Schweitzer Fachinformationen
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Martin, engagierter Polizist in Paris, konzentriert sich nach einer enttäuschten Liebe voll und ganz auf seine Arbeit. Das muss er auch, denn zurzeit hat er es mit einem besonders schwierigen Fall zu tun: Er ist dem berühmt-berüchtigten Archibald MacLean auf den Fersen, dem größten Kunstdieb aller Zeiten. Martins abenteuerliche Jagd führt ihn bis nach San Franciso, wo er ausgerechnet Gabrielle wieder über den Weg läuft - der Frau, die ihm vor fünfzehn Jahren das Herz gebrochen hat. Und auch sie hat eine Verbindung zu Archibald .
Wir verabscheuen eine Person aus denselben
Gründen, aus denen wir sie lieben.
Russell Banks, The Reserve
29. Juli
3 Uhr morgens
Der Dieb
Paris war in das klare Licht der Sommernacht getaucht. Auf dem Dach des Musée d'Orsay glitt ein flüchtiger Schatten hinter eine Säule und zeichnete sich dann deutlich im Schein des Halbmonds ab.
Archibald McLean, bekleidet mit einem dunklen Overall, befestigte zwei Seile an seinem Hüftklettergurt. Dann zog er die dunkle Wollmütze bis zu den Augen herunter, die hell in seinem geschwärzten Gesicht leuchteten. Der Dieb schnallte den Rucksack fest und schaute über die Stadt, die sich unter ihm ausbreitete. Vom Dach des bekannten Museums aus hatte er einen eindrucksvollen Blick über das rechte Seine-Ufer: der riesige Louvre mit seinen zahlreichen Statuen, die Zuckerbäcker-Basilika von Sacré-Coeur, die Kuppel des Grand Palais, das Riesenrad vor dem Jardin des Tuileries und die grüne Kuppel der Opéra Garnier. In das Halbdunkel der Nacht getaucht, schien die Stadt zeitlos - es war das Paris von Arsène Lupin und des Phantom der Oper.
Dann streifte er seine Schutzhandschuhe über, entspannte die Muskeln und ließ das Seil an der Steinwand hinab. Heute Abend erwartete ihn eine schwierige und riskante Aufgabe, aber gerade das machte sie auch so aufregend.
Der Polizist
»Das ist doch Wahnsinn!«
Polizeihauptmann Martin Beaumont, der in seinem Wagen die Überwachung übernommen hatte, beobachtete durch sein Fernglas den Mann, den er seit drei Jahren jagte: Archibald McLean, den berühmtesten Gemäldedieb der Gegenwart.
Der junge Ermittler war außer sich vor Aufregung. Heute Abend würde er einen außergewöhnlichen Dieb festnehmen, einen, wie man ihn in einem Polizistenleben nur ein Mal trifft. Schon so lange wartete er auf diesen Augenblick und hatte die Szene bereits x-mal in Gedanken durchgespielt. Um diese Leistung würden ihn Interpol beneiden, ebenso wie die zahlreichen Privatdetektive, die die von Archibald bestohlenen Milliardäre engagiert hatten.
Martin stellte sein Fernglas ein, um besser sehen zu können, und schließlich tauchte der verschwommene Schatten in der Dämmerung auf. Mit klopfendem Herzen beobachtete Martin, wie Archibald sein Seil herunterwarf und sich bis zu den beiden Uhren hinabließ, die auf die Seine blickten. Einen Moment lang hoffte der Polizist, die Gesichtszüge seiner Beute erkennen zu können, doch Archibald war zu weit entfernt und wandte ihm den Rücken zu. So unglaublich es auch schien, in der fünfundzwanzigjährigen Laufbahn des Archibald McLean war es niemandem gelungen, sein wahres Gesicht zu sehen ...
