Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Emily wurde geghosted. Aber sie ist darüber hinweg. Andy mit den ausgelatschten Converse und schlechten Witzen war sowieso nie der Richtige. Emily hat ihre Lehren daraus gezogen und arbeitet an dem Projekt »Emily 2.0«. Die neue Emily datet wieder, stylt sich sorgfältig, macht Karriere und hat überhaupt ihr Leben im Griff. Bis auf einer Party Andys Name auf einem Ouija-Brett erscheint und Emily erfährt, dass er sie gar nicht geghostet hat, sondern tatsächlich gestorben ist. Denn Andy sitzt als wahrhaftiger Geist in ihrem Wohnzimmer ... und er braucht ihre Hilfe, um das Rätsel um seinen Tod zu lösen. Und er zeigt Emily, wie liebenswert die alte unperfekte, fehlerhafte Emily war ...
Kurz bevor Andy versuchte, vom Jenseits aus mit ihr in Kontakt zu treten, war Emilys größte Sorge, dass die Guacamole braun werden könnte. Im Nachhinein wünschte sie, ihr wäre bewusst gewesen, wie glücklich sie sich damals hatte schätzen können, dass sie sich lediglich über Avocados den Kopf zerbrechen musste, nicht aber über das Leben nach dem Tod.
Zoe versenkte einen Finger in dem klebrigen grünen Dip, den Emily klecksweise auf einer Reihe kleiner, glitzernder Mezze-Schälchen verteilte.
»Nicht, ehe die Erwachsenen hier sind«, tadelte sie und gab Zoe einen Klaps auf die Hand.
Zoe grinste und leckte ihren Finger mit einem übertrieben lauten Schmatz ab. »Leckere Guac«, meinte sie mit einem anerkennenden Nicken.
»Warum reden alle ständig von Guac, wie von ihrem besten Kumpel? Es ist Guacamole, nicht dein alter Onkel Guac«, kommentierte Emily, während sie Habas fritas, gefüllte Oliven und Fruchtgummi-Ferkel (in normaler und in Veggie-Variante) in weitere Schüsseln umfüllte. Diese Snackkombi sollte ihren Gästen vermitteln: »Ich bin weit gereist und gebildet, aber mit mir kann man auch einfach jede Menge Spaß haben! Und natürlich habe ich auch an die vegetarischen und veganen Gäste gedacht.«
Auf den Knabbereien lastete ordentlich Erwartungsdruck.
»Wo hast du diese Schälchen her?«, fragte Zoe und spähte in diese hinein.
»Die habe ich in der >Aus aller Welt<-Ecke bei TK Maxx gefunden«, antwortete Emily. »Aber falls jemand fragt, habe ich sie natürlich auf meinen Reisen durch Mexiko an dem süßen kleinen Stand eines lokalen Kunsthandwerkers entdeckt.«
»Wann warst du in Fantasie-Mexiko?«, fragte Zoe. »War das vor oder nach deinem Hab-ich-mir-ausgedacht-Interrailtrip durch Europa und dem Alles-nur-Show-Backpacking durch Thailand? Es ist mir schleierhaft, warum noch niemand dahintergekommen ist, dass du es bisher nicht weiter weg als bis zum Jorvik Viking Centre in York geschafft hast, wo wir damals mit der Schule hingefahren sind.«
Emily stieß schnaubend die Luft aus und sah sich dann um, als befürchtete sie, jemand könnte sie beide belauschen.
