Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
3
Zwei Monate vor dem Blutbad in der Bar
In einer kalten Februarnacht piepte auf Mustafa Ârifs breitem Schreibtisch in seinem Büro in dem ruhigen Gebäude am Stadtrand die Sprechanlage.
»Mustafa Pascha?«
»Bitte.«
»Eine Ankunft, mein Herr, Gate 2.«
»Danke.«
Er nahm den Telefonhörer und wartete zwei Sekunden, bevor er hineinsprach: »Bringen Sie den Gast sofort zum Pascha! Holen Sie die Akten, die wir vorbereitet haben, und kommen Sie dann schnell wieder zu seinem Büro!«
Er legte seine Hand auf einen Knopf oben links auf dem Telefon, wartete vier Sekunden und sagte dann: »Ihr Gast ist da, Pascha. . Ja, Pascha. . Schon geschehen, Pascha. Ich habe die Leute am Tor alarmiert. . Genau zwei Minuten, mein Herr. . Bitte sehr, mein Herr, bitte sehr.«
Er legte den Hörer auf und griff sich eilig das Jackett von der Rückenlehne des dicken Ledersessels, über dem eine alte Porträtaufnahme hing. Dann schaltete er sein Handy aus, zog seine lose Krawatte fest und sprang in das kleine Bad, das dem Büro angeschlossen war. Dort vergewisserte er sich, dass sein Haar noch anlag, strich mit der Hand darüber, überprüfte seine Augenbrauen, tätschelte sich den Bauch und gab sich alle Mühe, ihn so weit wie möglich in seine Hose zu stopfen. Anschliessend trat er auf den Korridor hinaus, wo ein junger Mann mit rasiertem Schädel aufsprang und die Hand an die Mütze legte. Er ging ein paar Schritte über den von gedämpft beleuchteten weissen Wänden flankierten roten Teppich. Jedes Mal, wenn er an einer Tür vorbeikam, sprang der Mann, der dort sass, auf und salutierte. Schlaff erwiderte Mustafa den Gruss. Schliesslich blieb er vor einer Tür am Ende des Korridors stehen, machte dem Burschen, der wie ein Springteufel vor ihm emporgeschnellt war, ein Zeichen und sagte: »Komm nur rein, wenn wir dich rufen! Lauf jetzt, und mach Tee, mittelstark gesüssten Kaffee und etwas Kaltes! Wir wollen später nicht warten, bis du fertig bist. Los!«
»Wie Sie wünschen, Eure Exzellenz.«
Der junge Mann rannte in die Teeküche neben dem Büro. Mustafa sah auf die Uhr, es war Viertel nach elf.
Nach ein paar Augenblicken öffnete sich eine Tür auf der anderen Seite des Korridors. Ein Kollege tauchte darin auf und winkte jemanden hinter sich heran. Kurz darauf erschien Âdil Nassâr.
Dieser Mann bewegte sich vorwärts, als würde er rollen, sein Oberkörper regte sich kaum. Obwohl schon über sechzig, war seine Statur noch immer breit und athletisch. Er war hochgewachsen, und sein Kopf, obenauf so kahl wie ein Riesenkürbis, war mit braunen Altersflecken übersät. Der dichte Haarkranz war genau wie sein Schnurrbart sorgfältig gefärbt, die Nase scharf, und am Kinn befand sich ein tiefes Grübchen, als hätte ihn dort jemand mit einem Schraubenzieher gestochen.
Kaum war der Gast aufgetaucht, flitzte Mustafa los, um von ihm gesehen zu werden und ihn überschwänglich zu begrüssen. Er hatte es so eilig, dass er nur vier Schritte für den langen Korridor brauchte.
»Willkommen, mein Herr«, rief er, »das Amt fühlt sich geehrt.«
Ohne stehen zu bleiben, griff Âdil Nassâr nach Mustafas zittriger Hand und erwiderte, während er neben ihm herging: »Guten Abend, Mustafa, wie geht es Ihnen?« Auf seine Stimme hätte selbst ein Youssef Wahbi7 neidisch werden können.
