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Werner Schwarz - Der Ton macht die Musik
Kritik ohne Maß
Werner Schwarz will raus aus der Defensive. Die wachsende Kritik an moderner Tierhaltung nimmt er ernst, auch wenn sie in Teilen maßlos ist und weit über das Ziel hinausschießt. Kampfbegriffe wie "Massentierhaltung", "KZ-Hühner", "Agrarfabriken", "Giftmischer", "Brunnenvergifter" oder "Tierquäler" sind für den Sauenhalter aus dem schleswig-holsteinischen Rethwisch im Kreis Stormarn völlig inakzeptabel. Die will er nicht hinnehmen. Schwarz fühlt sich und seine Berufskollegen, für die er als Landesbauernpräsident Verantwortung trägt, zu Unrecht auf die Anklagebank gesetzt. So viel ist klar, gegen die pauschalen Angriffe müssen und werden er und der Verband sich wehren. Die Frage ist nur, wie? Das Spektrum berufsständischer Reaktionen reicht von Draufhauen bis Ignorieren, vom Vorwurf der Ahnungslosigkeit bis zum Unterstellen von bösem Willen und eigennützigen Motiven, von der Klage über fehlende Wertschätzung für bäuerliche Arbeit bis zur Unterstellung, ideologisch verblendet zu sein. Nichts von alldem überzeugt den Verbandspräsidenten.
Geduldig zuhören
Schwarz kennt die Vorbehalte, die viele Bürgerinnen und Bürger gegenüber der Tierhaltung haben und wie sie am Ende der Nullerjahre immer offenkundiger und immer lauter geäußert werden. Er weiß um die Geschichten vom Schnitzel, das zusehends an Umfang und Gewicht einbüßt, kaum dass es in der Pfanne brutzelt. Er setzt sich auseinander mit den Vorwürfen insbesondere gegenüber der Art, wie Schweine gehalten würden: in dunklen Ställen ohne Tageslicht, eingepfercht in Buchten mit viel zu wenig Platz und kaum Bewegungsmöglichkeiten, auf Spaltenböden im eigenen Dreck, in stickiger Luft, ohne Kontakt nach draußen. Dafür hat er viel zu oft gesprochen mit den Leuten, geduldig zugehört, was man so denkt über Landwirtschaft. Die Klagen vernommen über Missstände, auch wenn die Vorstellungen der Menschen oft überholt sind und vieles davon längst nicht mehr zutrifft. Aber kann man den Menschen vorwerfen, dass sie nicht mehr im Bilde sind über Landwirtschaft, wie sie heute ist? Ist nicht nachvollziehbar, dass sich die Komplexität moderner Tierhaltung den Leuten nicht mehr erschließt und sie zu einfachen Erklärungsmustern greifen?
Teilhabe am Schweineleben
Wir müssen zeigen, was wir tun und wie wir es tun, ist Schwarz überzeugt. Und er weiß jetzt auch, wie. Im Januar 2013 installiert er in seinem Sauenstall auf Gut Frauenholz eine Webcam und startet eine Nonstop-Liveberichterstattung für die ganze Welt da draußen. Die Bilder werden alle 20 Sekunden aktualisiert. Sie lassen Interessierte rund um die Uhr teilhaben am wirklichen Schweineleben. Die Resonanz ist überwältigend. Nach wenigen Monaten beläuft sich der Zahl der Internetnutzer, die Einblicke in den Schwarz'schen Stall genommen haben, auf mehr als 50.000. Schwarz ist bundesweit der erste Sauenhalter, der auf diese Weise einen Beitrag zum gläsernen Stall leistet.
Der Pionier ist mittlerweile Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes und in dieser Funktion unter anderem für Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Im April 2013 zieht er in einem Video ein erstes Fazit seiner persönlichen Transparenzinitiative. Darin kommt er nach wenigen Sätzen über die Bedeutung von Bildern für die Meinungs- und Stimmungsbildung rasch zu den eigentlichen Herausforderungen für die nächsten Jahre: die Weiterentwicklung der Tierhaltung, notwendige Fortschritte beim Tierschutz und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten. Die Verbraucherinnen und Verbraucher bittet er um Geduld. Nicht immer ließen sich Neuerungen von heute auf morgen im Stall realisieren. Und er macht eine Zusage: Sinnvolle und praxistaugliche Veränderungen würden die Bauern umgehend im Stall berücksichtigen. So viel Sachlichkeit muss sein.
Florett statt Säbel
Als Werner Schwarz am 11. Januar 2008 in Rendsburg zum neuen Präsidenten des Bauernverbandes Schleswig-Holstein gewählt wird und sich dabei bereits im ersten Wahlgang überraschend klar gegen seinen Mitbewerber, den Milchbauern Peter Lüschow, durchsetzt, ist das mehr als ein Generationswechsel. Der 47-jährige Mann der leisen Töne ersetzt den 68-jährigen extrovertierten und gelegentlich sehr impulsiven Otto-Dietrich Steensen. Der stand in der Tradition seines Vorgängers Karl Eigen und dessen Leitspruch "Was dem Bauern dient, kann für Deutschland nicht falsch sein". Daraus folgt ein Kurs der klaren Kante gegenüber der Politik in Land und Bund sowie den Verbänden auf der anderen Seite des Grabens. Und nun das: vom Säbel der Altvorderen zum Florett des Neuen. Nach einem Vierteljahrhundert Eigen und Steensen kommt der Wechsel zu Schwarz an der Verbandsspitze einem Kulturschock in der bäuerlichen Interessenvertretung hoch oben im Norden gleich.