Am unteren Teil der gläsernen, matt glänzenden Uhr hielt Archibald inne. An das Zifferblatt von sieben Metern Durchmesser gepresst, fiel es ihm schwer, sich nicht von der Zeit gedrängt zu fühlen. Obwohl er wusste, dass er Gefahr lief, jeden Augenblick entdeckt zu werden, warf er einen Blick auf die Straße. Der Quai lag ruhig und verlassen da, nur von Zeit zu Zeit fuhr ein Taxi vorbei, und einige wenige nächtliche Passanten spazierten herum oder kehrten nach einer langen Nacht nach Hause zurück.
Ohne Eile stützte sich der Dieb auf dem Steinsims ab und griff nach einem an seinem Klettergurt befestigten Diamant-Glasschneider. Dann durchzog er mit ausholenden, schnellen Bewegungen das Glas mit Schnitten, in dem Bereich, in dem die Messingstreben sich kreuzten, um die sechste Stunde anzuzeigen. Wie erwartet hatte der Diamant die Scheibe nur angeritzt und einen Kreis gezeichnet. Archibald presste einen dreifüßigen Saugnapf auf die markierte Stelle und griff nach einem Aluminiumrohr, nicht größer als eine Taschenlampe. Dann führte er mit sicheren Bewegungen den Laserstrahl mehrmals über die Bruchlinie, und kurz bevor das Glas nachgab, übte Archibald Druck auf die Saugnäpfe aus, die schwere Platte löste sich und glitt, ohne zu splittern oder gar zu zerbrechen, im Innern zu Boden. Mit dem Geschick eines Akrobaten schob sich Archibald durch die so entstandene runde und scharfkantige Öffnung, die ihm Zutritt zu einem der schönsten Museen der Welt gewährte. Jetzt blieben ihm wenig mehr als sechzig Sekunden, ehe der Alarm ausgelöst würde.
Die Nase an die Autoscheibe gepresst, traute Martin seinen Augen nicht. Natürlich war Archibalds spektakuläres Eindringen in das Museum ein Meisterstück, doch jeden Moment würde der Alarm aufheulen. Das Sicherheitssystem des Musée d'Orsay war drastisch verschärft worden, nachdem es im letzten Jahr einer Bande von Saufkumpanen gelungen war, einen Notausgang zu öffnen und in das Gebäude einzudringen. Die Trunkenbolde waren mehrere Minuten durch die Gänge gelaufen, ehe sie festgenommen werden konnten. Ausreichend Zeit, um Monets berühmtes Gemälde Die Brücke von Argenteuil durch Schnitte zu beschädigen.
Dieser Vorfall hatte großes Aufsehen erregt, und die Kultusministerin fand es skandalös, dass man sich so einfach Zutritt zum Musée d'Orsay verschaffen konnte. In der Folge waren die Mängel des Sicherheitssystems genau untersucht worden. Damals hatte man Martin Beaumont in seiner Eigenschaft als Mitglied des OCBC - die französische Zentralstelle zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Kunstgegenständen - konsultiert, um alle Zugänge zu sichern. Theoretisch war die berühmte Impressionisten-Galerie jetzt einbruchssicher.
Aber wenn dem so war, warum wurde dann der verdammte Alarm nicht ausgelöst?
Archibald landete auf einem der Tische in der Cafeteria, da sich die Uhr oberhalb des Café des Hauteurs im obersten Stock des Museums befand, unmittelbar neben den Sälen, in denen die Gemälde der Impressionisten ausgestellt waren. Der Dieb sah auf seine Uhr: noch fünfundzwanzig Sekunden. Er sprang vom Tisch und lief die Stufen hinauf, die zu den Sälen führten. Der fünfzig Meter lange Gang war mit einer unsichtbaren Armada an Infrarotsensoren mit Fernstrahlen ausgestattet. Schnell fand er das Alarmkästchen und schraubte die Schutzklappe ab, um dann einen Minicomputer anzuschließen, der kaum größer war als ein iPod. In rasantem Tempo flimmerten Zahlen über den Bildschirm. Die beiden an der Decke angebrachten Überwachungskameras mit Thermodetektoren würden jeden Augenblick losgehen. Nur noch zehn Sekunden ...