»Alles gut, jetzt, da Sie bei uns sind, mein Herr.«
»Ist Safwân drinnen?«
»Er wartet schon auf Sie, Exzellenz. Es ist wirklich eine grosse Ehre, mein Herr.«
Âdil beachtete ihn nicht weiter, und so tat Mustafa einen demonstrativen Schritt nach vorn, um ihm die Tür aufzuhalten und drinnen zu signalisieren, dass der Gast da sei.
»Bitte sehr, mein Herr«, sagte er dann.
Der Raum war sehr gross und vollgestopft mit Möbeln. Hinter einem grünen Paravent stand ein breiter, mächtiger Schreibtisch und davor ein dunkles Bücherregal, beladen mit altägyptischen Statuetten, goldenen Pokalen und Medaillen, mit Aufnahmen, auf denen der Gastgeber Hände schüttelte oder Auszeichnungen und Orden entgegennahm, mit einem gerahmten Koranvers, einem Foto von zwei Kindern, einem anderen, offenbar alten von einem muskulösen jungen Mann im Kreise seiner Kommilitonen vor Sanddünen, einem weiteren von einem Kadetten an der Militärakademie, mit einem japanischen Samuraischwert und einer Vase mit künstlichen Blumen. Inmitten all dieser Dinge stand ein grosser Fernseher. Die ganze Wand neben dem Bücherregal nahm eine Tafel voller Orden und Urkunden ein, darunter befand sich neben einer Bettcouch und einem Klimagerät ein kleiner Kühlschrank. In der Mitte des Raums stand ein Tisch, darauf ein Aschenbecher und ein Duftspray, das noch fünf Minuten zuvor versprüht worden war. Und hinter dem Schreibtisch thronte Safwân al-Buhairi.
Zweiunddreissig Dienstjahre sassen dort. In dieser Zeit war er immer weiter aufgestiegen, bis er es schliesslich nach ganz oben geschafft hatte. Er besass einen athletischen Körper, angenehme Züge, hatte blaue Augen und silbernes Haar, war Ende fünfzig und trug einen braunen Anzug und eine gelbe Krawatte mit dickem Knoten. Um seinen Gast zu begrüssen, der ihn nur aufsuchte, wenn etwas vorgefallen war, trat er hinter dem Schreibtisch hervor. Er schaltete al-Dschasîra aus, so dass Stille herrschte, bis Âdil Nassâr diese mit seinem Eintreten durchbrach.
»Guten Abend, Safwân, wie geht es Ihnen?«, rief er.
Mit einer Verbeugung ergriff Safwân Âdil Nassârs Hand und entgegnete: »Willkommen, mein Herr, mir geht es gut, wann immer Sie uns mit einem Besuch beehren. Wie geht es Ihnen, Exzellenz?«
Âdil setzte sich auf die Couch und fragte: »Was macht die Arbeit?«
»Alles läuft nach Ihren Anweisungen, mein Herr«, antwortete Safwân. »Aber zunächst einmal: Was möchten Sie trinken?«
»Kaffee, Eure Exzellenz, so wie jedes Mal?«, warf Mustafa ein, ähnlich wie die Leute, die sich manchmal in den Nachrichten hinter die Reporterin stellen und winken, um ins Bild zu kommen.
»Einen mittelstark gesüssten Kaffee.«
»Ganz wie Sie wünschen, mein Herr«, sagte Mustafa.
Safwân gab ihm einen Wink, zu verschwinden, bis man ihn wieder rufe. Bevor er jedoch hinausgegangen war, erschien der junge Mann mit einem zitternden Kaffeetablett. Er wagte nicht, jemandem in die Augen zu blicken, setzte das Tablett und eine Wasserkaraffe ab und entfernte sich eilig.
