Schweitzer Fachinformationen
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Fred Haller
Wie man einen Aal brät
»Französische Butter - das ist die entscheidende Zutat, mein Lieber! Da geht nix drüber!« Ja, ja, französisch muss sie sein. Aber was nützt der gute Rat, wenn ich doch noch nie einen Aal gefangen habe?
Mit dem Aalangeln ist es so eine Sache, denn dieser Spezies nachzustellen, das steht meinem Biorhythmus diametral entgegen. Aale sind nachtaktiv, und vor Mitternacht habe ich noch nie einen gefangen. Ähm - ich habe überhaupt noch keinen gefangen, aber das liegt eben daran, dass ich nach Einbruch der Dunkelheit meistens genug habe vom Ansitzen und nach Hause gehen mag. Ein, zwei Mal im Jahr verbringe ich eine Sommernacht an der Rott. Bis Mitternacht halt. Manchmal stelle ich nach Stunden fest, dass der blanke Haken ohne Wurm ein nächtliches Bad nimmt oder dass sich ein Rotauge gehakt hat, das der Dinge harrt, ohne dass ich es bemerke. Spätestens um Mitternacht herum breche ich genervt ab und bringe außer schlechter Laune nichts nach Hause.
Aale sind sehr besonders. Sie haben einen unwahrscheinlich guten Geruchssinn und können Köder, aber leider auch störende Gerüche, sehr empfindlich wahrnehmen. Wer die Haken zum Aalangeln beködert, der sollte sorgfältig darauf achten, die Hände nicht mit Spülmittel, Waschseifen, Kosmetika oder gar Zigarettenrauch zu verseuchen. Es heißt, sie können die Spuren eines einzigen Tropfens Rosenwasser auf die Wassermenge des Bodensees erkennen. Was für ein Fisch!
Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis habe ich mich heute den ganzen Tag auf den nächtlichen Ansitz eingestellt. Die morgendliche Dusche fand unter Ausschluss jeglicher chemischer Zusatzstoffe statt. Ich achtete auf meine Ernährung: Nur ja kein künstliches Zeug - wegen der Ausdünstungen! Es gab Eier, Fleisch, Käse, Brot, Wasser, reines bayerisches Bier. Nur ehrliche Sachen.
Es dämmert, als ich an meinem Angelplatz ankomme. Als Erstes reibe ich mir die Hände mit Erde und wasche sie im Fluss. Nachdem ich mich mit meiner erforderlichen Ausrüstung unter einer knorrigen Erle eingerichtet habe, ziehe ich einen fetten Tauwurm auf den Haken und schlenze ihn linkerhand in die Mitte des Flussbettes. Auf den Haken meiner zweiten Angel spieße ich die Schwanzflosse eines Köderfischchens, einer kleinen Laube. Die Wurm-Angel muss ich ein paar Mal neu beködern, da sich Kleinfische daran zu schaffen machen. Es ist mühsam. Als Angler hast du eine hohe Schmerzgrenze. Du hoffst immer, denn es kann viel passieren. Vielleicht beißt ein Zander, ein Hecht oder ein Aal!
Diese Nacht riecht angenehm nach Sommerernte. Hinter mir liegt ein frisch abgemähtes Getreidefeld und der laue Wind von Westen trägt mir den süßen Duft in die Nase.
Säubern, säuern, salzen. Nach dem Ausnehmen schneidet man den Kopf hinter dem Kiemendeckel ab und spült alles sauber aus. Ich werde ihn mit Zitronensaft beträufeln, mein Sel de Mer darüber rieseln lassen und dann schneide ich ihn in 6 bis 8 cm lange Stücke. Eine gute Kartoffel muss dazu und eine feine Dillsoße macht das Gericht perfekt. Wieviel man von dem grünen Kraut wohl braucht? Der Gemüsestand auf unserem Wochenmarkt bietet es im frischen Bund recht günstig an, meine ich. Mir läuft schon jetzt das Wasser im Mund zusammen. Zur Ablenkung öffne ich eine Dose und genieße ein kühles Bier.
Während die orange leuchtende Sonne langsam hinter dem Uferbewuchs verschwindet, hab ich nicht viel zu tun. Ich mache ein lustiges Foto und lade es auf Facebook hoch: »Fischer Fred fischt fette Fische!« Ha, ha - im blau-weiß gestreiften Fischerhemd, das ich vor ein paar Jahren in Ostfriesland erstanden habe. Die Likes und Kommentare gehen ein und ich bin erst mal unterhalten. Aber nach 23 Uhr bin ich wieder allein. Die virtuellen Freunde, mit denen ich dieses Angel-Event teile, steigen nach und nach aus.
Ich schwelge in der Erwartung fetten Petri Heils und sehe mich in der Küche stehen. Die Haut des Aals wird in einem Stück vom Fleisch gezogen. Das soll ziemlich anstrengend sein. Ein Anglerspezi meinte, er nagle den Aal an das Scheunentor und ziehe die Haut mit einer Zange ab. Unglaublich! Ich hab keine Scheune - dieser Schritt wird mich also vor ein Problem stellen. Andererseits kann ich mir nicht vorstellen, dass es eine ganze Scheune braucht, um einen Aal zu entblättern. Wir werden sehn. Französische Butter - das ist wichtig. Die Meersalzkristalle darin sind das Geheimnis. Ich hab noch keine besorgt, aber unser gut sortierter Edeka-Markt wird mich nicht enttäuschen. Gesalzene irische Butter weiß ich sicher im Regal.
