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Die Komplexität der Veränderungen in der Automobilindustrie wird selten wirklich klar. Auch wenn viele verstanden haben, dass ein Wandel stattfinden wird, werden oft nur einzelne Dimensionen hervorgehoben. Der Wandel der Antriebstechnologie aus ökologischen Aspekten heraus hin zur Elektromobilität ist hier ein gutes Beispiel. Die Herausforderung, der sich die Branche stellen muss, ist jedoch nicht eindimensional, sondern es sind viele einzelne Herausforderungen gleichzeitig zu bewältigen. Und das gilt für die Automobilhersteller und Zulieferer genauso wie für Händler, Werkstätten und alle weiteren Beteiligten der automobilen Wertschöpfungskette. Welche verschiedenen Disruptionen gleichzeitig an den Grundpfeilern der Geschäftsmodelle rütteln, wollen wir im Folgenden betrachten.
Im Grunde genommen sind es drei wesentliche Veränderungen, die gleichzeitig und in Wechselwirkung zueinander mit voller Wucht zuschlagen: neue Antriebstechnologien, Digitalisierung und veränderte Mobilität.
Der Wandel vom Verbrennungsmotor ist die aktuell am meisten medienwirksame Veränderung in der Branche. Die neuesten Ankündigungen der Hersteller, in den nächsten Jahren eine Vielzahl neuer Elektroautos mit immer besseren Reichweiten und damit immer besserer Nutzbarkeit auf den Markt zu bringen, gehen dabei einher mit parallel steigender Akzeptanz auf Kundenseite. Und auch, wenn Elektromobilität noch kontrovers in der öffentlichen Meinung diskutiert wird, bereits jeder sechste in Deutschland neu zugelassene PKW in den letzten Monaten war ein Elektroauto (BEV: Battery Electric Vehicle) oder wenigstens ein Plug-In Hybrid (PHEV: Plug-In Hybrid Electric Vehicle).
Aber was bedeutet das für die Automobilindustrie? Der Auftrieb neuer Antriebstechnologien hat Schwung in die Branche gebracht. Tesla hat die Branche gehörig aufgemischt und die großen Automobilhersteller haben inzwischen alle erkannt, dass der technologische Wandel kommen wird. Inzwischen haben auch die meisten alteingesessenen Platzhirsche der Branche ihr Produktportfolio der kommenden Jahre daraufhin ausgerichtet. Schon heute verkauft Volkswagen in Deutschland mehr E-Autos als Tesla. Rechtliche Vorgaben, wie beispielsweise die geplanten Emissionsgrenzen der EU, die inzwischen bereits von einigen Ländern angekündigten Verbrenner-Verbote in den Jahren ab 2030 und die Umweltregularien in China haben ebenfalls einen guten Beitrag geleistet, den Wandel in Gang zu bringen.
Aber ist die Elektromobilität eine wirkliche Revolution? Ja, es wird neues Know-how benötigt. Ja, viele Mitarbeiter, insbesondere bei Zulieferern, werden ihren Arbeitsplatz verlieren. Und ja, Werkstätten müssen überlegen, was der geringere Servicebedarf für sie bedeutet. Auch Tankstellen werden sicher merken, dass die gewinnbringenden Verkaufsbereiche leer stehen, wenn immer weniger Menschen zum Tanken kommen. Aber an vielen Stellen bleiben die Geschäftsmodelle gleich: OEMs bauen Autos, Zulieferer liefern Komponenten, Händler verkaufen Autos und es gibt Ladesäulen, an denen gegen Geld neue Reichweite "getankt" werden kann.
Im Gegensatz zu den großen Disruptionen anderer Branchen und oft zitierten Beispielen wie Kodak oder Nokia haben die großen Automobil-Unternehmen zwar spät reagiert, aber inzwischen sehr gut verstanden, dass sich das Rad weiterdreht. Viele der bisherigen Prozesse und Strukturen müssen zwar angepasst werden, diese werden aber nicht komplett obsolet. Auch wenn dies trotzdem riesige Anstrengungen bei allen Unternehmen im Markt kostet, ist es trotzdem für viele zu schaffen, sich der Veränderung zu stellen.
Natürlich darf man dabei manche negativen Aspekte nicht vergessen. Insbesondere die deutschen Automobilhersteller haben in den letzten Jahrzehnten ihre Kernkompetenz auf die besten und leistungsstärksten Verbrennungsmotoren konzentriert und auch viele Zulieferer von Einspritzsystemen, Motorkomponenten und auch Getrieben hängen nach wie vor stark vom Verbrennungsmotor ab. Mit Blick auf die mit der Elektromobilität neu gemischten Karten sind daher nicht nur Marktanteile bedroht, sondern auch eine Vielzahl an Arbeitsplätzen. Aber die Unternehmen stellen sich dieser Herausforderung und richten ihr Produktportfolio neu aus, sei es einerseits durch Zukäufe (wie bspw. den Merger der Unternehmen ZF und TRW) oder die Ausweitung des Portfolios auf Zukunftstechnologien (wie bspw. Batteriezellen).
