommt, dass mit Matze Thoma nicht nur ein wandelnder SGE-Almanach das Museum leitet, sondern jemand, der einen äußerst feinfühligen Umgang mit der hochsensiblen Eintracht-Geschichte pflegt.
Ein anderer sind seine Besucher: zum Großteil durchgeknallte Eintracht-Fans aller Altersklassen, mit denen man stundenlang wunderbar geisteskranke Gespräche führen kann. In denen wir uns gegenseitig unaufgefordert mit unserem vermeintlichen Fachwissen, unserer ultrasubjektiven Wahrnehmung der Fußball-Verhältnisse und unseren vollkommen größenwahnsinnigen Prognosen bezüglich Spielausgängen oder Platzierungen am Ende der Saison überschütten. Und dabei unseren Verstand schon früh auf Stand-by umschalten, um laut und ungehemmt tonnenweise gequirlten Quatsch abzusondern.
»Hier, Henni, was denkst du? Wann wern mer widder Meister?«
»Poh, schwierige Frage! Ich mein .«
»Mit e bissi Glück noch die Saison?«
»Diese Saison?! Ich weiß nicht. Wir sind Achter, und die Bayern haben schon dreiundzwanzig Punkte Vorsprung! Und dazu das Torverhältnis .«
»Ja, aber ich hab das mal ausgerechnet, Henni! Wenn wir ab jetzt alle Spiele mit sechs Toren Unnerschied gewinne und die Bayern alle ihre Spiele mit acht Toren Unnerschied verliern tun, dann könnte mers noch packe!«
»Stimmt! Solange es rechnerisch noch möglich ist . warum eigentlich nicht?«
»Seh ich genauso, Henni! Man darf de Glaube net uffgebbe!«
»Stimmt! Die Hoffnung stirbt zuletzt.«
»Apropos sterben . Kanntest du noch de Hans-Rainer Wiesinger?«
»Nein! War das ein Eintracht-Spieler?«
»Nee, des war de Oppa von 'nem Kumpel von mir. Der ist letztes Jahr verstorben . war aber auch schon über neunzisch.«
»Ach so! Und was hat das mit der Eintracht zu tun?«
»Ganz einfach! De Hans-Rainer hat in den Sechzigerahrn mal in de Metzgerei vom Onkel vom Kalla Wirth, der ja lange bei de Eintracht gekickt hat, Bierschinken gekauft!«
»Oh! Interessant!«
»Fand ich auch spannend! Dacht ich mir, dass dich des interessiert. Tschö, Henni!«
»Ja . tschüss!«
Und während wir voller Inbrunst Gespräche wie dieses führen, bemerken wir gar nicht, wie in der Nähe stehende neutrale Besucher heimlich auf den Displays ihrer Handys nachschauen, wo der nächste psychiatrische Notdienst ist.
Ich weiß auch nicht, warum mein ansonsten durchaus kritisches Betrachten von Mitmenschen bei Eintracht-Fans automatisch ausgeschaltet wird. Warum ich, wenn mir einer die Vorfahrt nimmt, erst laut »Du Arschloch!« brüllen will, aber in dem Moment, in dem ich auf seiner Heckscheibe einen Eintracht-Aufkleber sehe, milde lächle und verbindlich den Daumen nach oben halte. Warum ich empört den Kopf schüttele, wenn in der Frankfurter Innenstadt ein hässlicher, korpulenter Mann nur mit Unterhose bekleidet in einen Brunnen springt, ich mich aber, sobald er auch nur einmal laut »Eintracht!« brüllt, verständnisvoll sagen höre: »Was für ein lebenslustiger Kerl!« Eine plausible Erklärung habe ich für all das nicht. Ich weiß nur, dass es so ist und dass es mir irgendwie guttut.
Was die Besuche im Eintracht-Museum auch so besonders macht, sind die persönlichen Zeitreisen, die viele von uns beim Betrachten der vielen historischen Utensilien antreten. Und je älter wir sind, desto ausführlicher gestalten sich diese.
