Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Erreich deine selbstgesteckten Ziele. Ich schließe ganz bewusst die Augen, damit die Geräusche deutlicher an mein Ohr dringen. Auf dem Sitz in der U-Bahn schließe ich die Augen, als würde ich schlafen. Ich zwinge mich, sie auf dem ganzen Weg von einer Station zur nächsten geschlossen zu halten. Ich registriere das Gewicht der Lider auf den Augäpfeln, die Reibung der Wimpern, ihr leichtes Zittern, eher ein Vibrieren. Als ich sie öffne und mich umsehe, sind mir die Gesichter noch fremder als vorher. Ich habe ein Buch in meiner Aktentasche, lese aber nichts, nur die Anzeigen, denen ich begegne, jede einzelne von ihnen, eine nach der anderen, seit ich die Treppe hinuntergelaufen bin und die Schwingtür aufgestoßen habe, so viele Dinge, die mir entgangen sind oder die ich gelesen habe, ohne dass sie in mein Bewusstsein gedrungen sind. Eingang. Ohne Artikel und Verben haben die Sätze die Härte von Roboteranweisungen. Mobil-Netz-Station. Jemand in der U-Bahn-Verwaltung glaubt an Zweisprachigkeit und wörtliche Übersetzung aus dem Englischen. Station Coverage Mobile. Rauchen im gesamten U-Bahn-Netz verboten. Fahrschein einführen. Metro Madrid informiert. Fahrschein entnehmen. Von einem Plakat lächelt eine multiethnische und multinationale Gruppe junger Leute. Mach mit beim größten Design-Networking der Welt. Ein Asiate mit Brille schaut in die Kamera, und ein Schwarzer mit einem Piercing in der Nase umarmt ein augenscheinlich spanisches Mädchen. Dies kann dein unvergesslicher Sommer sein. Entscheide dich sofort, oder du bleibst zu Hause. Nur der Schnellste gewinnt. Auf der Rolltreppe schließe ich die Augen, wenn auch nicht ganz. Halten Sie sich zu Ihrer Sicherheit am Handlauf fest. Ein Notruftelefon macht mir ein beinahe intimes Angebot: Nimm mich, wenn du mich brauchst. Die Stadt richtet sich in der Sprache der Wünsche an dich. Anstatt das Telefon zu betrachten oder nach Lektüre zu suchen, während ich auf dem Bahnsteig warte, stehe ich da mit zusammengekniffenen Augen. Nimm mich war der Titel eines Schlagers, den ich vor vielen Jahren gern gehört habe. Über tausend Kameras wachen über deine Sicherheit. Bei jedem Schritt eine neue Anweisung, ein neuer Befehl. Glas nur im Notfall einschlagen. Nimm mich ohne Angst, hieß es in dem Schlager. Befehlende Stimmen vereinen sich mit geschriebenen Hinweisen. Achtung, Zug fährt ein. Das Fehlen des Artikels betont noch die Unmittelbarkeit. Metro Madrid informiert. Der Boden vibriert, wenn ein Zug einfährt. Nach dem Signal nicht mehr ein- oder aussteigen. Ich schaue in die Gesichter der Leute und lausche ihren Stimmen. Ich bin ganz Ohr. Ich stelle mich neben einen, der in sein Telefon spricht. Fast jeder im Wagen schaut selbstvergessen auf das Display seines Telefons. Ein hochgewachsenes ernstes Mädchen liest in einem Buch von Paulo Coelho. Diese Lektüre diskreditiert ihre Schönheit. »Ich will dir nichts verschweigen«, sagt eine Stimme direkt hinter mir. Sie sagt es mit ans Fenster gelehntem Kopf und spricht leise weiter, und ich kann nichts mehr verstehen, weil die metallische Stimme der automatischen Ansage die nächste Station ankündigt. »Alles klar, perfekt, okay, bis gleich.«
