Schweitzer Fachinformationen
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Einen losen Haufen von Idealisten auf sinnvolle Weise zusammenzubringen, war Ende des Jahres 2000 die wichtigste und beste Entscheidung, die wir hätten treffen können. Die Idee war gut, es hatten sich die richtigen Leute zusammengefunden, der Zeitpunkt stimmte.
Damals konkretisierten wir die ersten Produkte. Einige habe ich schon im vorigen Kapitel erwähnt, zum Beispiel die DeCL und die Gamers League. Wir haben sie zu echten Produkten aufgebaut und daraus auch unser Kerngeschäft entwickelt, das die Turtle Entertainment GmbH über viele Jahre getragen hat: die bis heute älteste noch aktive Liga der Welt, die ESL.
Dabei ist diese Marke aus einem witzigen Misserfolg erwachsen. Die ESL sollte eigentlich nie ESL abgekürzt werden, sondern ESPL. Im Jahr 2001 erhielten wir aber ein Schreiben von einer Anwaltskanzlei aus Hamburg. Die Nachricht: Der amerikanische Sender ESPN23 verwehrte uns die Eintragung des Markennamens. Die Sache ist aus heutiger Sicht witzig, denn ESPN hat Jahre später Versuche unternommen, im E-Sport Fuß zu fassen. Dabei waren sie ja im Prinzip schon ein Jahrzehnt vorher auf die Marke gestoßen, die den E-Sport prägen würde, nämlich unsere. Solche Zufälle kann man nicht scripten. Ansonsten gab es damals nicht vieles, was ESL oder ähnlich hieß. Ich erinnere mich an eine Motorenreihe bei Volkswagen. Die kürzte sich auch ESL ab. Volkswagen hat diesbezüglich aber nie irgendwelche Probleme gemacht.
Mit Turtle Entertainment setzten wir auf zwei Geschäftsfelder. Das eine war der Auf- und Ausbau unserer Online-Liga, also der ESL. Das andere Produkt, das unsere Arbeit prägte, waren die CPL-Events. Darin steckten schon sehr früh die beiden Ansätze, die bis heute wichtig für den E-Sport sind, nämlich Online- und Offline-Turniere und -Ligen. Unsere Partner wiederum schätzten es, dass sie beide Aspekte bei uns fanden. Damals sah ich mich als Architekt dieses Konstrukts mit unseren beiden tragenden Säulen. Ich wollte das, was die ESL geboten hat, weiterentwickeln und so für Partner den kommerziellen Nutzen interessant machen.
Für uns als Company wiederum war wichtig, dass wir über das Jahr hinweg finanzielle Liquidität hatten. Hierfür waren verlässliche Partner erforderlich, ebenso wie kommunikative Leuchttürme, also insbesondere die CPL-Events. Partner wie Intel, die uns schon sehr früh verlässlich begleiteten, waren sowohl online als auch offline bei uns vertreten.
Aus dieser Zeit werde ich einige Momente immer in Erinnerung behalten und es wird nicht weiter überraschen, dass sich diese kleinen Geschichten rund um die ersten drei Events abspielen.
Nachdem wir von der Gamers Gathering unsere Lektion zum Thema Strom gelernt hatten und nun wussten, was eine Eventhalle so alles leisten kann, hatten wir für unser erstes Event in Köln einen doppelten Boden eingezogen. Wir hatten ein riesiges Notstromaggregat neben die Halle setzen lassen. Es gehörte zu den "Mietmöbeln". Dezember in Köln, Temperaturen um den Gefrierpunkt. An sich eine romantische Vorstellung, wenn man an Weihnachtsmärkte und Glühwein denkt. Es wird etwas unromantischer, wenn man in diesem Wetter, leichter Nieselregen, ein Notstromaggregat alle paar Stunden mit Diesel befüllen muss und das bei ohrenbetäubendem Lärm. Gemeinsam mit Björn stand ich da draußen, mit übergroßen Handschuhen und schweren Kanistern. Was tut man nicht alles, damit das Event in der Halle einwandfrei läuft und niemand "Wir wollen Strom" brüllt. Ich konnte den Dieselgeruch noch Tage nach dem Event an mir riechen, da nutzte auch mehrfaches Duschen nichts.
Wir hatten uns zwei bis drei solcher Events pro Jahr vorgenommen und für 2001 stand im Mai die CPL Europe Holland in Loosdrecht auf dem Programm. Dazu hatten wir einen großen Sportkomplex angemietet. Beim Aufbau stellten wir schnell fest, dass die Halle nicht komplett geeignet war und hier und da immer etwas nachzubessern sein würde. Das Budget für das Event war auch ziemlich ausgereizt und so entschied ich mich damals spontan, in einem Squash-Court zu schlafen. Isomatte, Schlafsack, Reisetasche in die Ecke und fertig war mein durchaus luftiges Hotelzimmer. Ich habe es mir mit zwei oder drei anderen geteilt, jeder hatte seine Ecke. Es war ungemütlich, aber irgendwie auch cool, von Donnerstag bis Sonntag so eng an allem dran zu sein und die komplette Atmosphäre mitnehmen zu können.