»Ich gucke viele Dokumentationen«, sagte sie, während sie die Schälchen auf einem Tablett umherschob, um das perfekte Arrangement zu finden. »Außerdem hört doch eh niemand wirklich zu, wenn andere von ihren Reisen erzählen. Alle warten nur darauf, endlich selbst verkünden zu können, wie sie in Peru ein Waisenhaus mitaufgebaut oder irgendwo rohe Lamaleber gegessen haben. Man muss einfach nur vages Aussagen machen wie >Chichén Itzá ist im Winter echt beeindruckend<, und schon glauben die Leute, dass man dort war.«
Zoe lachte. »Ich kapiere eh nicht, warum du dir wegen dieser Party so einen Kopf machst«, meinte sie und hüpfte auf die Arbeitsplatte, wobei sie mit einer gekonnten Drehung ihres Pos einen Spiralschneider beiseiteschob. »Jada und Simon ist es doch scheißegal, wie glamourös du tust. Ihr sitzt seit Ewigkeiten im selben Büro, und sie kennen alle deine schrecklichen und düsteren Geheimnisse. Zum Beispiel, dass du aus Essex kommst und nicht aus Winchester und dass du bis Mitte zwanzig nicht wusstest, wie man >Accessoire< richtig ausspricht.«
Emily schnalzte mit der Zunge. »Stimmt. Aber Jess und Mel kennen nur die Neue Emily, nicht das öde Vorgängermodell. Ich habe also einen Ruf zu verlieren. Außerdem arbeitet Jess für eine Zeitschrift und Mel beim Fernsehen. Beim Feeernseeehen!«, fügte sie hinzu und deutete durch die Küchentür aufs TV-Gerät, um ihre Worte zu unterstreichen.
Emily, Jada und Simon waren Texter in einer kleinen Werbeagentur in Camden. Bei einem gemeinsamen Projekt hatte Emily dann Mel kennengelernt und war völlig aus dem Häuschen, als diese vorschlug, zum Abschluss mit ihrer besten Freundin Jess etwas trinken zu gehen.
Mel war genau die Art Freundin, die sich Emily als Teenager für ihr erwachsenes Ich gewünscht hatte. Seit sie nach London gezogen war, hatte sie sich Mühe gegeben, ein paar hippe Freunde zu finden - außerdem waren Jess und Mel auch noch total sympathisch -, und nun, da sie sie aufgetrieben hatte, würde sie einfach alles tun, um sie zu halten.
Die Hände in die Hüften gestemmt, betrachtete sie kritisch ihre Mezze-Platte. »Was meinst du, sollte ich die Fruchtgummis auf ein eigenes kleines Tablett stellen? So nach dem Motto: erst Abendessen, dann Dessert?«
»Ich meine, dass du total am Rad drehst«, gab Zoe zurück. »Es wird niemanden interessieren, versprochen. Ganz ehrlich, hätte ich geahnt, dass du dich in ein hoffnungsloses Klischee verwandeln würdest, hätte ich dir den Umzug nach London ausgeredet. Früher könntest du nicht aufhören, von Martin Bakers Riesenschwanz zu schwärmen - und jetzt geht es dir nur noch darum, wie du deine Hipster-Freundinnen beeindrucken kannst.«
»Ach, Martin.« Emily Stimme wurde weich, als sie an ihren ersten festen Freund zurückdachte. »Auch wenn ich kein hoffnungsloses Klischee bin, herzlichen Dank auch. Ich versuche nur, Anschluss zu finden.«
»Weiß ich doch«, antwortete Zoe und strich Emily liebevoll über die Schultern. »Aber ich vermisse meine Freundin aus Greenleaf, die sich bei der Vorstellung, eine Avocado zu essen, übergeben hätte. Deren Schönheitspflege aus einem kleinen Spritzer Bodyspray bestand, das sie bei Superdrug geklaut hatte, und die einen Abend bei Pizza Hut mit einer anschließenden Runde Kegeln im Hollywood Bowl für das Höchstmaß gesellschaftlicher Raffinesse hielt. Ich frage mich, was eigentlich aus dieser Emily geworden ist?«
»Wahrscheinlich ist sie bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen«, sagte Emily und presste noch etwas Saft aus einer Zitrone direkt in die Guacamole. »Vielleicht hat ihr Polyester-Jogginganzug Feuer gefangen oder sie ist an einem Stück Tiefkühlpizza erstickt.«
»Oder an Martins Bakers besten Stück .?«, meinte Zoe, und Emily musste lachen.