Martin hielt es nicht mehr aus, stieg aus dem Wagen und streckte sich. Die Überwachung dauerte nun schon vier Stunden, und allmählich begannen seine Beine einzuschlafen. So etwas war er nicht mehr gewohnt. Zu Beginn seiner Laufbahn hatte er oft ganze Nächte unter unglaublichen Bedingungen Überwachungen durchgeführt - versteckt im Kofferraum eines Autos, einer Müllkippe oder einer Zwischendecke. Plötzlich kam Wind auf. Er fröstelte und zog den Reißverschluss seines Lederblousons hoch. Eigentlich war das in dieser warmen Sommernacht nicht unangenehm, dennoch bekam er Gänsehaut. Seit er beim OCBC arbeitete, hatte er es nie mit so aufregenden Fällen zu tun gehabt. Seine letzten Adrenalinschübe hatte er vor fünf Jahren während seiner Tätigkeit beim Rauschgiftdezernat erlebt. Ein Drecksjob, der mit einer schwierigen Periode in seinem Privatleben zusammenfiel; heute war er froh, ein neues Kapitel begonnen zu haben. Dieser eigenartige Posten als »Kunst-Bulle« war ihm lieber, denn er gab ihm die Möglichkeit, seine Leidenschaft für die Kunst mit der Arbeit zu verbinden.
In Frankreich hatten nur rund dreißig Polizisten diese anspruchsvolle Zusatzausbildung in der École du Louvre absolviert, die Zugang zu den Spitzenpositionen gewährte. Auch wenn ihn heute seine Ermittlungen in das gehobene Milieu der Museen und Auktionshäuser führten und er es eher mit Antiquitätenhändlern und Konservatoren zu tun hatte als mit Dealern oder Vergewaltigern, blieb er doch in erster Linie Polizist. Und zudem einer, der viel Arbeit hatte. Mit über dreitausend Diebstählen pro Jahr war Frankreich das bevorzugte Ziel der »Plünderer des nationalen Erbes«, dessen Schwarzhandel Geldsummen umsetzte, die mit denen der Dealer und Waffenhändler vergleichbar waren.
Martin verachtete die Gauner, die die Dorfkapellen plünderten und Kelche sowie Engel- und Marienstatuen stahlen. Er verabscheute die Dummheit der Vandalen, die die Skulpturen in den Parks beschädigten. Er hasste die Diebe, die im Auftrag von skrupellosen Sammlern und Antiquitätenhändlern stahlen. Denn entgegen überlieferten Vorstellungen handelte es sich bei Kunstdieben nicht um einsame Gentlemen. Die meisten von ihnen arbeiteten mit dem organisierten Verbrechen und Bandenwesen zusammen, die die Geldwäsche der gestohlenen Gemälde kontrollierten und sie außer Landes brachten.
An die Kühlerhaube seines alten Audi gelehnt, zündete Martin sich eine Zigarette an, ohne die Fassade des Museums aus den Augen zu lassen. Durch sein Fernglas erkannte er das klaffende Loch in der Glasuhr. Noch war der Alarm nicht ausgelöst worden, aber er wusste, dass es nur noch Sekunden dauern konnte, bis der schrille Schrei die Nacht zerreißen würde.
Drei Sekunden.
Zwei Sekunden.
Eine Sek...
Ein Lächeln der Erleichterung erhellte Archibalds Gesicht, als die Ziffern auf dem Bildschirm seines Mini-Computers stillstanden. Dann blinkte die Kombination auf, die die Bewegungsmelder außer Kraft setzte. Genau so, wie er es geplant hatte. Eines Tages würde er vielleicht einen Fehler machen. Eines Tages würde er sicher einen...
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