Kapitel III "Du", lieber Leser!
Unterwegs mit dem Stern. Die Schwester
Kirchenlieder langweilig - zu oft gehört?
Kirchenlieder - Ausdrucksformen des Abenteuers mit Gott, zum Beispiel meines (Gotteslob Nr.: 258):
Lobe den Herren
Lobe den Herren,
den mächtigen König der Ehren,
lob ihn, o Seele,
vereint mit den himmlischen Chören.
Kommet zuhauf,
Psalter und Harfe, wacht auf,
lasset den Lobgesang hören!
Lobe den Herren,
der alles so herrlich regieret,
der dich auf Adelers
Fittichen sicher geführet,
der dich erhält,
wie es dir selber gefällt.
Hast du nicht dieses verspüret?
Lobe den Herren,
der künstlich und fein dich bereitet,
der dir Gesundheit verliehen,
dich freundlich geleitet.
In wie viel Not
hat nicht der gnädige Gott
über dir Flügel gebreitet!
Lobe den Herren
was in mir ist, lobe den Namen.
Lob ihn mit allen,
die seine Verheißung bekamen!
Er ist dein Licht,
Seele, vergiss es ja nicht.
Lob ihn in Ewigkeit. Amen!
So sehe ich nun mein Leben, in Freude und irgendwie auch sogar noch im Leid. Gottes greifbare Nähe und Hilfe, zum Beispiel heute, an diesem Tag, nachdem der Stern mich leitete, im Dunklen Tunnel und so viele Jahre. Heute Morgen meditierte ich das Kreuzwegbild und das Wort: "Selig sind, die da Leid tragen, denn sie werden getröstet werden." (Mt 5,4). Auch jenseits des Dunklen Tunnels wechseln Stimmungen ab, gibt es Freude und Leid, wenn ich nun auch schon so lange Zeit mit dem Stern übergroßer Grundfreude in meinem Leben unterwegs sein darf.
Das Kreuzwegbild hatte ich an einer Haltestelle gegenüber einem Krankenhaus entdeckt, an der Krankenhausmauer eingraviert. Unsägliches Leid, das unter dem Dach dieses Hauses wohnt: "Wir bitten dich, Herr, segne dieses Haus ..." - Sternsingersegen. An diesem Freitagmorgen betete der Priester, einer Eingebung folgend den Psalm: "Die mit Tränen säen, werden mit Jubel ernten" (Ps 126,5). Und gerade heute hätte ich weinen können - ein Sternsinger-Leid. Ein Buch solcher und ähnlicher Erlebnisse könnte ich schreiben, in Freude und Leid - Nähe Gottes, greifbar!
Sternsinger-Leid - Sternsinger-Freude - Monate später: Heute, am Fest der Sternsinger, Dreikönig 2001, fällt mir ein Gedicht von Joseph von Eichendorff ein:
Schläft ein Lied in allen Dingen
Schläft ein Lied in allen Dingen,
Die da träumen fort und fort,
Und die Welt hebt an zu singen,
triffst du nur das Zauberwort.
Die damalige Situation, längst vorbei, ein Tag strahlender Freude! Heute ist Sonntag, Fest der Taufe des Herrn mit dem Evangelium des Dreikönigstages: "Als sie den Stern sahen, wurden sie von übergroßer Freude erfüllt" (Mt 2,10). So möchte ich heute das Gedicht des großen Dichters für dich, lieber Leser, ein wenig abändern:
Lebt ein Lied in allen Dingen
Lebt ein Lied in allen Dingen,
Und es waltet fort und fort,
brächt' ich doch dein Herz zum Klingen,
fänd' ich doch das Zauberwort!
Lieber Leser, in diesem Buch kann ich vielleicht noch persönlicher reden als zu den Schülern in meinen Glaubensgesprächskreisen, wenn mir die Beziehung zu dir auch verschleiert ist. Wird mein Buch überhaupt Leser haben? Ist es möglich, jemanden aus einem Buch heraus anzusprechen wie einen Freund? Kann ich wirklich ein Mensch sein, der dich ein Stück deines Weges begleitet, auch wenn du mich persönlich gar nicht kennst?
"Als ich erkannte, dass es Gott gibt, begriff ich, dass ich nicht mehr anders konnte, als nur noch für Ihn zu leben." Diese Worte könnten auch die meinen sein, aber ich möchte es so formulieren:
"Als ich erkannte, dass es Gott gibt, als ich begann, Gottes greifbare Nähe und Liebe wahrzunehmen, mehr und mehr, begriff ich, dass ich nicht mehr anders konnte, als auf meinem Weg zu suchen, suchen, suchen, ob es möglich ist, das Licht weiterzuschenken, das ich empfangen habe, Lichtträger zu sein."
