Schweitzer Fachinformationen
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In einem Waldstück werden die sterblichen Überreste eines Mädchens gefunden, und alle Hinweise deuten darauf hin, dass es sich dabei um die Leiche von Emma handelt, die vor elf Jahren spurlos verschwand. DI Michael Gardner, der sich nie verziehen hat, dass er Emma damals nicht finden konnte, wird nun zu den Ermittlungen hinzugezogen. Er und DS Nicola Freeman stoßen auf ein Netz aus Lügen und Halbwahrheiten - und müssen schnell feststellen, dass in diesem Fall nichts so ist, wie es scheint ...
Lucas stand an der Straßenecke und beobachtete das Haus. Er hatte befürchtet, dass Reporter sich hier herumtreiben könnten, es war aber kein Mensch zu sehen. Vielleicht waren sie auch einfach wieder abgehauen. Konnte man ihnen echt nicht verübeln, bei dieser Kälte. Niemand zu sehen außer einem alten Muttchen, das seinen Hund ausführte, der genauso senil aussah wie sie. Hatte sich nicht viel verändert in den letzten elf Jahren, schon gar nicht zum Besseren. Wer damals kein Geld hatte, hatte jetzt wahrscheinlich noch weniger. Die Gegend war nur noch weiter heruntergekommen. Abgewrackte Rostlauben standen auf Ziegelsteine aufgebockt, und in den Vorgärten türmte sich irgendwelcher alter Schrott. Die Häuser waren das reinste Flickwerk, nichts passte zusammen. Rauputz und Waschbeton, billig und hässlich. Dafür war es ruhig, fast wie ausgestorben. Zu seiner Zeit, als er dauernd hier gewesen war, um ein Auge auf Emma zu haben, hatten sich die kleinen Rotznasen alle noch draußen herumgetrieben. Ihn wegen Stoff angehauen oder gebettelt, dass er ihnen Alk im Eckladen besorgte. Nervig. Jetzt hingen wahrscheinlich alle bloß noch zu Hause rum.
Genau hier an dieser Stelle hatte er gestanden und darauf gewartet, dass sie endlich rauskam. Er wusste, dass sie da war, denn manchmal hatte er sie oben am Fenster gesehen, hatte gesehen, wie sie zu ihm rausschaute und wusste, dass er sie beobachtete. Und zu wissen, dass sie es wusste, hatte ihm ein gutes Gefühl gegeben, ein verdammt gutes Gefühl.
Er hatte lange überlegt, ob es schlau war, sich nach all den Jahren ausgerechnet jetzt hier blicken zu lassen. Aber er musste wissen, ob ihr Vater ihn erkennen würde. Ob er von dem Alten etwas zu befürchten hätte, wenn die Bullen bei ihm aufkreuzten. Begegnet waren sie sich zwar nie, aber so oft wie er hier vor dem Haus herumgestanden hatte, war es durchaus möglich, dass der Alte sich an sein Gesicht erinnerte.
Lucas taxierte das Haus. Alles wie damals. Ob es drinnen auch noch genauso aussah? Ob Emmas Zimmer noch so aussah, wie er es kannte, alles unverändert? Eigentlich war er nur zweimal oben in ihrem Zimmer gewesen - einmal, als ihr Dad nicht zu Hause war, und einmal, als beide nicht da waren. Er war rauf in ihr Zimmer gegangen, hatte sich auf ihr Bett gelegt und getan, was ein Mann im Bett seiner kleinen Teenie-Braut halt so tut. Er hätte wirklich gern ihr Gesicht gesehen, hätte zu gern gewusst, wie sie sich gefühlt hatte, als sie sein kleines Souvenir fand.
Die Frau mit dem Hund schlurfte an ihm vorbei und überquerte die Straße. Endlich. Eigentlich war er heute aus zwei Gründen gekommen: zum einen, weil er wissen wollte, ob Thorley ihn noch erkannte, vor allem aber, weil er ins Haus wollte, ihre Sachen sehen wollte, sie sehen musste.
