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Als kleine Hauptstadt am Rand Europas kann Edinburgh im Städtekonzert nicht die erste Geige spielen - höchstens den ersten Dudelsack. Lange war die Stadt für viele Besucher nur eine Ouvertüre auf dem Weg in die Highlands. Aber seit mit der teilweisen Autonomie Schottlands 1999 und der Einrichtung des Regionalparlaments die Hauptstadtwürde wiederbelebt wurde, erwacht die Schöne wie aus einem Dornröschenschlaf. Zu den Kulturfestivals gesellen sich Michelin-Sterne, Modehäuser und -boutiquen, der Umbau des Hafens und eines der aufsehenerregendsten Parlamentsgebäude Europas. Dank Direktflügen ist Edinburgh ein perfektes Wochenendziel.
Diese Stadt ist eine wahre Naturbegabung. Vulkanismus und Eiszeiten ließen am Meeresarm des Firth of Forth eine dramatische Hügellandschaft zurück, die ohne die Metropole mittendrin gar nicht richtig zur Geltung käme. Eine Königsburg wie ein Adlerhorst aus dem 7. Jh. bildete den Grundstein, die Stadt legte sich später zu Füßen von Edinburgh Castle - heute noch ihr einziger Wolkenkratzer. Die dramatische Skyline der Altstadt im Sonnenuntergang oder durch Nebelschwaden zu sehen, am besten von einem der drei Stadthügel, ist eines der stimmungsvollsten Porträts einer Metropole in Europa.
Dass die etwas entlegene Schönheit am Rand von Hochmooren bereits seit 200 Jahren kein Geheimtipp mehr ist, verdanken Edinburgh und Schottland einem einzigen Mann. Der Autor Walter Scott nahm sich im 19. Jh. einer wenig ansehnlichen Haudegenhistorie an und verwob Legenden, blutige Schlachten zwischen Engländern und Schotten und tragische Liebesgeschichten aus den Highlands zu süffigen Historienromanen. Was aus der Scott'schen Feder floss, war vielleicht nicht allerfeinste Prosa, aber die Leser in Europa verschlangen es. Und reisten prompt nach Schottland, wie etwa der Schriftsteller Theodor Fontane, der Edinburgh wegen seiner neoklassizistischen Architektur als "Athen des Nordens" empfand. Schottlandtourismus ist also ohne Scott genauso wenig denkbar wie die Highlander-Filme aus Hollywood. Und der Kult um den kilt. Scott machte aus dem seit einer bösen Niederlage gegen die Engländer geächteten rockartigen Umhang der Highlander einen Modeartikel, als er den englischen König Georg IV. 1822 nach Edinburgh lud und in einen kilt steckte.
Edinburghs Begabung erschöpfte sich allerdings nicht in der tollen Lage, in Romanen und karierten Männerröcken. Der ultrastrenge Kirchenreformator John "Killjoy" Knox brachte den Calvinismus ins katholisch gesinnte Edinburgh und verschrieb der Nation 1560 das "Book of Disciplin". Edinburgh wurde zum Epizentrum eines schottischen Moralbebens, was aber die Kirche vom Königtum unabhängiger machte - anders als im weniger basisdemokratisch reformierten England. Edinburghs Protestantismus erschuf Institutionen wie unabhängige Kirche, Gerichte und Schulen.
Zu Beginn des 18. Jh. entschied sich das Schicksal Schottlands nachhaltig und bis heute nachwirkend. In Edinburgh hatte man sich stark genug gefühlt, mit den kolonisierenden Londonern gleichzuziehen und eine Besitzung im heutigen Panama zu eröffnen. New Caledonia geriet jedoch zum Desaster und machte Schottland zum Bankrotteur. Halb zog England die Schotten, halb sanken diese in die Arme Londons: der Act of Union von 1707 vereinigte die Länder unter Londons Führung. Doch die Eingliederung verschaffte Schottland zugleich die Möglichkeit, am Aufschwung des Königreichs teilzunehmen und seine Talente zu fördern. Der schottischen Aufklärung entsprangen wissenschaftliche und geistige Höhenflüge: 1726 eröffnete die erste medizinische Fakultät auf der Insel in Edinburgh, 1739 eine philosophische Gesellschaft. Adam Smith, der Vater der Volkswirtschaftslehre, kam aus Edinburgh - die Stadt wurde zeitweise zum geistigen Nabel Europas, wie Voltaire befand.