Dass der heutige Stand der Technik noch nicht der Endpunkt der Evolution der Elektromobilität ist, ist allen Beteiligten klar. Ob neue Batterietechnologien, Brennstoffzellen als mögliche Energieträger oder auch Wechselsysteme für einen Tausch der Batterie anstelle des Nachladens; der Forschungs- und Innovationsbedarf bleibt weiterhin hoch. Nicht jeder wird sich leisten können, dort mitzuspielen und eine Konsolidierung am Markt (sowohl bei Herstellern als auch Zulieferern) wird die neue, vereinfachte Technik dementsprechend sicherlich mit sich bringen. Der Trugschluss, dem viele bei der medialen Diskussion aufsitzen, ist, dass es bei der seit Jahren immer wieder gestellten Frage um die Rolle von Tesla als Innovator im globalen Wettbewerb nur um den Elektroantrieb geht. Das "Problem" der Marktbegleiter mit Tesla ist eher ein ganz anderes. Was macht der kalifornische Autobauer anders?
Im 20. Jahrhundert war das Automobil im Wesentlichen eine Spielwiese für Maschinenbauingenieure. Der Verbrennungsmotor war der Kern, die Karosserie das Kleid. Auch beim Fahrwerk, der Bremse und der Lenkung bestimmte die Mechanik den Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Herstellern.
Seit mehreren Jahrzehnten wird nun die Elektronik und damit auch die darin steckende Software immer wichtiger. Dass der deutsche Ausbildungsberuf inzwischen nicht mehr "Kfz-Mechaniker", sondern "Kfz-Mechatroniker" heißt, ist hierfür ein untrüglicher Beweis. Hier spielt die nächste - die wirkliche - Disruption der Automobilindustrie mit: Tesla machte die Software plötzlich zum Kern des Autos. Das Auto wurde ein IT-Produkt und nicht mehr nur ein Mechanik-Baukasten mit vereinzelten Steuergeräten.
Dabei geht es keineswegs darum, dass einzelne neue Funktionen ergänzt werden, wie Navigation, Online Services, Fahrassistenten oder ähnliches. Es ist vielmehr der komplette Entwicklungsprozess und das Mindset dahinter, das sich ändert und viel weitreichendere Veränderungen in der Folge nach sich ziehen wird, als das beispielsweise für Elektromobilität an sich gilt.
Der wesentliche Unterschied besteht im Blickwinkel auf das Produkt "Auto". Für die Automobilindustrie war das Auto bislang in erster Linie "Hardware", ein komplexes System aus mechanischen und elektrischen Komponenten, die im arrangierten Zusammenspiel eine tadellos funktionierende Fahrmaschine ergaben. Diese wurde im optimalen Wertschöpfungsprozess arbeitsteilig produziert und als fertiges Produkt verkauft.
Betrachtet man das Auto alternativ aus der Perspektive der Software, dann wird es eine Art fahrendes Smartphone und die Unterschiede werden schnell deutlich: Genau wie Apple den Handymarkt vor inzwischen 15 Jahren zerbersten ließ, so kann sich auch hier in den nächsten Jahren eine echte Revolution ankündigen. Mit der Idee einer Softwareplattform von Millionen Anwendern und unzähligen Anbietern, die ein in sich geschlossenes Set aus Hard- und Software über sein Betriebssystem und seine Basisfunktionen (Telefonieren, SMS) hinaus, erst nach und nach zu immer wieder neuen Lösungen und immer mehr Nutzen für die Kunden wachsen ließ, hat das iPhone die perfekte Blaupause geschaffen. Was, wenn wir uns genau so etwas für Mobilität vorstellen? Das Auto beherrscht seine Basisfunktion und fährt perfekt und sicher. Das ist die Grundlage.
Sein Betriebssystem kann aber erweitert werden und über eine riesige Plattform immer neuen und immer mehr Nutzen schaffen, der eben nicht schon beim Projektstart der Fahrzeugentwicklung vorgedacht werden musste - mehrere Jahre vor dem Start der Produktion. Es wird spannend zu sehen, welche Geschäftsmodelle und Nutzenpotenziale sich dadurch entwickeln werden.
Fakt ist jedenfalls, dass Tesla mit der neuen Denkweise, wie ein Auto entwickelt und aktualisiert wird, das komplette bisherige Geschäftsmodell der Automobilhersteller (OEMs) in Frage stellt. Der Jahrzehnte lang funktionierende Weg, ein produziertes Auto einmalig zu verkaufen und sich danach bereits mit der Entwicklung der nächsten Generation zu beschäftigen, wird so nicht mehr funktionieren. Aus den langlebigen Entwicklungszyklen über mehrere Jahre werden kurzfristige, softwaregetriebene Iterationen werden, die ein Auto über seine komplette Lebenszeit begleiten.
Der Grat, auf dem sich die Hersteller hier zukünftig bewegen, ist ein schmaler. Ein Auto kann nicht einfach halbfertig auf den Markt gebracht und dann erst im Betrieb voll funktionsfähig entwickelt werden. Tesla versucht dies zwar vereinzelt - bspw. mit Blick auf den sog. "Autopilot", der autonomes Fahren verspricht. Im...
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