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Zum Buch Unsere Welt ist wieder politischer geworden. Eine Krise folgt auf die nächste, die Weltordnung hat sich in eine Weltunordnung verwandelt. Wo lässt sich Orientierung finden? Herfried Münkler und Grit Straßenberger führen den Leser in das Archiv politischen Denkens, wo die Ideen der großen Philosophen aufbewahrt werden - Platon und Aristoteles, Augustinus und Thomas von Aquin, Machiavelli und Thomas Hobbes, John Locke und Jean-Jacques Rousseau, Montesquieu und Kant, Hegel und Marx, Max Weber und Carl Schmitt. Bei ihnen lässt sich Material finden für das Labor, in dem jeder für sich am Verständnis der Gegenwart werkeln muss. So führt dieses Buch ein in die politische Ideengeschichte und die politische Theorie, und zeigt dabei, was dieses Fach leisten kann, um Sichtachsen in unsere verworrene Zeit zu schlagen.
Über die Autoren Herfried Münkler ist Professor für Theorie der Politik an der Humboldt-Universität zu Berlin. 2009 erhielt er den Preis der Leipziger Buchmesse für sein Werk über die Mythen der Deutschen. Bei C.H.Beck ist von ihm erschienen: Lexikon der Renaissance (zus. mit Marina Münkler, 2005). Grit Straßenberger ist Professorin für Politische Theorie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Die Politikwissenschaft ist eine junge akademische Disziplin mit einer langen Tradition. Als Begründer der politischen Wissenschaft gilt der griechische Philosoph Aristoteles. In Abgrenzung zu Platon plädierte er dafür, das Politische als eine eigene Sphäre zu begreifen, in der nicht das Wissen, sondern das Handeln zentral ist. «Praktische Philosophie über die menschlichen Angelegenheiten» hat Aristoteles seinen neuen, genuin politischen Zugang zu diesem besonderen Handlungsbereich genannt und dabei thematisch und schriftenmäßig zwischen Politik und Ethik unterschieden: Während die Nikomachische Ethik die handlungstheoretischen und tugendethischen Grundlagen der guten politischen Ordnung enthält, werden in der Politik institutionelle Ordnungen, Verfassungsformen und gesellschaftliche Realisierungsbedingungen des guten Lebens (eu zen) behandelt.
In Aristoteles' Entwurf der praktischen Philosophie wird bereits eine zentrale Eigenart der Politikwissenschaft angedeutet: Sie ist eine Wissenschaft, die im Unterschied etwa zu den methodisch sehr viel ausgefeilteren Naturwissenschaften in der Wahl ihrer Gegenstände und Probleme nicht autonom ist. Was jeweils zum Thema der Politikwissenschaft wird, bestimmen nicht allein die Politikwissenschaftler; die Forschungsagenda wird vielmehr von großen politischen Fragen und Problemen der jeweiligen Gegenwart beeinflusst bzw. von einflussreichen politischen Akteuren mitbestimmt. Die Politik ist in der Politikwissenschaft also immer präsent, und zwar nicht nur im Hinblick auf die seit Platon und Aristoteles heftig diskutierte und bis heute unentschiedene Frage, worin das Wesen des Politischen besteht, sondern eben auch in dem unmittelbaren Sinne, dass Politikwissenschaft dem jeweiligen historisch-politischen Kontext verhaftet ist, auf konkrete politische Herausforderungen reagiert und zudem unter dem Druck steht, ihre Praxistauglichkeit immer wieder aufs Neue beweisen zu müssen.
Das Politische der Politikwissenschaft und die darin begründete Heteronomie dieser - jedenfalls im deutschen akademischen Kontext - jungen akademischen Disziplin hat spezifische Konflikte produziert, und zwar innerhalb der Politikwissenschaft selbst, sodann in ihrem Verhältnis zur Politik und schließlich im Kreis der etablierten universitären Disziplinen, von denen Themengebiete für sich selbst reklamiert wurden.[1] So sah sich die Politikwissenschaft in Deutschland, wo sie nach 1945 im Rahmen des sogenannten «reeducation»-Programms als «Demokratiewissenschaft» etabliert wurde, dem seinerzeit massiv vorgetragenen Vorbehalt der «klassischen» Fakultäten ausgesetzt, keine eigenständige wissenschaftliche Disziplin zu sein, sondern ihre Themenstellungen gewissermaßen parasitär der Rechtswissenschaft, der Geschichte, der Soziologie und partiell auch der Volkswirtschaftslehre sowie der Philosophie zu entlehnen. Die politisch initiierte Reetablierung der Politikwissenschaft als akademisches Fach und der Einspruch der kanonisierten universitären Disziplinen haben trotz der akademischen Anerkennung Anfang der sechziger Jahre das Selbstverständnis der Politikwissenschaftler und ihre innerdisziplinäre Diskussionskultur bis heute geprägt.
