Schweitzer Fachinformationen
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»Bist du schon aufgeregt?«, fragt mich Mrs. Dunhill, meine Betreuerin und eine der heutigen Aufsichten. Erwartungsvoll sieht sie mich über den Rückspiegel an.
»Wegen eines Ausflugs in eine Geisterstadt? Wohl kaum.« Unbeeindruckt fahre ich weiter mit dem Finger die Naht des Autositzes vor mir nach.
»Ich bin mir sicher, es wird dir gefallen.«
»Klar .«
»Ach Finya.« Seufzend biegt sie an einer Abzweigung nach links. »Sei nicht immer so resigniert. Du kannst mir glauben, dieser Ort ist wirklich etwas Besonderes.«
»Bin ich gar nicht. Es wird bestimmt toll«, sage ich einfach und zeige mein einstudiertes Lächeln, um sie zufriedenzustellen.
Einen Augenblick lang mustert sie mich kritisch und ich mache mich schon darauf gefasst, die ganze Fahrt lang, über mich und mein Leben philosophieren zu müssen, dann schüttelt sie aber den Kopf und konzentriert sich wieder aufs Fahren. Mir bleibt zum Glück eine endlose Diskussion erspart. In die artet es nämlich meistens aus. Zum Teil liegt das an ihrem angeborenen Helfersyndrom und daran, dass sie für mich verantwortlich ist, aber hauptsächlich wohl eher an mir und meiner zurückhaltenden Art. Sie bezeichnet mich gern als Eigenbrötlerin, weil sie selbst ein so aufgeschlossener Mensch ist und nicht verstehen kann, warum ich mich lieber mit mir selbst und meinen Gedanken beschäftige als mit anderen Menschen. Natürlich könnte ich ihr deutlich sagen, an was es liegt, doch warum sollte ich? An meiner Situation würde es nichts ändern, genauso wenig wie darüber zu schwärmen, was mir gefällt, oder eben die Diskussionen mit ihr. Am Ende läuft sowieso immer alles auf dasselbe hinaus und es bleibt, wie es ist. Also lasse ich es einfach. Außerdem hat mir jeder, den ich kenne, genug Gründe gegeben, um niemanden mehr an mich heranzulassen, auch Mrs. Dunhill. Deshalb muss sie auch nicht wissen, dass ich mich, seit unser Ausflugsziel feststeht, auf den heutigen Tag freue. Ich mag verlassene Orte, die ihre eigenen Geschichten erzählen und schaurig-schöne Erinnerungen bergen, so wie Lost Simerty - die uralte Schule, zu der wir unterwegs sind. Sie wurde vor ewigen Zeiten geschlossen.
Selbstverständlich habe ich versucht, mich über unser Ziel zu informieren, aber mehr, als dass es sich um einen Lost Place handelt und zahlreiche Besucher jedes Jahr dorthin kommen, habe ich im Internet nicht gefunden. Für mich macht es das gleich noch interessanter. Innerlich bete ich deswegen, dass wir diesmal einfach allein auf Entdeckungstour gehen dürfen und das Ganze nicht wieder so ein Gemeinschaftsding wird. Denn, wenn wir alle zusammen gehen müssen, wird das nur wieder ein Horrortrip. Die anderen aus meinem Heim interessieren sich nämlich nicht für unsere Ausflüge und kommen nur mit, weil sie müssen.
Als ich wieder aus dem Fenster blicke, erkenne ich nur noch Felder. Wir sind irgendwo im Nirwana. Ich drehe mich um, weil ich nach dem Bus mit dem Rest unserer Gruppe Ausschau halten will, sehe ihn aber nirgends.
Vielleicht haben sie eine Panne und sind irgendwo stehen geblieben? Das wäre perfekt, so könnte ich wirklich allein losziehen.
Eine tolle Vorstellung, allerdings eher unwahrscheinlich, denn ich glaube nicht daran, heute noch mehr Glück zu haben als bisher. Es war ja schon ein kleines Wunder, dass der Bus nicht genügend Sitzplätze hatte, weswegen ich allein mit Mrs. Dunhill fahren darf. Normalerweise müsste ich mir sonst bestimmt schon den hundertsten, dummen Kommentar anhören. Also sollte ich mir lieber nicht zu viele Hoffnungen machen und stattdessen froh darüber sein, zumindest während der Anreise noch meine Ruhe zu haben. Die meiste Zeit habe ich die zwar auch so, aber an diesen Ausflugstagen alle zwei Monate, drehen die anderen irgendwie besonders durch. Sie brauchen dann immer ein Opfer, welches leider jedes Mal ich bin. Das war nie anders, obwohl ich anfangs noch versucht habe, mit ihnen auszukommen, und wie Dunhill es genannt hat: »Anschluss zu finden«. Allerdings habe ich aufgegeben, nachdem ich gemerkt habe, es hat keinen Sinn.
Sie haben mich nie akzeptiert, werden es nie tun und irgendwann hatte ich auch keine Lust mehr, um ihre Aufmerksamkeit zu buhlen. Ein weiterer Grund, warum ich mich abgeschottet habe und lieber für mich selbst lebe. Ich weiß, es stichelt sie wahrscheinlich nur noch mehr an, doch für sie bin ich sowieso schon immer die Komische oder die Merkwürdige. Die ganzen Zwischenfälle und eigentlich alles, was in meinem Leben sonst noch so passiert, spielen ihnen nur zusätzlich in die Karten. Ich bin also die geborene Außenseiterin. Mit der Zeit gewöhnt man sich an die Kommentare, Blicke und daran, einfach nicht mehr beachtet zu werden. Letzteres ist mir ehrlich gesagt ganz recht und den Rest nehme ich eben hin. Etwas anderes kann ich sowieso nicht tun.