Wie sagt ein Kirchenlied? "O Iesu Christe, wahres Licht, erleuchte, die dich kennen nicht ..."
Meine erste Erinnerung an Gott aus meiner Kinderzeit
Sie geht schon in das Kindergartenalter zurück - Szenen aus dieser Zeit: Meine Mutter hatte mir wohl wegen irgendetwas Vorwürfe gemacht und nun überlegte ich, etwa fünf Jahre alt, ohne besondere Angst, aber in Gedanken an etwas Unangenehmes, dass ich nun wohl vielleicht in die Hölle käme. Tiefsinnig spazierte ich auf und ab, dann hatte ich die Lösung: Ach was, das ist doch nur die Seele, die dahin kommt, dachte ich - und das war für mich ein weißes Etwas in meinem Körper, das mit mir nichts zu tun hatte. Heute weiß ich: Die Seele - das bin ich, mit allem, was ich bin und fühle und das was mit mir gehen wird durch das Tor des Todes.
Im dunklen Wohnungsflur hatte ich damals fürchterliche Angst. Eines Abends aber war die Angst plötzlich weg und irgendwie hatte das mit Gott zu tun, das fühlte ich undeutlich, aber wunderbar. Ich genoss das Gefühl der Freiheit und wanderte fröhlich hin und her, immer wieder. Da rief meine Mutter aus dem Wohnzimmer: "Moni, was machst du denn?" Ich aber hörte nicht, wollte nicht hören. Da rief meine Mutter energisch: "Moni!" Ein leises Schuldgefühl, ungehorsam zu sein, zerstörte mein Glücksgefühl und die alte Angst war wieder da. Gott, der, der die Angst nimmt oder der, der da ist in der Angst.
Jesus und die Silberschale
Ein Traum
Meine Mutter hatte im Schrank eine Silberschale, vielleicht auch nur glänzendes Blech, aber für mich wunderschön. Einmal träumte ich, dass Jesus, wie ich ihn wohl auf kitschigen Andachtsbildchen, die für mich als Kleinkind aber wunderschön waren, gesehen hatte, mir begegnete, groß, mit weißem Gewand, schulterlange Haare, in der Hand Mamas silberne Schale. Das Besondere aber war sein Gesicht und die Art und Weise, wie er sich mir zuwandte, unbeschreiblich. Jesus sah mich an und reichte mir die Schale. Immer hätte ich so bei ihm bleiben mögen. Bei ihm war es unbeschreiblich schön.
Genau diese Erfahrung macht jeder Mensch, der Gott wirklich kennen lernt. Es gibt für ihn Glücksstunden, in denen der Himmel auf Erden schon greifbar wird. "Du bist bei mir, das ist gut, schenkst mir Liebe, machst mir Mut ..." (vgl. Kapitel "Nicole"). Dieses Kindergebet, das einmal während eines Ewigen Gebetstages in der Andachtsstunde für Kinder vorgetragen wurde, habe ich vielen Grundschulkindern weitergegeben.
"Siehe, Ich Bin Da" - besondere Erinnerung für mich.
Zwei Szenen noch: Als ich ungefähr im dritten Schuljahr war, suchte ich mit einer Freundin eine Kirche auf. Die Stille schien uns besonders geeignet, um gerade hier Unfug zu machen. Ich setzte mich in die erste Bank, die Freundin hinter mich. Nun ging es los mit Fratzenschneiden. Ich bekreuzigte mich sogar aus Spaß, vielleicht zehnmal hintereinander. Plötzlich erschien der Küster, für mich kleine Gestalt ein riesiger schwarzer Mann in seinem dunklen Anzug. Wie der Wind sauste ich zur Kirchentür, außer mir vor Scham. Der Küster folgte uns schimpfend. Ich aber blieb nicht stehen, sondern rannte durch die ganze Stadt bis zum Markt, in der Annahme, dass mich der Küster im Dauerlauf verfolgte. Diese Szene habe ich oft später ganzen Klassen, auch der Religions-AG, erzählt, mit dem Hinweis, dass Gott es so gefügt hatte, dass ich trotzdem Religionslehrerin in vielen Klassen werden würde und dass ich heute dergleichen Spaß für kein Geld, für nichts in der Welt tun würde, nicht für alle Millionen - und so ist es auch.
Mein erstes Beten in einer Not war Beten in einer Kindernot. Bei einer Ferienerholung hatten die Kinder eine Tanzgruppe gebildet für einen Tanz, den ich so gut konnte. Ich aber durfte nicht mittanzen, war auch zu schüchtern, um die Leiterin um die Erlaubnis zu fragen. Ich erinnere mich, dass ich sonst wohl...