Logistisch muss man sich das so vorstellen: Wir hatten das komplette Equipment, das wir benötigten, mittlerweile fest in unserem Bestand. Vor allem die Turnierrechner und Monitore sowie alle Kabel und das gesamte Netzwerk. Und über einen guten Bekannten hatten wir Stromverteiler, mit denen wir von Starkstrom auf normale Steckdosen runterbrechen konnten. Wann immer also ein Event irgendwo in Europa für uns anstand, packten wir alles in einen gemieteten LKW und zwei aus dem Team fuhren dann eben los. Beim Beladen merkte man schnell, dass wir gute Tetris-Spieler waren. Diese Ladevorgänge waren auch immer ein Gemeinschaftserlebnis: Wir bildeten eine Kette vom LKW bis zur Eventlocation, so ging alles extrem schnell. Sobald der LKW an der Location in Sicht war, rief einer laut "CPL Kette" und jeder wusste, was zu tun war.
London war im August 2001 unser nächstes Ziel. Drei Szenen habe ich im Kopf, wenn ich daran zurückdenke. Im Counter-Strike-Turnier spielte SK mit einem deutschen Team und traf im Halbfinale auf das Team Ninjas in Pyjamas, NiP. Wir unterlagen dem späteren Sieger, in dessen Line-up die zwei Spieler Emil "HeatoN" Christensen und Tommy "Potti" Ingemarsson standen. Die beiden erledigten uns im Alleingang. Sie sollten im Januar 2003 dann zu uns wechseln und der Grundstein für das legendäre schwedische Roster sein, das SK an die Weltspitze katapultierte.
Beim Abbau und Beladen des LKWs bemerkten wir dann, dass uns ein recht großes Plasma-TV fehlte. Ein Monstrum, ziemlich schwer. Da hatte jemand also einen Fernseher einfach so vom Event mitgehen lassen. Er musste ziemlich dreist vorgegangen sein, denn so groß war die Eventhalle nicht. Es liefen überall Mitarbeiter von uns herum, aber schlussendlich fiel es niemandem auf.
Der Einlass zum Event, bei dem man sich registrieren musste, lief mit erheblicher Verzögerung ab, so dass unser Turnier viel zu spät startete. Natürlich hatten sich Spieler und Teams online registriert und die Eintrittsgelder bezahlt. Beim Einlass musste eigentlich nur die Liste abgeglichen werden. Das sollte recht einfach und schnell gehen. Eigentlich. Aber die Technik machte uns einen Strich durch die Rechnung. Nach unserer Rückkehr nach Köln setzten wir uns wie jedes Mal hin und besprachen alles, was geschehen war, um Abläufe zu optimieren und in Zukunft Fehler zu vermeiden. Ralf und ich saßen in dieser Runde nebeneinander, als wir das Thema Einlass besprachen. Und dann brach es aus Ralf heraus: "Ravage [so hieß der Mitarbeiter mit Nickname], wenn ich dir sage, du sollst die scheiß Liste ausdrucken, dann druckst du die verdammte Liste aus." So war es auch vor Ort. Beim Aufbau hatte Ralf klar gesagt, dass für den Einlass eine klassische Liste auf Papier als Backup vorliegen sollte. Ravage erwiderte, dass er das nicht brauche, schließlich habe man alles auf dem Rechner. Nun ja, bis eben dieser Rechner streikte und es keine Liste gab. Genau das wollte Ravage Ralf dann in der Besprechung erneut sagen, nämlich dass es kein Problem gegeben habe, doch er konnte seinen Satz nicht beenden. "RAUS!" brüllte Ralf, gefolgt von "DRUCK DAS NÄCHSTE MAL DIESE SCHEISS LISTE". Ich habe Ralf sehr selten wütend erlebt, die ganze Situation hätte auch eine Szene in einem Film sein können. Ravage war kaum draußen, da bekamen alle anderen einen unglaublichen Lachflash. Es war Comedy pur.
Über die Jahre folgten dann noch Events in Cannes, Oslo, Kopenhagen, Berlin und natürlich erneut Köln, bis wir das Projekt 2003 beendeten.
Anders als bei der ESL waren wir bei der CPL nur Lizenznehmer. Sie war ja ursprünglich nicht unser Baby, wir waren bei ihr immer abhängig von Angel Munoz und seinen Entscheidungen in Amerika. Im Grunde hätte man uns jederzeit die Lizenz entziehen und damit eines unserer Standbeine wegnehmen können. Nicht nur deshalb war es wichtig, dass wir parallel die ESL aufgebaut haben. Zumal es bei einer Lizenz passieren kann, dass man etwas für den Lizenzgeber aufbaut und dieser dann, um das Geld abzuschöpfen, jemand anderen, größeren an das Produkt setzt. Das drohte uns immer. Daher war unsere Motivationslage klar: Wir nutzten die CPL, um auch unsere eigene Marke, nämlich die ESL, aufzubauen und zu verstetigen. Das war der Antrieb, der uns nach vorne gebracht hat.
Mit der Zeit haben wir Produkte erschaffen, die die ESL zunehmend sichtbar machten. Das mit Sicherheit wichtigste war die ESL Pro Series, die EPS. Mit ihr wollten wir professionellen E-Sportlern, damals Pro-Gamer genannt, die Möglichkeit geben, sich auf höchstem nationalem Level zu messen. Begleitet wurde die EPS von besonderen Events, allen voran den Intel Friday Night Games (IFNG). Wir haben hier also mit einem Namenssponsoring gearbeitet, um unseren wichtigsten Partner noch besser zu platzieren. Das war für beide Seiten sinnvoll. Für uns, weil wir einen großen Partner zeigen konnten, für Intel, um in der Zielgruppe der Gamer sichtbarer und als echter Unterstützer wahrgenommen zu werden.
Wir hatten also unser eigenes Format ESL, die EPS und die IFNG, aber das war für mich noch nicht genug. Ich wollte ein Produkt entwickeln, das nicht nur in Deutschland, sondern...
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