Wir biegen in ein Waldstück ab und landen auf einer weiteren Straße. Okay, es ist nicht wirklich eine richtige Straße, sondern nur ein schmaler Weg aus Schotter und Matsch. Der Wagen ruckelt, während die Bäume an uns vorbeiziehen und irgendwann erreichen wir einen Parkplatz. Mrs. Dunhill parkt in einer der vorgesehenen Buchten und steigt aus, dann öffnet sie meine Tür. Für was sie die Kindersicherung immer aktiviert, werde ich nie verstehen.
Ich klettere aus dem Auto und werfe mir meinen Rucksack über die Schulter. Er ist mein Heiligtum, denn ich verwahre darin sozusagen mein Leben.
»Die anderen warten am Eingang«, erklärt sie mir und ich folge ihr stumm über den Kiesplatz zu ihnen. Sie haben ihre Tickets bereits bekommen. Lulu, eines der Mädchen, flüstert ihren Freunden etwas zu, als ich ankomme, und daraufhin fangen alle an zu kichern. Lächerlich. Ich ignoriere es und stelle mich mit ein wenig Abstand neben sie.
»Das Gelände ist groß, weswegen wir beschlossen haben, euch die Zeit zu geben, es selbst zu erkunden«, beginnt Mrs. Dunhill.
Mein Magen kribbelt und ich unterdrücke ein Lächeln. Innerlich freue ich mich wie ein kleines Kind über ihre Worte. Heute ist anscheinend mein Glückstag!
»Hat jeder eine Uhr dabei? Wir treffen uns um zwölf wieder hier, dann gehen wir zusammen Mittagessen und fahren weiter in das verlassene Dorf. Es gehört ebenfalls zu dieser Schule. Bitte, haltet euch an die Regeln hier. Vor allem du, Jeremy«, mahnt Mrs. Dunhill noch Lulus Freund, der immer nur Mist im Kopf hat und am liebsten macht, was er nicht darf. Vermutlich denkt er, das wäre lustig, aber das ist es nicht. Es ist dumm und kindisch.
Jeder bekommt noch einen Flyer und ich meine Eintrittskarte, dann dürfen wir uns aufteilen. Kurz warte ich ab, wohin die anderen laufen, damit ich in die entgegengesetzte Richtung gehen kann. Hauptsache, ich treffe sie nirgends an. Wie ich nicht anders vermutet habe, lassen sie sich erstmal etwas abseits in der Sonne nieder. Unsere Aufsicht verschwindet in ein Café direkt am Eingang.
Ich gebe dem Mann in dem kleinen Holzhäuschen meine Eintrittskarte. Er reißt sie ein und wünscht mir viel Spaß. Ich nicke, bedanke mich und laufe daraufhin durch das große Tor, dessen eiserne Flügel weit offenstehen. Beeindruckt stoppe ich und starre einfach nur auf das riesige Gebäude vor mir. Es sieht aus wie ein Schloss und nicht wie eine Schule.
Grau-weiße Backsteinziegel bilden die hohen Mauern. An manchen Flächen rankt Wein und Efeu. Die dunkelroten Fensterläden sind zwar von der Sonne etwas ausgeblichen, dadurch verleihen sie den großen Fenstern jedoch einen märchenhaften Ausdruck. Zwei Türme ragen gen Himmel, die aussehen als würden sie die Wolken berühren. Ich komme aus dem Staunen kaum mehr heraus. Noch nie zuvor habe ich so etwas Gigantisches gesehen. Vor Aufregung, was ich hier in den nächsten Stunden alles entdecken werde, kribbelt augenblicklich mein Magen aufgeregt. Neugierig schweift mein Blick weiter über das Gelände. In der Mitte des Vorplatzes steht ein großer Brunnen, der Wasser in Fontänen nach oben schießt. Das Becken fängt jeden Tropfen auf und gibt dabei sanfte, plätschernde Geräusche von sich. Einen Moment lasse ich das Schauspiel auf mich wirken. Es hört sich so angenehm an.
Ich liebe einfach die Geräusche, die Wasser von sich geben kann. Regen, der gegen Fensterscheiben prasselt, das laute Rauschen von Wasserfällen und diese leisen Töne des Brunnens gerade.
Nach ein paar Minuten laufe ich weiter, über den teilweise mit Efeu bedeckten Boden und steige die zahlreichen Treppenstufen zum Eingang der alten Schule hinauf. Eine der dunklen Holztüren, die mindestens zwei Meter hoch sind, steht offen. Vorsichtig trete ich ein und staune nicht schlecht, als ich mich in einem unendlich lang wirkenden Gang mit offenen Fenstern wiederfinde. Das hier war keine Schule . Es war ein Palast! Wow .
Ausgebrannte Fackeln zieren die steingrauen Wände, an denen zahlreiche Kunstwerke hängen, die schon mindestens hundert Jahre alt sein müssen. Sie sind leicht gewellt oder zerfleddert, was der Kunst keinen Schaden antut. Der Künstler, der sie gezeichnet hat, ist leider nirgends vermerkt, was schade ist, denn er hat wirklich Talent. Die Bilder sind wunderschön. Meine Fingerspitzen kribbeln. Ich würde gern über die verblassten Ölfarben streichen, weil die Landschaften so detailreich eingefangen wurden, traue mich aber nicht. Ich will nichts kaputt machen. Deshalb gebe ich meinem Drang, sie anzufassen, nicht nach und schaue mir stattdessen die anderen auch noch an. Hauptsächlich sind es Landschaften. Ich schätze, es sind erfundene Orte, da sie alle etwas verzaubert wirken. Als ich das letzte betrachte, das eine in Blumen eingebettete Grotte zeigt, mache ich mir eine geistige Notiz, beim Zeichnen vielleicht...
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