Er rückte seine Krawatte zurecht und überlegte kurz, ob er sie abnehmen sollte. Emmas Dad würde kaum damit rechnen, dass seine Tochter einen so seriösen Freund gehabt hatte, oder? Sie war ein kleiner Junkie gewesen, eine Ausreißerin. Aber egal, jetzt hatte er schon geklopft. Er wippte mit dem Fuß, während er wartete; schließlich sah er durch das Türglas die verschwommenen Umrisse einer Gestalt durch den düsteren Flur kommen. Lucas atmete tief durch und setzte sein bestes Sonntagsgesicht auf, als die Tür aufging.
Ein alter Mann in einer schäbigen braunen Polyesterhose und beigefarbener Strickjacke stand leicht gebeugt vor ihm. Lucas wusste nicht, was er erwartet hatte, aber das nicht. Keinen rotgesichtigen Rentner, dem noch die Essensreste von letzter Woche auf dem Hemd klebten.
Ray Thorley blickte erwartungsvoll zu ihm auf. Dachte er etwa, Lucas wäre von der Polizei?
»Mr Thorley?«
»Ja. Geht es um Emma? Gibt es Neuigkeiten?«
Lucas lächelte den Alten an und machte einen Schritt auf ihn zu. »Dürfte ich hereinkommen?«
Ray trat beiseite und winkte Lucas ins Haus. »Haben Sie etwas gehört?«, fragte er, als er die Tür hinter ihm schloss.
Lucas ging durch ins Wohnzimmer und warf einen kurzen Blick auf die vielen Fotos seiner kleinen Fickfreundin, die überall herumstanden. »Darf ich mich setzen?«, fragte er, während er genau das tat. Ray blieb stehen und schien darauf zu warten, dass sein Besucher etwas sagte. »Mr Thorley, ich möchte Ihnen mein Beileid aussprechen .«
Worauf der Alte mit einem Geräusch, als würden alle Lebensgeister ihn verlassen, in seinen Sessel sackte. »Dann ist sie es also«, flüsterte er.
Hitze durchströmte Lucas. Die Polizei war sich demnach nicht sicher, ob es sich wirklich um Emma handelte. War das jetzt gut für ihn oder nicht? In den Nachrichten hatten sie noch keine Bestätigung gebracht, aber Lucas hatte angenommen, die Bullen würden Informationen zurückhalten, weil sie sich nicht in die Karten schauen lassen wollten. Aber vielleicht hatten sie echt keinen Schimmer. Vielleicht würden sie doch nicht bei ihm auf der Matte stehen und blöde Fragen stellen.
Lucas schaute Ray Thorley an, der auf irgendeine Antwort zu warten schien. »Ich fürchte, hier liegt ein Missverständnis vor. Emma und ich waren befreundet. Ist lange her. Aber ich war fassungslos, als ich davon hörte.«
Ray zeigte mit zittriger Hand auf Lucas. »Sie sind gar nicht von der Polizei?«
»Nein«, erwiderte Lucas. »Erinnern Sie sich nicht mehr an mich?«
»Tut mir leid, mein Junge, nein.« Ray musterte Lucas' Gesicht und schüttelte dann den Kopf. »Nein, wirklich nicht.«
Lucas musste sich ein Grinsen verkneifen. »Ich war ein Freund von Emma, aus der Schule.«
»Ah ja«, sagte Ray. »Natürlich.«
Lucas lehnte sich vor. »Noch einmal mein aufrichtiges Beileid, Mr Thorley.« Er stand auf. »Hätten Sie was dagegen, wenn ich kurz Ihre Toilette benutze?«
Ray schüttelte wieder den Kopf und deutete zur Treppe. Lucas nickte, schloss die Wohnzimmertür hinter sich und sprintete nach oben. Sofort fiel sein Blick auf dieses blöde Schild an ihrer Zimmertür.
HIER WOHNT EMMA - ZUTRITT VERBOTEN!
