Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
GESTERN HATTE ICH SEX
MARCO
23. April
«Gestern haben wir uns geliebt. Wie schön das klingt. Die Symbiose zweier Seelen, die sich finden, verheiraten, vereinen, die zusammenkommen und auseinanderdriften, sich treffen, den physikalischen Gesetzen von Anziehung und Abstoßung beugen, einander voller Kraft, Sanftmut, Zärtlichkeit und Ehrfurcht hingeben, im Rhythmus der stillen, berauschenden Melodie ihrer Körper, die in fortwährender Reibung Energien tauschen und das gemeinsame Abenteuer in einer Explosion befreiter Lust vollenden, als zwei zerbrechliche Hüllen, die sich umschlingen, liebkosen, neues Leben einhauchen, für einen Moment erstarrend in der Erregung, die ihre Herzen im Augenblick größtmöglicher Nähe erfahren. Liebe machen . Ja, das ist eine wirklich schöne Formulierung. Viel zu schön, um meine Empfindungen auszudrücken. Ein Euphemismus für den abrupten Akt, der mich mit steifen Beinen und den unauslöschlichen Spuren der Hände, die meinen nackten Körper entweiht hatten, zurückließ, für den Schmerz in Leib und Seele und das getrübte Bewusstsein, dass ich jetzt für immer verdammt bin, denn: Gestern habe ich mich ficken lassen .»
Es schüttelt mich, wenn ich diese Worte in dem Tagebuch lese, das ich als Heranwachsender geschrieben habe. Sie geben mir das Gefühl, in eine andere Zeit zu springen, die Zeit meiner turbulenten Jugend. Es ist viel passiert seit jenem Tag, an dem ich zum ersten Mal Sex hatte. Er liegt etwa zwanzig Jahre zurück. Sie sind mit irrer Geschwindigkeit vergangen. Ich denke mit einer gewissen Sehnsucht an diese Zeit zurück, in der ich jung und frei war und mich noch nicht von den Krallen der Ehe hatte einfangen lassen. Ich habe in meiner Jugend einige Dinge getan, auf die ich nicht stolz bin, aber das Leben geht nun mal weiter. Ich kann nicht die Zeit zurückdrehen, um zu ändern, was ich damals getan habe. Könnte ich es, wäre heute vielleicht alles anders.
Gerade habe ich Anastasie, meine fünfjährige Tochter, ins Bett gebracht, der ich jeden Abend vorm Zubettgehen Geschichten von Prinzessinnen erzähle, damit sie zur Ruhe kommt. Danach schläft sie friedlich wie ein Engel. Im Haus ist es still. Ich sitze in einem Schaukelstuhl neben dem Bett meiner kleinen Prinzessin. Nehme erneut das Tagebuch von damals zur Hand. Der erste Eintrag stammt vom 15. Januar. Das war vier Monate vor dem Tag, an dem sich alles radikal änderte. Wieder tauche ich ein in die Geschichte meines Lebens und seiner Irrwege. aber begegnete keiner Menschenseele in dieser Zwischenwelt, die außerhalb jeglicher Realität zu liegen schien. Dann, gerade als meine Verzweiflung übermächtig zu werden begann, tauchte plötzlich eine Tür auf. In der Dunkelheit dahinter erklang eine Stimme, die mich aufforderte einzutreten. Seltsamerweise hatte ich keine Angst. Ich wusste, ich kam zu meinem Wohltäter. Er sah aus wie mein Sportlehrer. Der Anblick seiner perfekten Muskeln, seiner glatten Haut und seiner sinnlichen Lippen weckte in mir den Wunsch, ihn zu küssen. Er sagte, ich solle meine Kleider zum Trocknen aufhängen. Wenig später stand ich in Unterwäsche vor ihm, und er verschlang mich mit seinen Blicken. Er kam langsam näher. Küsste mich. Zerriss mein Unterhemd. Er trug mich ins Schlafzimmer und wir hatten Sex, ganz sanft, immer wieder, in blütenweißer Bettwäsche .
Gott, mein Herz schlägt bis zum Hals. Ich will das alles nicht mehr. Aber gleichzeitig wächst das Verlangen, dass der Traum Wirklichkeit wird, mit jedem Tag mehr. Gib mir die Kraft, es zu überwinden, sonst tue ich bald etwas Unverzeihliches, das sich nie wieder rückgängig machen lässt.»
30. Januar
«Heute war ich im Cybercafé, um für meine Geschichtsarbeit zu recherchieren. Wie üblich war es brechend voll. Hauptsächlich junge Internet-Betrüger, die einsame Europäer anchatten, die sich nach Liebe sehnen. Es war irre heiß. Man stelle sich einen Ort von fünfzehn Quadratmetern vor, durchschlängelt von hunderten Kabeln, ohne Ventilator, dafür vollgestopft mit zwanzig Computern und dreißig Leuten. So ähnlich muss es in der Hölle zugehen.
Ich bin auf einer Website gelandet, die mit einem echten Sexgott warb. Ein Schwarzer mit schönen vollen Lippen und Bauchmuskeln, die ein perfektes Sixpack bildeten. Diesmal nahm ich als Profilnamen. Manchmal komme ich auf verrückte Ideen.
Ich bekam viele Nachrichten. Offenbar stehen die Leute im Internet auf Schlampen. Die meisten sagten nicht mal Hallo. Sie wollten nur wissen, wo ich wohne, ob ich auf der Stelle für ein Sexabenteuer bereitstehe und was ich beim Sex mag. Ich ging voll auf das Spiel ein, antwortete, ich würde gerne knutschen, Schwänze lutschen, mir den Hals und die Brustwarzen lecken lassen und mich hingeben wie eine Nutte. Ich amüsierte mich ganz gut beim Chatten mit den Leuten. Aber es erregte mich auch. Meine Shorts wurden ganz feucht.
