Schweitzer Fachinformationen
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Carla hörte das Auto kommen, bevor es die Kuppe der kleinen Anhöhe erreichte, die hier in der Gegend als Berg galt. Das ist sie, dachte sie. Mrs. Jamieson - Sylvia - zurück von ihrem Urlaub in Griechenland. Hinter der Stalltür hervor - weit genug drinnen, sodass sie nicht ohne weiteres zu sehen war - beobachtete sie die Straße, auf der Mrs. Jamieson vorbeifahren musste, denn ihr Grundstück lag an derselben Straße wie das von Clark und Carla, eine halbe Meile weiter.
Wenn es jemand war, der in ihre Einfahrt einbiegen wollte, dann müsste er jetzt die Fahrt verlangsamen. Trotzdem hoffte Carla immer noch. Gib, dass sie es nicht ist.
Aber sie war es. Mrs. Jamieson wandte einmal den Kopf um, nur kurz, denn sie hatte genug damit zu tun, das Auto zwischen den Schlaglöchern und Pfützen, die der Regen im Schotter hinterlassen hatte, hindurchzusteuern, aber sie nahm nicht die Hand vom Lenkrad, um zu winken, sie entdeckte Carla nicht. Carla erhaschte einen flüchtigen Blick auf einen braungebrannten, bis zur Schulter entblößten Arm, sonnengebleichte Haare, jetzt eher weiß als silberblond, und ein Gesicht, auf dem sich Entschlossenheit, Ärger und Belustigung über die eigene Verärgerung spiegelten - genau die Miene, mit der Mrs. Jamieson eine solche Straße in Angriff nehmen würde. Als sie den Kopf umwandte, blitzte kurz etwas auf - nachfragend, hoffnungsvoll -, vor dem Carla zurückschreckte.
So.
Vielleicht wusste Clark es noch nicht. Wenn er am Computer saß, kehrte er dem Fenster und der Straße den Rücken zu.
Aber vielleicht machte Mrs. Jamieson sich noch einmal auf den Weg. Vielleicht hatte sie auf der Fahrt vom Flughafen nicht angehalten, um Lebensmittel einzukaufen, und merkte erst zu Hause, was sie brauchte. Dann konnte es sein, dass Clark sie sah. Und nach Einbruch der Dunkelheit würde in ihrem Haus Licht zu sehen sein. Aber jetzt im Juli wurde es erst spät dunkel. Vielleicht war sie so müde, dass sie gar nicht erst Licht anmachte und sich früh schlafen legte.
Andererseits konnte sie anrufen. Jeden Augenblick.
Dieser Sommer brachte nichts als Regen und noch mehr Regen. Morgens beim Aufwachen ließ sich als Erstes der Regen vernehmen, laut auf dem Dach des mobilen Eigenheims. Die Reitwege waren tief verschlammt, das Gras triefnass, und das Laub der Bäume schickte auch in jenen Momenten Schauer herunter, in denen es einmal nicht in Strömen goss und die Wolken sich zu verziehen schienen. Wenn Carla hinausging, setzte sie jedes Mal einen hohen alten australischen Filzhut mit breiter Krempe auf und stopfte ihren langen, schweren Zopf ins Hemd.
Niemand meldete sich für geführte Ausritte, obwohl Clark und Carla überall herumgefahren waren und Reklamezettel angebracht hatten, auf sämtlichen Campingplätzen, in den Cafés, auf der Anschlagtafel im Fremdenverkehrsbüro und an allen sonstigen Orten, die ihnen eingefallen waren. Nur wenige kamen für Reitstunden, und das waren Stammkunden, nicht die Horden von Schulkindern in den großen Ferien, die Busladungen aus den Ferienlagern, die sie im vorigen Sommer über die Runden gebracht hatten. Und sogar die Stammkunden, mit denen sie fest rechneten, fielen aus, weil sie in Urlaub gefahren waren, oder sie sagten einfach ihre Stunden ab, weil das Wetter so abschreckend war. Wenn sie zu spät anriefen, berechnete Clark ihnen die Stunde trotzdem. Zwei von ihnen hatten sich beschwert und ganz aufgehört.