Eine weitere Stunde döse ich ein wenig vor mich hin. Leider habe ich keine bequeme Liege dabei und hänge müde in meinem Klappstuhl. Wieder kein Glück? Langsam wird es kühl und feucht und Mücken müssen wohl ein ebenso empfindliches Riechorgan haben wie die Aale, denn gefühlt finden sie mich alle. Ständig erwehre ich mich der Biester mit dem Deckel meines Wassereimers. Nochmal ein Kontrollblick auf mein Smart-phone. Die Zeit 0 Uhr 20. Keine neuen Nachrichten auf dem Handy. Dann höre ich es plötzlich, das feine Bimmeln des Glöckchens an meiner Rutenspitze. Für einen Moment sehe ich das Knicklicht an der Angelspitze zittern - dann ist wieder alles still. Ein Rotauge wirds sein, was sonst! Nach einer Weile dasselbe. Ich stehe auf, bin mit wenigen lautlosen Schritten bei meiner Angel und klappe den Rollenbügel auf, damit der Fisch keinen Widerstand mehr spürt. Die Schnur kann nun frei in die Nacht hineinziehen. Nachdem ich das Glöckchen abgenommen habe - mich nervt die Bimmelei - halte ich die Schnur zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand und spüre immer wieder ein zaghaftes Zupfen. Kein Anzeichen für einen großen Fisch, kein Bedarf an Butter. Ein Anglerkollege hat hier in den ansteigenden Uferstreifen eine Stufe geformt und ich setze mich auf den kahlen, ausgetrockneten Boden. Ich liebe es, auf dem Erdboden zu sitzen - solange ich kein Ungeziefer sehe! Wieder laufen mir ein paar Zentimeter Schnur durch die Fingerkuppen. Ein Rotauge wirds sein. Ich werde den kleinen Kerl gleich erlösen und dann meine Utensilien zusammenpacken und heimgehen.
Ein festes Rucken! Die Schnur beginnt zu laufen.
Oh, die Tast-Nervenzellen melden jetzt »Fisch« ans Gehirn, nicht »Fischlein«. Es ist ein Fisch! Es könnte auch ein Zander sein - die beißen ebenfalls nachts. In meiner Phantasie sehe ich ihn schon vor mir: die mit Stachelstrahlen aufgestellte Rückenflosse und seine typische gestreifte, silbrig-grüne Zeichnung. Die hervortretenden Augen, die bei Lichteinfall hell aufleuchten.
Jetzt ruckt es kräftig. Ich springe wieder erwartungsvoll auf, warte noch einen Moment, dann lasse ich den Schnurrollenbügel zuspringen und schlage an. Gehakt! Ich spüre, wie der Fisch in einem Bogen nach rechts zieht. Dann ist der Zug plötzlich weg und die Schnur, die sich eben noch ein Stück über der Wasseroberfläche spannte, legt sich lasch auf den nachtschwarzen Spiegel der Rott. Oh je, habe ich ihn verloren? Nein, er wendet und schwimmt wieder nach links. Ich ziehe ihn schnell heran. Ich knipse meine Stirnlampe an und leuchte direkt auf die Wasseroberfläche, da blitzt wenige Meter vom Uferrand entfernt etwas Helles auf. Yes - ein Aal stemmt sich quirlig gegen meinen Drill. Oh mein Gott, ein Aal! Heilige Franzosenbutter! Mein Herz pocht wie verrückt. Er taucht ab und zieht nochmal davon. »Ich darf ihn nur ja nicht im Pflanzen- oder Wurzelwerk verlieren!«, fährt es mir durch den Kopf. Schnell pumpe ich ihn heran und hebe ihn aus dem Wasser. Mit einem kleinen Handtuch gelingt es mir, ihn dicht hinter dem Kopf zu greifen, dabei windet er sich um meinen Unterarm. Ich fühle mich glücklich, aber auch herausgefordert. Irgendwie empfinde ich das sich windende Tier ein wenig beängstigend. Es ist nicht riesig, aber deutlich über dem Schonmaß. Gute 60 Zentimeter. Mission Aal erfolgreich, geht es mir durch den Kopf, aber das Abenteuer ist noch nicht zu Ende. Noch liegt er nicht küchenfertig im Kühlschrank.
Weit nach 1 Uhr nachts stehe ich etwas angespannt zuhause in meinem Garten. Stirnlampe eingeschaltet, Aalstecher bereitgelegt, kniee ich auf dem kurzgeschnittenen Rasen. Das Handtuch habe ich jetzt leider nicht dabei, aber es wird auch ohne gehen. Ich neige den Eimer und schütte vorsichtig Wasser ab. Dies scheint mir überhaupt eine gute Methode: Ich werde den Aal langsam ins Gras gleiten lassen und dann zupacken. Genau so tu ich es, doch als ich zupacke, da wird er sehr lebendig und schlängelt seinen langen Körper wieder um meinen Arm. Vor Schreck löse ich den Griff ein wenig und er rutscht mir aus der Hand. So ein Biest! Ich richte den Kegel der Stirnlampe schnell auf das schwindende Schlangentier, das im Schein der Lampe grünlich glänzt.
»Ich krieg dich!«
Noch immer knieend greife ich danach und erwische den Aal am Schwanz, doch ich kann ihn nicht festhalten. Mann, ist das Vieh schnell und glitschig! Ich springe auf die Beine und sehe, wie es das Hochbeet erreicht. Hier wird es nicht weiterkommen und ich kann es schnappen. Denkste! So schnell kann ich gar nicht schauen, da ist der Aal unten durchgeschlüpft und hinter der Bretterwand verschwunden. Was für eine Schande! Was soll ich nur tun? Der untere Teil des Holzes ist im Laufe...
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