Ein Papagei kann der entscheidende Zeuge bei der Aufklärung eines Mordfalls sein. Eine Frau blättert lustlos durch die Seiten einer Gratiszeitung. Beyoncé präsentiert die Kostüme ihrer nächsten Tournee. Der Zug fährt langsamer und ist jetzt leiser, und ich verstehe wieder die männliche Stimme, die hinter mir ins Telefon spricht. Sie ist so nah, und ich habe keine Ahnung, wie der Mann aussieht, der jetzt lachend sagt: »Die Mutter ist siebenundachtzig und hat sich eine Zahnspange einsetzen lassen.« Ich habe zwar mein Montaigne-Buch im Rucksack, aber ich hole es nicht heraus und suche mir nicht einmal einen Sitzplatz. Ich bin wachsam, warte auf neue Anweisungen, die alle gebieterisch oder lockend an mich gerichtet sind. Jede Leidenschaft führt dich zu einer Bestimmung. Sitzplatz nur für Behinderte. Durch das Rattern des Zuges dringt das wirre Geschnatter von Stimmen, fast alle von Leuten, die in ihre Handys sprechen. »Hast du eine Ahnung, wie lange ich in England gelebt habe?« Die Stimmen von Leuten, die ich nicht sehe, dringen deutlicher an mein Ohr. »Weder du noch deine Geschwister. Ihr unterschreibt nichts, bevor ihr nicht ganz sicher seid.« Im Waggon hängt ein Bildschirm von der Decke. Ein junger Mann mit Glatze und tiefschwarzem Bart bewegt seine Lippen, und seine Worte sind eingeblendet. Ich bin schwul. Ein anderer, jüngerer, bartloser Mann mit geschminkten Augen, sich bewegenden Lippen. Ich bin Trans. Wieder das Gesicht des Kahlköpfigen. Sie wechseln sich so rasch ab, dass die Gesichtszüge ineinanderfließen. Das bin ich. Und jetzt noch ein drittes Gesicht. Ich könnte du sein. Lebe deinen Unterschied, heißt es auf violettem Untergrund. Wieder eine Aufforderung. Wieder ein Befehl. Jemand hat die Mindestzeit gemessen, die nötig ist, damit zwei Gesichter unterscheidbar bleiben. Eine Dame spricht leise, aber sehr nahe an meinem Ohr in einem mahnenden oder tadelnden Ton. »Er hat gesagt, dass er sich geändert hat und dass er zurückkommen will. Aber das hängt natürlich auch davon ab, wie er sich aufführt.« Ich versuche, Worte, die ich höre, verstümmelte Dialoge, in meinem Gedächtnis zu bewahren. Kaum dass man sie gehört hat, zerfließen sie und erlöschen. Express Vergessen heißt es in einem Werbespot, aber ich erfahre nicht, wofür. Sie werden zum Teil vom Rattern des Zuges oder von einer Anweisung aus dem Lautsprecher übertönt. »Er hat sich geändert? Na, das wird man sehen. Ich glaube keine zwanzig Prozent von dem, was er sagt.« Notfallhammer. Ich lese alles, sogar die Überschriften der Gratiszeitung, die mir die Frau vors Gesicht hält.