Es kam immer noch ein wenig Geld durch die drei Pferde herein, die bei ihnen in Pension waren. Diese drei und ihre vier eigenen befanden sich jetzt draußen auf der Weide und grasten unter den Bäumen. Sie schienen überhaupt keine Notiz davon zu nehmen, dass der Regen gerade eine Pause einlegte, wie er es oft am Nachmittag für eine Weile tat. Gerade lange genug, um Hoffnungen zu wecken - die Wolken wurden weißer und dünner und ließen eine diffuse Helligkeit durch, die sich nie in richtigen Sonnenschein verwandelte und meistens schon vor dem Abendbrot wieder verschwunden war.
Carla war mit dem Ausmisten des Pferdestalls fertig. Sie hatte es in aller Ruhe getan - sie mochte den Rhythmus ihrer täglichen Pflichten, den lichten Raum bis zum hohen Dach des Stalls, die Gerüche. Jetzt ging sie hinüber zur Reitbahn, um nachzuschauen, wie trocken der Boden war, für den Fall, dass der Fünf-Uhr-Schüler tatsächlich erschien.
Die meisten der ständigen Regenschauer waren weder besonders heftig gewesen noch von starkem Wind begleitet worden, aber in der vergangenen Woche hatte sich plötzlich alles geregt, und dann war ein Sturmwind durch die Wipfel gefegt, gefolgt von einem nahezu waagerecht peitschenden Wolkenbruch. Das Unwetter hatte nur eine Viertelstunde gedauert. Aber Äste lagen auf der Straße, Stromleitungen waren gerissen, und ein großes Stück des Plastikdachs über der Reitbahn hatte sich gelöst. Am Ende der Reitbahn hatte sich eine Pfütze, tief wie ein Teich, gebildet, und Clark hatte bis nach Einbruch der Dunkelheit eine Rinne gegraben, damit sie abfloss.
Das Dach war noch nicht repariert. Clark hatte Zaundraht gespannt, damit die Pferde nicht in den Schlamm gerieten, und Carla hatte eine kürzere Bahn abgesteckt.
Clark fahndete gerade im Internet nach einer Gelegenheit, billig an Dachmaterial heranzukommen. Ein Ausverkauf zu für sie erschwinglichen Preisen oder jemand, der so etwas privat abzugeben hatte. Er weigerte sich, zu Hy und Robert Buckleys Baumarkt in der Stadt zu gehen, den er Räuber Buckleys Saumarkt nannte, weil er ihnen zu viel Geld schuldete und mit ihnen im Streit lag.
Clark stritt sich nicht nur mit den Leuten, denen er Geld schuldete. Seine Freundlichkeit, die anfangs so unwiderstehlich war, konnte plötzlich ins Gegenteil umschlagen. Es gab Orte, die er wegen eines Krachs nicht mehr betrat und zu denen er immer Carla hinschickte. Der Drugstore war ein solcher Ort. Eine alte Frau hatte sich vorgedrängelt - das heißt, sie hatte noch etwas geholt, was sie vergessen hatte, war zurückgekommen und hatte sich vor ihn gestellt statt ans Ende der Schlange, und er hatte sich beschwert, und die Kassiererin hatte zu ihm gesagt: »Sie hat ein Lungenemphysem«, und Clark hatte geantwortet: »Ach ja? Und ich habe Hämorrhoiden«, und der Geschäftsführer war geholt worden und fand seine Reaktion fehl am Platz. Und in der Raststätte an der Fernstraße war der angekündigte Frühstücksbonus nicht gewährt worden, weil es nach elf Uhr vormittags war, und Clark hatte protestiert und dann seinen Becher Kaffee zum Mitnehmen auf den Boden fallen lassen - und nur knapp, so behauptete das Personal, ein Kind in seiner Karre verfehlt. Er sagte, das Kind sei eine halbe Meile weit weg gewesen und er habe den Becher fallen lassen, weil er keinen Untersatz mit Henkel bekommen habe. Das Personal sagte, er habe keinen Untersatz verlangt. Er sagte, den brauche er nicht ausdrücklich zu verlangen.