Âdil nahm einen Schluck aus der Tasse und blickte zu Safwân hinüber, der in sehr unbequemer Haltung am anderen Ende der Couch sass, um durch diese Distanz seinen Respekt und seine Ehrerbietung zu verdeutlichen. Mit seinem Schweigen bereitete Âdil ihn auf den Grund seines Besuchs vor. Während Safwân auf den ersten Schlag wartete, der kommen würde, nachdem Âdil in Ruhe seinen Kaffee getrunken hatte, poppten die Fragezeichen in ihm auf.
»Der grosse Pascha ist nicht zufrieden, Safwân«, sagte Âdil schliesslich.
»Ist er nicht, mein Herr?«
»Sie wissen, dass eine für uns schwierige Phase begonnen hat, der Pascha befindet sich in einer kritischen Lage. Ein paar Dinge müssen bereinigt werden, damit wieder Stabilität und Ruhe einkehrt.«
»Sind wir irgendwo nachlässig gewesen, Âdil Bey?«
»Nein, aber es gibt ein paar Punkte, die wir in Ordnung bringen sollten. Erstens hat jemand dem Pascha eine Tonaufnahme Hischâm Fathis zukommen lassen, in der er mit einer Prostituierten über seinen Sohn spricht. Jemand, der sich einen Pluspunkt verdienen und dem Pascha vor Augen führen wollte, dass er auf Zack ist. Wie Sie wissen, wollen Tausende dem Pascha dienen und ihm zeigen, dass wir schlafen. Und Hischâm Fathi, dieser Dummkopf, ist total aus dem Ruder gelaufen. Der Pascha will ihn absolut nicht mehr haben. Jemanden, der diese Sache mit seinen Söhnen aufs Tapet bringt, können wir nicht brauchen, und das ausgerechnet jetzt, wo die Leute alles Mögliche glauben! Und zweitens hat Hischâm Fathi sich so weit vergessen, bei Jâmin Anwar von der Zukunftspartei anzuklopfen und ihn zu finanzieren. Er denkt wohl, er kommt damit durch, doch er ist zu weit gegangen, es reicht.«
»Wie lauten Ihre Anweisungen, Exzellenz?«
»Ein Vorfall in der High Society, wie damals bei Karîm al-Sawîssi, der erst seine Frau und dann sich selbst umgebracht hat. Irgendetwas, was die Angelegenheit erledigt, bevor sie richtig begonnen hat. Zwei Tage steht das Land kopf, dann werden die Ermittlungen eingestellt, und die Leute vergessen. Man könnte auch in einem Café vor dem Bahnhof am Ramsesplatz ein Gerücht streuen, das sich mit dem Zug in einer Stunde über ganz Ägypten verbreiten würde. Die Leute werden mitkriegen, dass es um Frauen geht .«
»Ich hab verstanden, mein Herr«, meinte Safwân. »Überlassen Sie das Ganze nur mir, Pascha.«
Aus einer goldenen Dose zog Âdil Nassâr eine Zigarette und veränderte seine Sitzhaltung. »Noch etwas«, sagte er, blies den Rauch in die Luft und sah Safwân an. »Muchî Dhannûn.«
Safwân glaubte sich verhört zu haben. »Was ist mit ihm, mein Herr? Ist ihm jemand zu nahe getreten?«
»Muchî Dhannûn hat am 2. Februar überraschend sehr grosse Summen ins Ausland transferiert. Ausserdem hatten wir ihn um ein Waffengeschäft ersucht, und er entschuldigte sich mit angeblichen Fabrikationsfehlern. Dabei wissen wir sehr gut, dass das nicht stimmt. Und ein paar andere Dinge . Wie Ihnen bekannt ist, gehört er noch zur alten Garde aus der Zeit Abdel Nassers, und heute sollten wir . in der kommenden Phase ist jemand wie Muchî Dhannûn nicht vonnöten. Der Hauptgrund allerdings ist, dass er jemandem wie Aiman Wasfi keine Chance lässt, auf den Markt zu kommen. Wie Sie wissen, ist der ein enger Freund des Paschas und jeden...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.