Den Delegierten des Landeshauptausschusses hatte der Kreisvorsitzende des Bauernverbands Stormarn nichts vorgemacht. Auch als Präsident werde er niemand sein, "der ordentlich auf die Tonne haut". Floskeln sind ihm zuwider, anerkennender Applaus für eine wohlbegründete Position und gute Argumente allemal lieber als Ovationen und rauschender Beifall für eine aufpeitschende Rede auf einer Bauernversammlung. Die könne er im Übrigen gar nicht halten, auch wenn er das wolle. Die Delegierten wissen, auf wen sie sich einlassen. Jede Zeit hat ihren passenden Präsidenten. Die Zeiten haben sich geändert. Und Schwarz sieht sich bestätigt. Diplomatie statt Attacke lautet fortan das Motto, zumindest in Rendsburg. Wer jedoch Diplomatie gleichsetzt mit Leisetreterei, liegt daneben. Der neue Präsident kann hartnäckig sein, wenn's drauf ankommt.
Eine politische Familie
Ehrenamt und Diplomatie sind Werner Schwarz in die Wiege gelegt, ebenso die Politik. Jeder greift nach seinen Möglichkeiten in die Speichen, um den Karren nach vorn zu bewegen. Etwas ungelenk drückt er aus, worum es der Familie seit Generationen geht: anpacken, sich nicht wegducken, Verantwortung übernehmen. Sein Vater Günther Schwarz war sieben Jahre Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Rethwisch, bevor er sich 1994 auf dem Hof und in der Kommunalpolitik aufs Altenteil zurückzieht. Der Sohn folgt ihm, zumindest ein wenig, und übernimmt nach dem Ausscheiden des Vaters den Posten des stellvertretenden Bürgermeisters. Die politische Spur in der Familie hat der Großvater gelegt. Den hat sein berufsständisches Engagement in die Führungsetage des Landesbauernverbandes und das Präsidium des Deutschen Bauernverbandes geführt, sein politischer Weg in die Bundeshauptstadt Bonn. Von 1953 bis 1965 gehört Werner Schwarz Senior als direkt gewählter CDU-Abgeordneter des Wahlkreises Stormarn dem Bundestag an. 1959 wird der gelernte und studierte Landwirt Nachfolger von Heinrich Lübke im Amt des Bundeslandwirtschaftsministers, nachdem der zum Bundespräsidenten gewählt worden war. Schwarz hat das Ministeramt bis 1965 inne.
Die Schwarz-Familie spielt anschließend auch in der Landespolitik eine wichtige Rolle. Sohn Henning Schwarz bekleidet fast 20 Jahre Ministerämter in Schleswig-Holstein. Zeitweise ist er geschäftsführender Ministerpräsident. Dessen Tochter Sabine Sütterlin-Waack ist seit 2020 Innenministerin in Kiel. Dort trifft sie am Kabinettstisch mittlerweile regelmäßig ihren Cousin Werner, der nach der Landtagswahl vom Frühjahr 2022 den Posten des schleswig-holsteinischen Landwirtschaftsministers übernommen hat. Aber das ist eine andere Geschichte.
Klein Bonn in Rethwisch
Für Werner Schwarz ist der Großvater weder direktes Vorbild, noch fühlt er sich durch dessen Aufstieg ins Bonner Ministeramt unter Druck gesetzt. Er wird sein eigenes Ding machen, das steht für ihn fest. Politik ist nicht sein Ziel. In die CDU tritt er trotzdem ein, ausgerechnet während der Barschel-Affäre Mitte der Achtziger Jahre. Weniger aus politischer Überzeugung als aus persönlichen Gründen. Die damals nach seinem Empfinden sehr laute und sehr pauschale Kritik an der Partei und ihren Protagonisten hält Schwarz für nicht gerechtfertigt und völlig überzogen. Er hat nun mal Gegenbeispiele in der eigenen Familie. Da will er ein Zeichen setzen. Parteipolitisch aktiv wird er aber nicht. Eine politische Laufbahn interessiert ihn nicht. Die Ministerzeit des Großvaters erlebt Schwarz nicht als Privileg, eher als Belastung. Er nimmt wahr, dass während dieser Zeit und noch danach im Dorf anders über die Familie geredet wird als sonst. Aus dem zwei Kilometer außerhalb von Rethwisch gelegenen Gut Frauenholz wird auf einmal "Klein Bonn". Noch heute verspürt er das Unbehagen, das er damals als Kind empfindet, als ihm dieses "Klein Bonn" zu Ohren kommt. Beispielsweise wenn ihn alte Bekannte mit "Herr Minister" ansprechen, wenn auch nur aus Flachs. Jeglicher Dünkel ist Schwarz zuwider. Das war schon bei den Eltern so, und das gilt immer noch.
Auf den Tisch haut man nicht
Prägend wird für Werner Schwarz der Umgang mit Konflikten innerhalb der Familie. Am Abendbrottisch wird über alles gesprochen, auch über schwierige Themen, jedoch immer in einem vernünftigen Ton. Meinungsunterschiede, auch Streitigkeiten werden ausgetragen, aber ausschließlich mit Argumenten. Schreien und auf den Tisch hauen erlebt Schwarz in der ganzen Zeit nicht. Ein großer Einfluss geht vom Vater aus. Nicht zufällig hat Günther Schwarz über Jahre die Funktion der Schiedsperson auf Amtsebene inne. Seine Fähigkeit...
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