All das macht mir Angst. Von Tag zu Tag werde ich geiler und leichtsinniger. Manche User wohnten ganz in der Nähe. Ich hätte fast der Versuchung nachgegeben, ihnen meinen jungfräulichen Körper anzubieten, um endlich die verbotenen Genüsse aus meinen Träumen kennenzulernen.»
10. Februar
«Heute war ich in der Messe. Der Pfarrer redete in seiner Predigt über . , sagte er. Er meinte auch, dass Gott die Unzüchtigen hasst und verabscheut, dass sie in seinen Augen nicht mehr wert sind als Dreck, weil sie Ungläubige sind. Seine Worte waren streng, grausam, unerbittlich. Ich bekam beim Zuhören Bauchschmerzen vor Angst, aber sagte am Ende zusammen mit den anderen Gemeindegliedern Amen. Eigentlich darf ich sowieso keinen Sex haben und müsste meine Jungfräulichkeit bis zur Hochzeit bewahren. Ich sollte meine langen schlanken Beine verstecken und meine junge glatte Haut verhüllen, meinen knackigen runden Hintern, mein fein geschnittenes Gesicht, meine sehnsüchtigen rosafarbenen Lippen, meine aufrechte Haltung und meinen lässigen Gang, wegen denen mich schon öfter Frauen angemacht haben.»
19. Februar
«Ich führe ein Dasein im Verborgenen, umhülle mich mit Schweigen. Den Großteil meiner Freizeit verbringe ich hinter der verschlossenen Tür meines Zimmers. Dort fühle ich mich am sichersten. Ein Raum von neun Quadratmetern. An allen Wänden hängen religiöse Bilder: die Jungfrau Maria mit ihrem Sohn auf dem Arm, ein Kruzifix und die Zehn Gebote in riesigen Lettern. Ich denke an Mama, Papa und frage mich, was sie tun würden, wenn ihnen meine wahre Natur, meine teuflischen Gelüste bekannt wären. Es beschämt mich, dass ich mich immer mehr in eine von sexuellen Trieben geleitete Kreatur verwandele. Ich werde zum Monster.»
28. Februar
«Heute werde ich über mich und meine Eltern sprechen. Diese bescheuerte Idee kam mir heute Morgen in den Kopf.
Ich bin achtzehn Jahre alt und gehe in die oberste Klasse der naturwissenschaftlichen Schule. Ich bin das einzige Kind meiner Eltern, Monsieur und Madame Kouo. Mama sagt, ich sei ein Geschenk des Himmels, das Gott ihnen nach langen Jahren der Prüfung gemacht habe. Und dass sie sehr glücklich waren, mich empfangen zu können und mir mehr Liebe geschenkt hätten, als man einem Kind überhaupt geben kann. Doch wenn mich ihr kalter Blick trifft, während sie diese Worte sagt, glaube ich, sie sind nur leeres Gerede.
Meine Eltern sind nicht reich, aber sie haben stets dafür gesorgt, dass ich auf die besten Schulen ging, an Feiertagen meine feinsten Klamotten trug und immer zufrieden lächelte. Mama ist Vorsitzende der Frauengruppe ihrer Gemeinde, eine dem Herrgott treu ergebene Dienerin. Sie ist auf allen Ebenen des Gemeindelebens aktiv und schwört auf ihren Pfarrer. Alle seine Vorschriften befolgt sie. Die wichtigste besteht darin, sich selbst rein zu halten, indem man den Freuden der Welt entsagt, mit dem Ziel, dadurch an den Freuden im Jenseits teilhaben zu können, wo auf ewig der Gnade und dem Glanz Gottes gehuldigt wird. In Sachen Religion finde ich meine Mutter oft naiv, aber ich behalte meine Meinung für mich. Ich nehme an, der Glaube ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Sie und ich haben ja nicht einmal dieselbe Konfession. Ich bin Katholik, wie Papa, der sich mit der Sonntagsmesse zufriedengibt und dem es wichtiger ist, Geld nach Hause zu bringen als andere Dinge. Sie dagegen ist eine überzeugte, von brennendem Eifer beseelte evangelikale Christin. Manchmal ist sie auch ein bisschen übereifrig. Sie hat aus unserer Wohnung einen Gebetstempel gemacht. Es ist meine Pflicht, an der täglichen Andacht teilzunehmen, bei der wir stundenlang laut beten, um Dämonen und andere böse Geister fernzuhalten. Danach habe ich immer steife Knie und meine Stimme ist heiser. Meine Mutter redet ununterbrochen über das fromme Leben, das ich führen muss, damit ich nicht verdammt werde und meine Seele für immer in der Hölle schmoren muss. Um das zu verhindern, hat sie ein ganzes Reservoir an Bibelversen aus dem dritten Buch Mose parat, die sie dauernd aufsagt. Sie weiß auch genau, wo sie stehen. Ihr liegt viel daran, dass wir alle gerettet werden. Ich höre mir das immer alles an, ohne mit der Wimper zu zucken, und sage mir, dass das wohl ihre Art ist, mir ihre Liebe zu zeigen.»
12. März
«Mir bricht der kalte Schweiß aus. Die psychischen Probleme, die ich im Zusammenhang mit meiner Sexualität habe, kommen wieder an die Oberfläche, die ständigen Zweifel wegen der sexuellen Orientierung bereiten mir schlaflose Nächte. Ich verstehe das einfach nicht. Wie ist es möglich, dass ich eine so starke...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.