»Du gehst immer gleich in die Luft«, sagte Carla.
»So sind Männer eben.«
Sie hatte nichts zu seinem Streit mit Joy Tucker gesagt. Joy Tucker war die Bibliothekarin aus der Stadt, die ihr Pferd bei ihnen in Pension gegeben hatte. Das Pferd war eine hitzige kleine braune Stute namens Lizzie - Lizzie Borden sagte Joy Tucker zu ihr, wenn sie zu Scherzen aufgelegt war. Gestern war Joy herausgekommen, gar nicht zu Scherzen aufgelegt, und hatte sich darüber beschwert, dass das Dach immer noch nicht repariert war und dass Lizzie elend aussah, als hätte sie sich eine Erkältung geholt.
Dabei fehlte Lizzie überhaupt nichts. Clark hatte sich - für seine Verhältnisse - bemüht, Joy zu beschwichtigen. Aber diesmal war Joy Tucker in die Luft gegangen und hatte gesagt, dass Clarks Hof eine Klitsche war und dass Lizzie etwas Besseres verdiente, und Clark hatte erwidert: »Machen Sie doch, was Sie wollen!« Joy hatte Lizzie nicht - oder noch nicht - weggeholt, wie Carla es erwartet hatte. Aber Clark, der vorher die kleine Stute zu seinem Liebling erklärt hatte, wollte nun nichts mehr von ihr wissen. Das verletzte Lizzie, und als Folge davon war sie widerborstig, wenn sie bewegt wurde, und stellte sich an, wenn ihre Hufe ausgekratzt wurden, was jeden Tag notwendig war, damit sich keine Pilzkrankheiten bildeten. Carla musste aufpassen, nicht von ihr gezwickt zu werden.
Aber für Carla war das Schlimmste, dass Flora fort war, die kleine weiße Ziege, die den Pferden im Stall und auf der Weide Gesellschaft geleistet hatte. Seit zwei Tagen war sie spurlos verschwunden. Carla befürchtete, dass verwilderte Hunde oder Kojoten oder vielleicht sogar ein Bär sie erwischt hatten.
Sie hatte letzte Nacht und in der Nacht davor von Flora geträumt. Im ersten Traum war Flora mit einem roten Apfel im Maul an ihr Bett gekommen, aber im zweiten Traum - gestern Nacht - war sie fortgelaufen, als sie Carla kommen sah. Ihr eines Bein schien verletzt zu sein, aber sie rannte fort. Sie führte Carla zu einem Stacheldrahtverhau, wie er auf Schlachtfeldern vorkam, und dann schlüpfte sie - Flora - hindurch, trotz des verletzten Beins, glitt einfach hindurch wie ein weißer Aal und verschwand.
Die Pferde hatten Carla über die Reitbahn gehen sehen und waren alle an den Zaun gekommen - trotz ihrer wasserdichten warmen Decken sahen sie durchnässt aus -, damit sie sich auf dem Rückweg mit ihnen beschäftigte. Sie redete leise mit ihnen und entschuldigte sich dafür, mit leeren Händen gekommen zu sein. Sie streichelte ihre Hälse und rieb ihre Nasen und fragte sie, ob sie etwas über Flora wussten.
Grace und Juniper schnaubten und stupsten, als würden sie den Namen erkennen und ihre Besorgnis teilen. Aber dann drängte sich Lizzie dazwischen und stieß Graces Kopf weg von...
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