Hing das immer noch da, so ein trashiges Souvenirding aus irgendeinem bekackten Küstenkaff, Whitley Bay oder Scarborough. Damals war es ihm auch gleich aufgefallen; ihr war es peinlich gewesen. Eine Ecke, an der sie versucht hatte, es abzuziehen, wellte sich lose nach oben. Lucas stieß die Tür auf und ging rein. Nichts hatte sich verändert, außer dass es ein bisschen muffig roch, abgestanden. Wie der Karton mit Weihnachtskugeln, wenn man ihn vom Speicher holte. Der Geruch von billigem Deospray war längst verflogen.
Lucas setzte sich aufs Bett. Er musste daran denken, wie er sie berührt hatte. Wie sie vor ihm zurückgewichen war, weil sie Angst hatte, ihr Dad könnte früher nach Hause kommen und sie hören. Von wegen böses Mädchen - sie wär gern eins gewesen, hatte es aber nie richtig durchgezogen.
Sein Blick fiel auf das Brett am Kopfende, noch immer vollgeklebt mit Stickern von den Spice Girls und Take That. Ein paar Aufkleber hatte sie versucht abzuziehen, weil ihr Musikgeschmack sich geändert hatte. Oder weil er sich darüber lustig gemacht hatte. Er sah sie noch vor sich, wie sie dasaß, ans Kopfende gelehnt, und sich fragte, ob es vielleicht ein Fehler gewesen war zu sagen, sie hätte das alles so satt und wollte nur noch weg.
Lucas stand auf und ging zum Fenster. Es hatte wieder angefangen zu regnen, kalter Schneeregen, der über die Straße trieb. Auf dem Fensterbrett stand eine bunte Pappschachtel. Er machte sie auf, kramte in billigem Schmuck und Münzgeld, bis er die Kette mit dem silbernen Anhänger fand, die er ihr geschenkt hatte. Die Kette, die sie nicht hatte tragen wollen. Er schlang sie sich um die Finger, spürte das Metall kalt auf seiner Haut und ließ sie in seiner Hosentasche verschwinden.
Im Wohnzimmer rührte sich etwas, der Alte schien aufzustehen. Schnell klappte Lucas den Deckel zu, schlüpfte aus dem Zimmer und ging wieder nach unten zu Emmas Vater, der nun vor dem Kamin stand und ein Foto in der Hand hielt, das die Familie im Urlaub zeigte. Dass Lucas zurückgekehrt war, schien er gar nicht zu merken.
Lucas räusperte sich. »Tut mir leid, dass ich einfach so hereingeschneit bin«, sagte er, als Ray sich umdrehte. »Ich wollte Sie nicht aufregen.«
Ray schüttelte den Kopf. »All die Jahre . Und dabei habe ich nie geglaubt, dass sie tot sein könnte. Das hätte ich gewusst, dachte ich immer. Ich hätte es gespürt, hier«, sagte er und hob seine zittrige Hand ans Herz. Dann schweifte er wieder ab und schaute auf die Uhr über dem Kamin. Lucas schaute ebenfalls auf die Uhr, die aber entweder völlig falsch ging oder längst stehen geblieben war. Er überlegte, wie lange er sich das Gequatsche anhören sollte, ehe er sich vom Acker machen konnte. »Selbst nachdem er nicht gekommen war, dachte ich, dass sie vielleicht .«
»Er?« Lucas horchte auf. Hatte Emma einen anderen gehabt?
Ray hatte den Faden verloren und runzelte die Stirn.
»Sie meinten eben, nachdem er nicht gekommen war«, half Lucas ihm auf die Sprünge. Oh Mann, bestimmt war der Alte auch schon senil.
Ray nickte langsam und zeigte mit unsicherer Hand auf Lucas. »Ja, ja. Der Mann, der früher schon mal hier war. Er kam her, um mir zu sagen, dass es Emma gut gehe. Er hat ihr geholfen.«
»Wer?«, fragte Lucas.
»Er kam vorbei und sagte, es geht ihr gut und sie kann bald wieder nach Hause kommen. Ein netter junger Mann, sehr freundlich. Ich brauche mir keine Sorgen zu machen, hat er gemeint. Ich dachte, es wäre so wie beim ersten Mal, aber dann hat er mir einen Brief von...
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