Gut, bei der Deutschen Meisterschaft 1959 war ich gerade mal zwei Jahre alt, dementsprechend starre ich auf das Plakat zum Endspiel gegen Kickers Offenbach ähnlich emotionslos wie deutlich jüngere Besucher. Schön, denke ich dann jedes Mal, dass sie das damals 5 : 3 gewonnen haben. Blöd, dass es bis heute das einzige Mal war. Schon deutlich stärkere Gefühlsregungen verspüre ich da beim Betrachten der DFB-Pokale, an deren Finale ich mich alle irgendwie erinnern kann. An die Verlängerung 1974 gegen den HSV, das Siegtor von Charly Körbel 1975 gegen Duisburg, das 3 : 1 gegen Kaiserslautern im Stuttgarter Neckarstadion 1981 oder den grandiosen Freistoß von Lajos Détári gegen Bochum 1989. Der nicht zuletzt wegen dieses Tors auch in Ungarn immer noch eine lebende Legende ist, wie mir unlängst ein ungarischer Journalist erzählt hat.
Ja, und dann die Mutter aller DFB-Pokalsiege: das 3 : 1 gegen die Bayern 2018! Ich weiß noch, dass ich in den Tagen davor jede Menge Zweckpessimismus zur Schau trug. Ich erzählte jedem, der es hören oder auch nicht hören wollte, dass wir mehr als nur krasser Außenseiter seien, unsere Chancen bei fünf zu fünfundneunzig lägen und ich deswegen nicht im Geringsten nervös, sondern tiefenentspannt sei. Dass das allerdings nicht so ganz stimmte, zeigte mir ein ziemlich skurriler Traum (kein Joke!), den ich ein paar Tage vor der Partie hatte. Ich saß im Büro von Nico Kovac, dem damaligen Eintracht-Trainer. Ich vorn, Kovac hinter seinem Schreibtisch. Von wo aus er mich mit ernstem Blick anschaute, um dann mit gepresster Stimme zu sagen: »Henni, ich muss dich fürs Endspiel am Samstag leider aus dem Kader streichen. Tut mir leid!« Auf meine Frage, warum, antwortete er: »Du bist letzte Woche sechzig geworden.«
Woraufhin ich wütend aufsprang, um zutiefst beleidigt und kopfschüttelnd aus seinem Büro zu stürmen. Allerdings nicht, ohne noch einmal kurz zurückzukommen, die Tür aufzureißen und »Alters-Faschist!« zu schreien. So etwas träumt man nicht, wenn man tiefenentspannt ist.
Ein paar Tage später war es dann so weit: Finale in Berlin!
Ich kann mich bis heute an kein unwirklicheres Spiel der Eintracht erinnern. Weil an diesem Samstagabend alles anders war, als wir das kannten - geradezu spiegelverkehrt. Da war diese über weite Strecken hohe Überlegenheit und Spieldominanz der Eintracht, die man doch eigentlich beim Gegner erwartet hatte. Belohnt durch zwei vollkommen irre Rebic-Tore, Konstrukte aus Schnelligkeit, Kraft und unbändigem Willen. Zwischendurch der Ausgleich der Bayern, nach dem für uns Frankfurter Fans sofort klar war, dass jetzt alles doch seinen »gewohnten Gang« gehen würde. Was aber nicht eintraf. Auch nicht, als nach einem Kontakt von Boateng an Martinez im Strafraum alle einen Elfmeter für die Münchner erwarteten, sich aber Felix Zwayer nach Anschauen der Videobilder nur auf Eckball für die Bayern entschied.
Und als wäre das nicht schon surreal genug gewesen, entwickelte sich genau aus diesem Eckstoß der zweifellos wichtigste Forrest-Gump-Lauf der Fußball-Geschichte. Als nämlich Mijat Gacinovic allein auf das leere Bayern-Tor zurannte! Dabei sprang nicht nur das komplette Ersatzbank-Personal auf und lief mit, sondern alle Eintracht-Fans auf der ganzen Welt. Und sei es aufgrund von zu kleinen Wohnzimmern auch nur mit den Augen. Fest steht, dass wir alle an diesem 19. Mai 2018 in der sechsten Minute der Nachspielzeit den Ball zusammen ins Tor befördert haben, egal, wo wir uns auch gerade befanden!
Ich hing übrigens danach zu meiner eigenen Verwunderung weinend am Hals meiner Dogge...
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