Die Polizei weiß, ob du dein Mobiltelefon benutzt, auch wenn sie dich nicht sieht. Mann von seinem achtzehnjährigen Sohn in Salamanca geköpft. Notausgang. Das große Nordpolabenteuer. Ich achte kaum auf Gesichter, nur auf Geschriebenes, auf die Stimmen. Klingeltöne. Der Piepton einer Nachricht. Alle Welt verbunden mit etwas oder jemand, der sich an einem anderen Ort aufhält. »Ich bin in der U-Bahn. Damit du Bescheid weißt, falls die Verbindung abbricht.« Als die U-Bahn hält, öffnen sich die Türen vor einem Werbeplakat, das bis an die Wölbung der Decke reicht. Deine schönsten Ferien mit der Familie. Unterwassertaufe im Meer. Bei jedem Schritt eine neue Landschaft. Jugendliche springen von einer Klippe lachend ins Meer. Einige stehen im Begriff zu springen; andere schweben schon über einem tiefen Blau. Alle Vergnügungen des Sommers in deiner Nähe. Unglaubliche Preise auf einen Klick. Es gibt Reservierungen, die können nicht warten. Entdecke mehr. Informiere dich jetzt. Kauf jetzt. Probier's aus. Ganz unterschiedliche Meldungen scheinen von derselben Stimme verkündet zu werden, desselben Ursprungs zu sein, an dieselbe Person gerichtet zu sein, an mich, an dich. Ich bin ich, du könntest du sein. Du, ja, du, heißt es auf einer Lotteriereklame, als würde ein Finger unter all den Menschen auf dich zeigen, ein Gesicht dich sehen können, das dich auf einem Bildschirm ausgewählt hat. Du kannst der nächste Millionär sein. Beherrsche die Elemente allein durch die Kraft deiner Finger. Finde den idealen Weg für dich. Die Frau, die in der Gratiszeitung gelesen hat, lässt sie beim Aussteigen auf einem der Sitze liegen, ein zerfleddertes Häufchen Papier. Entscheide dich für die führende Marke in der Hybridtechnologie.
Reise auf den Spuren deiner DNA. Sei schneller am Ziel. Lass dich durch nichts aufhalten. Warte nicht, bis du stürzt. Innerhalb weniger Jahre haben Zeitungen ihre gesamte materielle Würde verloren. Madrid schlägt Weltrekord bei Pokémon-Suche. Sie werden spröde und knittern und fallen leicht auseinander, lappig, entbehrlich, besonders jetzt im Sommer. Eine ganze Seite lässt sich so schnell betrachten wie ein Bildschirm. Für Sie: das große Gourmet-Erlebnis am Meer. Ich schließe die Augen, um besser hören zu können, und lasse mich vom anfahrenden Zug entführen. Die Stadt verspricht dir alles zur selben Zeit. Wähle alles. Genieße, wann und wo du willst. Man braucht gar nicht mehr auszuwählen und auf das zu verzichten, was man nicht ausgewählt hat. Spare, während du ohne schlechtes Gewissen Geld ausgibst. Beim Essen abnehmen. Dein Urlaub nach Maß, von dir selbst entworfen. Der alten Sucht nach billigem Papier und dem Geruch von Druckerschwärze kann ich nicht widerstehen. Mörderischer Kampf zwischen Tigerhai und Hammerhai, gefilmt von Thunfischfischern auf hoher See. Wir setzen Himmel und Erde in Bewegung, um dir das Beste zu bieten.
Nimm dir ein bisschen von unserem Geschmack mit. Zuerst war es, schlagartig, dieses Wort, OBACHT, unter einem Verkehrsschild auf dem Bürgersteig, über den ich täglich gehe, durch Zufall meiner Aufmerksamkeit entzogen, die auf andere Dinge gerichtet war, nicht auf meine Umgebung, sondern auf das, was sich in meinem Innern abspielte, träumender Flaneur, aufgeweckt von diesem visuellen Klingeln, OBACHT, das mich Augen und Ohren zu öffnen zwang, obwohl es nur ein Verkehrszeichen war, das ich schon oft gesehen habe und das überall zu sehen ist, das dreieckige Warnschild aus Blech mit der schwarzen Silhouette darin, das auf einen Zebrastreifen vor einem Schulhof verweist. Obacht vor was, denke ich mit einem Mal; wer fordert mich auf, Obacht zu geben, wer befiehlt mir das, welche unhörbar geschriebene Stimme zwingt mich, den Blick auf etwas zu richten, das ich mein Leben lang gesehen habe und das mir jetzt so vorkommt, als sähe ich es zum ersten Mal, auf diesem Bürgersteig, an dieser Straßenecke, neben dem Fußgängerüberweg, das Dreieck oben an einem Eisenpfosten mit einer...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.