»Vergiss nicht, wie elend es der Alten Emily ging«, sagte sie und lehnte sich neben Zoe gegen die Küchenanrichte. Sie griff nach ihrer Hand, und sie verschränkten ihre kleinen Finger ineinander. »Du hast die herablassende Art, mit der uns die Menschen behandelt haben, immer locker weggesteckt, aber ich konnte das nie. Das ist meine Chance, allen zu beweisen, dass sie mich falsch eingeschätzt haben. Genau wie dich auch.«
Schon bevor sie vor vier Jahren in Essex in den Zug nach London gestiegen war, hatte Emily das Gefühl, sie sei nicht gut genug. In der Schule hatte man alle Kinder aus der Greenleaf-Siedlung, wo Emily und Zoe aufgewachsen waren, wie Außenseiter behandelt. Emily war fest entschlossen gewesen, das Viertel bei der erstbesten Gelegenheit hinter sich zu lassen, und Zoe schloss sich ihr bereitwillig an.
Aber während Zoe vornehmlich wegen zwei Dingen nach London gezogen war - einerseits, um auf Konzerten nicht vor den letzten Songs aufbrechen zu müssen, andererseits, um mit so vielen heißen Typen zu schlafen wie menschenmöglich -, sah es Emily als Chance für einen kompletten Neustart.
Hier konnte sie ihre Vergangenheit aus dem Gedächtnis streichen, sich in eine neue Person verwandeln und einen Freundeskreis aus Menschen aufbauen, die keine Ahnung hatten, wer sie einmal gewesen war. Sie hatte alles getan, um die Alte Emily - deren Chancen im Leben so gut standen wie die des Comic-Bergarbeiters auf einer Schachtel »Golden Nuggets« - hinter sich zu lassen und sich eine Zukunft zu schaffen, die völlig anders war als ihre Vergangenheit. Eine Zukunft voller Geborgenheit und Sicherheit, in der ihre Kinder niemals bei den Nachbarn klingeln und um Münzen für den Stromzähler würden betteln müssen, um eine Folge Home and Away ansehen zu können.
Doch egal, wie sehr sie sich auch anstrengte, sie fühlte sich immer noch wie das Mädchen, das von seinem Vater verlassen und in der Schule von den anderen Kindern abgelehnt worden war und dessen einzige Freundin auf der ganzen Welt Zoe war. Alle Menschen in London wirkten, als hätten sie ihr Leben total im Griff. Es schien Emily beinahe unmöglich, da mitzuhalten.
Der größte Teil ihres Gehalts ging für Klamotten drauf, die sie sich nicht leisten konnte. Im Fitnessstudio hatte sie die ganze Zeit Angst, die Geräte falsch zu benutzen (einmal war sie wie ein zu großer Pfannkuchen vom Laufband geschnipst worden und hatte vor lauter Blamage das Studio wechseln müssen).
Sie war sich nicht ganz sicher, ob der Job bei einer Werbeagentur das Richtige für sie war. Emily hatte sich dafür entschieden, weil alle Leute in Mad Men so unfassbar mondän wirkten. Leider hatte man in dem Job wesentlich weniger mit Hundewelpen zu tun, als sie sich gewünscht hätte. Und sie war schließlich aus der WG ausgezogen, in der sie eine Weile mit Zoe gewohnt hatte.
Emily hatte sich eingeredet, dass ihre winzige Einzimmerwohnung, die sie sorgfältig in Stein-, Grau- und Cremetönen eingerichtet hatte, besser zum Leben der Neuen Emily passte. Dabei vermisste sie es ungemein, den Sonntagmorgen verkatert mit ihrer besten Freundin vorm Fernseher zu verbringen. Aber wenn sie sich, wie es laut Bijou-Magazin gerade »Für Frauen, die wissen, wo es langgeht« angesagt war, ihr Traumleben beim Universum bestellen wollte, war das alles leider notwendig.
Nur manchmal hätte Emily am liebsten direkt zu den »Danach«-Fotos ihres neuen Lebens weitergeblättert - das mit dem tollen Job, dem erfolgreichen Mann und der pinken KitchenAid-Küchenmaschine.
Trotzdem, der heutige Abend würde sie...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.