Seit ihrer Anerkennung als eigenständige akademische Disziplin - und unter den gegenwärtigen Bedingungen einer verschärften Konkurrenz um notorisch knappe Forschungsmittel und um das knappe Gut der öffentlichen Aufmerksamkeit noch einmal in verschärfter Weise - haben die politikwissenschaftlichen Teildisziplinen einen für die Stellung des Fachs innerhalb des akademischen Feldes, aber auch hinsichtlich ihrer öffentlichen Wahrnehmung eher kontraproduktiven Streit um ihren wissenschaftlichen Status und ihre Praxisrelevanz geführt. Dabei haben sich jeweils die Teildisziplinen durchgesetzt, die den Nachweis erbringen konnten, empirisch anschlussfähig und/oder auf der Höhe der praktischen Politikberatung zu sein. Die Politische Theorie und Ideengeschichte schneidet in diesem Kampf um öffentliche Anerkennung, Geld und Positionen derzeit nicht so gut ab. Bildete sie in der Bundesrepublik Deutschland seit mehreren Jahrzehnten einen der vier fest etablierten Teilbereiche der Politikwissenschaft, so wird ihr dieser Status seit geraumer Zeit von den drei anderen klassischen Lehr- und Forschungsbereichen - der Innenpolitik, der Vergleichenden Politikwissenschaft und der Internationalen Politik - sowie von der neu etablierten Governance-Forschung streitig gemacht.[2] Eine Begründung für die gegenwärtig zu beobachtende Umwidmung von Professuren für Politische Theorie und Ideengeschichte in sogenannte Bindestrich-Professuren lautet, dass zu jeder Wissenschaft Theorie gehörte, dass also die anderen politikwissenschaftlichen Teilbereiche das immer schon mitmachten, was die Politische Theorie und Ideengeschichte für sich als Alleinstellungsmerkmal beanspruchen würde. - Was ist dran an diesem Vorwurf?
Unbestritten kommt Wissenschaft nicht ohne Theorie aus. Das gilt für die Politikwissenschaft ebenso wie für die anderen Gesellschafts- und Sozialwissenschaften und natürlich auch für die Naturwissenschaften. Jede Wissenschaft, sei sie noch so empirisch oder politikberatend ausgerichtet, geht von bestimmten theoretischen Modellen und methodologisch begründeten Vorentscheidungen aus. Dass Wissenschaft auf theoretischen Voraussetzungen aufruht, ist also ein Allgemeinplatz, der als Argument gegen die Politische Theorie und Ideengeschichte nicht taugt. Auffällig an den Einsprüchen ist indes, dass das Alleinstellungsmerkmal «Theorie» in Frage gestellt wird, nicht aber die ideengeschichtliche Herangehensweise. Diese nämlich können die anderen politikwissenschaftlichen Teildisziplinen keineswegs für sich in Anspruch nehmen. Durch das «Anhängsel» Ideengeschichte gewinnt die Politische Theorie nicht nur einen in seiner Weite und Tiefe höchst spezifischen, von anderen politikwissenschaftlichen Teildisziplinen unterschiedenen Gegenstandsbereich, sondern dadurch praktiziert sie auch eine methodisch hoch differenzierte Selbstreflexion, die so bei keiner anderen Teildisziplin des Fachs zu beobachten ist. Nun ist aber eben diese in der Politischen Theorie und Ideengeschichte praktizierte Methodenvielfalt, ja der innerhalb dieser Teildisziplin selbst vehement geführte Streit um das methodische Profil des Fachs, zugleich ein Problem - und zwar kein wissenschaftliches, sondern ein wissenschaftspolitisches. «Innerparteilicher» Streit ist zwar wünschenswert, insofern durch das begründete Austragen von Differenzen und den Wettbewerb der Argumente wissenschaftliche Innovationen entstehen, aber in der Interessenvertretung nach außen, also im Kampf um Einfluss, Geld und Macht, lassen sich (wissenschafts-)politische Ansprüche umso besser vertreten und durchsetzen, je geschlossener sich eine Disziplin bzw. deren Teilbereiche in der Außenwirkung darstellen. Die Politikwissenschaft und insbesondere die politikwissenschaftliche Teildisziplin Politische Theorie und Ideengeschichte kennt diese Mechanismen, denn die Frage nach der Macht bildet einen ihrer Kernbereiche; zugleich aber besteht sie nicht ohne Grund darauf, dass die Wissenschaft einer anderen Logik folgen sollte als die Politik: Nicht Macht, sondern die Geltung von Argumenten sollte die wissenschaftliche Praxis leiten und jenen Erkenntnisfortschritt befördern, der über den wissenschaftlichen Bereich hinausreicht. Wie auch immer es um das aufklärerische Projekt einer selbstreflexiven, zur Kritik ihrer Normen, Institutionen und Praxen befähigten Gesellschaft bestellt sein mag, zu der die Politikwissenschaft beitragen will, die große Stärke der Politischen Theorie und Ideengeschichte, die methodischen Voraussetzungen ihrer Reflexion des Politischen selbst zum Gegenstand fachinterner bzw. teildisziplinärer Diskussion zu machen, erweist sich zugleich als ihre Achillesferse - es sei denn, es gelingt ihr, den Wettbewerb der Methoden, wie das Politische erfasst und begrifflich konzeptionalisiert werden kann, als Chance zu begreifen, ein eigenständiges Profil und eine teildisziplinäre Identität auszubilden, die für die Sichtbarkeit der Politikwissenschaft insgesamt förderlich ist und zudem die innerdisziplinäre Relevanz steigern kann. Nur dann könnte das weitergehende Argument entkräftet werden, die beiden additiv zusammengefügten Teilbereiche der Politischen Theorie und Ideengeschichte ließen sich sachlich aus der Politikwissenschaft ausklinken und ihren jeweiligen etablierten Disziplinen zuordnen: die «Politische Theorie» der (politischen) Philosophie und die «Ideengeschichte» der Geschichtswissenschaft.
Unter den Bedingungen notorischer Ungewissheit kann Politikwissenschaft die Politik nicht nur darauf vorbereiten, dass Gefahren anstehen - was in dieser allgemeinen Form ohnehin jeder kompetente Politiker weiß -, ihr Beitrag besteht vielmehr darin, bei der Antizipation und Analyse sowie der Bewältigung dieser Gefahren, also der Überführung in kalkulierbare Risiken, behilflich zu sein.[3] Damit die Politische...
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