7Wer hat Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II?
Das durch Hartz IV eingeführte SGB II soll der Existenzsicherung Arbeitsuchender dienen und umfasst verschiedene Leistungen. Die wichtigsten sind die unter dem Stichwort "Arbeitslosengeld II" bekannten: ALG II wird monatlich für Ernährung, Bekleidung, Unterkunft, Heizung etc. gezahlt, um den Lebensunterhalt sicherzustellen.
Darüber hinaus kennt das SGB II jedoch noch weitere Leistungen wie beispielsweise Zuschüsse zu Bewerbungskosten, Beihilfen für Klassenfahrten oder die Übernahme von Mietschulden.
Zunächst aber wollen wir uns der Frage widmen, wem Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch überhaupt zustehen. Dies regelt § 7 Absatz 1 Satz 1 SGB II; er lautet:
§ 7 Absatz 1 Satz 1 SGB II
"Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
- das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
- erwerbsfähig sind,
- hilfebedürftig sind und
- ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben
(erwerbsfähige Leistungsberechtigte)."
Wie sich dem in Klammern beigefügten Zusatz entnehmen lässt, nennt das Gesetz Personen, die die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen, "erwerbsfähige Leistungsberechtigte": 8Sollten Sie sich das SGB II in einer stillen Stunde einmal zu Gemüte führen wollen, werden Sie sehr häufig auf diesen Begriff stoßen. Die interessanten Regelungen finden sich übrigens in den §§ 1 bis 44, sind also nicht allzu zahlreich; die darauffolgenden betreffen in erster Linie staatliche Stellen.
Eine zentrale Voraussetzung für einen Anspruch allerdings unterschlägt § 7 SGB II: den Antrag. Ohne einen Antrag auf Gewährung von Leistungen werden sie nicht erbracht. Wie und wo Sie einen Antrag stellen können, ist Thema des nächsten Kapitels.
Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II lassen sich also präzise an einer Hand abzählen:
- Alter zwischen 15 Jahren und Höchstaltersgrenze
- Erwerbsfähigkeit
- Hilfebedürftigkeit
- Gewöhnlicher Aufenthalt in der BRD
- Antragstellung
Keine Regel ohne Ausnahme - dieses eherne Prinzip der Juristerei gilt selbstverständlich auch hier: Selbst wenn die genannten Voraussetzungen vorliegen, haben einige Personengruppen keinen Anspruch auf SGB-II-Leistungen: Dazu gehören insbesondere
- Altersrentenempfänger,
- Inhaftierte,
- Berechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sowie
- 9Schüler,
- Azubis und
- Studenten, die im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) förderungsfähig sind.
Sehen wir uns einmal an, was sich hinter den Anspruchsvoraussetzungen im Einzelnen verbirgt:
Altersgrenzen
Erste Bedingung für einen Bezug von SGB-II-Leistungen ist ein bestimmtes Lebensalter: Es muss zwischen 15 Jahren und einer bestimmten Höchstaltersgrenze liegen.
Die Voraussetzung "15 Jahre alt" erfüllt jeder mit seinem fünfzehnten Geburtstag. Die Höchstaltersgrenze variiert je nach Geburtsjahrgang: Für alle, die bis 1946 geboren sind, liegt die Höchstgrenze bei 65 Jahren. Danach steigt sie in Ein- bis Zwei-Monatsschritten an und staffelt sich folgendermaßen:
Geburtsjahrgang
Höchstaltersgrenze
1947
65 Jahre und 1 Monat
1948
65 Jahre und 2 Monate
1949
65 Jahre und 3 Monate
1950
65 Jahre und 4 Monate
1951
65 Jahre und 5 Monate
1952
65 Jahre und 6 Monate
1953
65 Jahre und 7 Monate
101954
65 Jahre und 8 Monate
1955
65 Jahre und 9 Monate
1956
65 Jahre und 10 Monate
1957
65 Jahre und 11 Monate
1958
66 Jahre
1959
66 Jahre und 2 Monate
1960
66 Jahre und 4 Monate
1961
66 Jahre und 6 Monate
1962
66 Jahre und 8 Monate
1963
66 Jahre und 10 Monate
1964
67 Jahre
Beispiele für die Altersgrenzen
Herr Petersen ist im Jahre 1957 geboren. Er wird die Altersgrenze also erreichen, wenn er genau 65 Jahre und 11 Monate alt ist. Frau Meyer, die 1964 geboren ist, erreicht die Grenze mit 67.
Übrigens: Wer jünger als 15 Jahre alt ist oder über der Höchstaltersgrenze liegt, ist keineswegs automatisch von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Als Mitglied einer "Bedarfsgemeinschaft" mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten kann er sie sehr wohl beziehen (nämlich als sogenanntes "Sozialgeld", siehe S. 45.
11Erwerbsfähigkeit
Die zweite Voraussetzung, um Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch zu beziehen, ist die sogenannte "Erwerbsfähigkeit". Wie der Gesetzgeber diese definiert, lässt sich § 8 SGB II entnehmen:
§ 8 SGB II
"Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein."
Nicht erwerbsfähig ist also nur, wer auf absehbare Zeit - das bedeutet mindestens sechs Monate lang - außerstande ist, drei Stunden am Tag zu arbeiten. Außerdem muss die fehlende Fähigkeit auf medizinischen Gründen ("Krankheit oder Behinderung") beruhen. Andere Umstände (zB die Lebenssituation als alleinerziehende Mutter dreier Kleinkinder, Wohnungslosigkeit, langjährige Arbeitsentwöhnung) ändern nichts an der grundsätzlichen Erwerbsfähigkeit.
Ausländer allerdings gelten nur als erwerbsfähig, wenn ihnen eine Erwerbstätigkeit in der BRD gestattet ist.
Ansonsten kann die Erwerbsfähigkeit wie gesagt nur aus medizinischen Gründen entfallen. Sind Sie der Überzeugung, dass Sie nicht in der Lage sind, täglich drei Stunden zu arbeiten - und das zumindest für die nächsten sechs Monate -, sollten Sie dies der Behörde mitteilen und entsprechende ärztliche Berichte beifügen. In der Regel wird der Medizinische Dienst der Arbeitsagentur noch eine eigene Untersuchung durchführen.
12Stellt der Medizinische Dienst entgegen Ihrer Auffassung fest, dass Sie erwerbsfähig sind, können Sie Widerspruch einlegen. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens können Sie Akteneinsicht nehmen und kommen so an das Gutachten heran, das der Medizinische Dienst über Sie erstellt hat. Muster-Widerspruchsschreiben finden Sie im Anhang.
Sind Sie nicht erwerbsfähig, haben Sie Anspruch auf eine Erwerbsunfähigkeitsrente und/oder Sozialhilfe nach dem Zwölften Sozialgesetzbuch (SGB XII). Die Leistungen orientieren sich an denjenigen, die aufgrund des SGB II erbracht werden. Anders als im Bereich des Arbeitslosengelds II kann die Behörde Sie jedoch nicht zur Aufnahme eines Ein-Euro-Jobs oder einer Arbeitsstelle zwingen, indem Sie Ihnen Leistungskürzungen androht.
Wenn Sie nicht erwerbsfähig sind, wenden Sie sich ans örtliche Rathaus: Dort ist man verpflichtet, Ihnen die zuständigen Stellen zu nennen.
Hilfebedürftigkeit
Dritte Voraussetzung eines Leistungsbezugs ist die Hilfebedürftigkeit. Diese wird in § 9...