Gleichzeitig stank Edinburgh zum Himmel. Wohl 50 000 Menschen wohnten auf engstem Raum in zehn-, zwölfstöckigen Hochhäusern. Warf jemand im Pub seinen Becher an die Wand, blieb der dort im Dreck stecken. Jedoch entstanden in den Wirtshäusern auch die neuen Ideen. Klettern Sie heute zu einem Abendpicknick mit Westblick auf den Calton Hill, finden sie linker Hand die Skyline Edinburghs kaum verändert vor: im Hintergrund die Burg, von deren Höhe sich die dicht besetzte Old Town im mittelalterlichen Gewand bis zum königlichen Holyrood-Schloss herunterschwingt. Rechter Hand hingegen schiebt sich eine völlig anders gestaltete Innenstadt ins Bild - inzwischen auch schon 200 Jahre alt. Diese um 1800 im georgianischen Stil errichtete New Town ist das Nonplusultra damaliger Stadtplanung: uniform, präzise, großzügig. Das zweite Edinburgh war wegen der Überbevölkerung südlich eines Abwassersees, in dem auch Hexen ertränkt wurden, nötig geworden. Den trockengelegten See erkennen Sie heute als grüne Mitte Edinburghs. Diese Princes Street Gardens teilen Old und New Town, Mittelalter und Mondäne. Seit Walter Scott König Georg IV. in New Town empfing, hat sich Edinburgh wenig verändert. So ein grandioser Wurf reicht für Jahrhunderte.
Mit etwa 450 000 Einwohnern ist Edinburgh Schottlands zweitgrößte Stadt. Während das nur 50 Minuten entfernte Glasgow postindustriell und hemdsärmelig wirkt, treffen Sie in Edinburgh Regierungsbeamte im Anzug. Die Anwesenheit von erneut regierenden Schotten verdankt Edinburgh der Devolutionspolitik von Ex-Premier Tony Blair. Vier Fünftel aller Schotten entschieden sich 1997 für die angebotene Teilautonomie. 2004 zog die neugewählte schottische Regierung in das vom katalanischen Architekten Enric Miralles wunderbar in die Old Town eingefügte moderne Parlamentsgebäude, unweit vom barocken königlichen Palast.
Nun schien die Union mit England in Gefahr, weil der neue Premier, Alex Salmond, eine starke und auf Unabhängigkeit von London abzielende Politik gestaltete. Der Chef der überraschend zwei Wahlen gewinnenden Scottish National Party SNP trotzte London 2014 ein Unabhängigkeitsreferendum ab, in dem die Schotten bereits ab dem 16. Lebensjahr abstimmen durften. Der jahrelange Vorlauf des Votums politisierte alle Schotten ungemein, führte dennoch zu einem 55 zu 45 Votum gegen die völlige Unabhängigkeit. Vor allem über 60-Jährige stimmten mit no. Doch steht zu erwarten, dass sich das EU-freundliche Schottland besonders in den Feldern der Sozial- und Umweltpolitik völlig anders positionieren wird als das neoliberal denkende London.
Während Glasgow sich bereits aus seinem industriellen Niedergang herausgeboxt hat, will Edinburgh in den nächsten Jahren vorsichtig an einem zeitgemäßeren Profil basteln. Dabei müssen die Stadtplaner zwischen dem Willen nach Aufbruch und den Auflagen eines Weltkulturerbes lavieren. Denn Old und New Town tragen beide das begehrte Unesco-Siegel. Kein Wunder also bei diesen Gegebenheiten, dass die schottische Kapitale mit den zwei Herzen immer im Kulturfestivalmonat August am Rande des Infarkts steht. 2 Mio. Besucher lassen die Stadt dann aus ihren Nähten platzen. Im Edinburgh International Festival, aber auch im Fringe Festival und im Military Tattoo entlädt sich ein kreativer Drang zur Förderung des menschlichen Geistes, der die Edinburgher seit der Aufklärung nicht mehr ruhen lässt. Seit 1947 bestimmt das International Festival Edinburghs Hochsommer und hat inzwischen weltweit zahlreiche Nachahmer gefunden.
Die schottische Kapitale ist eine Stadt, die Sie ideal zu Fuß erobern können - wenn Sie auf Ihren Weg achten. Ständig geht es nämlich bergauf oder -ab, über grobes Pflaster und Treppenstufen; robuste Treter seien hier empfohlen. Während man in der abgezirkelten New Town auf Boulevards zu flanieren scheint, erinnert die Old Town fast an ein vertracktes Treppenbild des Künstler M. C. Escher. Trauen Sie sich bitte, die Einheimischen nach dem Weg zu fragen - es könnte ja eine Abkürzung über einen atmosphärischen-romantischen Friedhof geben. Im Gespräch eröffnet sich Ihnen auch gleich die schottische Mundart, weit entfernt vom nasalen Queen's Englisch, eher ein mühsam im Zaum gehaltenes vokalreiches Rollen: "Edinbarra" heißt der Ort. Man hört sich schnell ein in diesen sympathischen Dialekt, was übrigens nebenan in Glasgow viel schwieriger ist. Sollten Sie in ein Pub mit Musiksession geraten, kann es allerdings vorkommen, dass Sie rein gar nichts mehr verstehen, weil Sie auf gälischen Gesang gestoßen sind. Dann haben Sie Glück gehabt und sind in der schottischen Seele Edinburghs angekommen, irgendwo in den Katakomben der Haupstadt.
Diese Metropole, zugleich gotisch-grotesk und klassisch-mondän, hat eine Aura der Verwunschenheit wie sonst wohl keine andere. Gerade, wenn Sie etwa darüber nachdenken, wie Sie ihrem Zauber entkommen, schwellen Dudelsackklänge aus allen Gassen. Lassen Sie...
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