Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
»Du wirst wohl nie erwachsen, oder?« Kopfschüttelnd trat Valerie Thaller, Chefin des Grand Hotels in Bad Gastein, hinter ihre Freundin Nora. Diese gab sich unschuldig, während sie sich umdrehte. »Wieso? Was meinst du damit?«
»Ich denke, das weißt du selbst am besten. Kaum wende ich dir für einen Moment den Rücken zu, hast du die Finger in meiner Rührschüssel, genau wie damals in der Volksschulzeit, als ich zu backen begonnen habe. Du bist unbelehrbar, schlimmer als meine Kinder, und das will was heißen.«
Nun schlich sich ein Anflug schlechten Gewissens auf Noras Gesicht, doch dieser wich rasch einem spitzbübischen Grinsen. »Du weißt doch, liebe Gewohnheiten kann man nur schwer ablegen. Warum sollte ich mich jetzt, nach vierzig Jahren, noch ändern? Du hast dich ohnehin daran gewöhnt, da würde dir diese Unsitte bestimmt fehlen.« Sie reckte das Kinn in die Höhe, strich ihr welliges braunes Haar nach hinten und strahlte.
»Du bist doch nie um eine Ausrede verlegen.« Valerie seufzte und rollte theatralisch mit den Augen. Sie konnte und wollte ihrer Freundin einfach nicht böse sein.
»Genau deswegen magst du mich doch, oder?« Nora lachte und fuhr erneut mit dem Finger in den Teig.
Mit dieser Aussage hatte sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Ihre oft ein wenig unkonventionelle Art gefiel Valerie. Sie selbst tendierte dazu, vieles im Leben ernster zu nehmen als nötig, da tat Noras lockere Art ihr gut. Auch wenn sie beide in vielen Belangen die gleichen Ansichten teilten, waren sie von ihrer Persönlichkeit her doch sehr unterschiedlich, ergänzten sich aber perfekt. Mal profitierte die eine von der anderen und dann wieder umgekehrt. Wie es sich für beste Freundinnen gehörte.
Inzwischen konnte auch Valerie sich ein Lächeln nicht mehr verkneifen. »Du bist doch ein verrücktes Huhn. Aber es stimmt schon, das mag ich an dir.« Sie griff an Nora vorbei zum Teigbehälter, holte eine Spachtel aus der Lade und befüllte die eingefettete und bemehlte runde Springform mit der dunkelbraun glänzenden und herrlich duftenden Masse. Als sie alles schön glatt gestrichen und die Form ins vorgeheizte Backrohr geschoben hatte, fragte sie: »Und was sagt dein Kennergaumen zu meinem Backversuch?«
»Der Kennergaumen ist begeistert. Der Teig schmeckt intensiv schokoladig, hat einen nicht allzu hohen Fettanteil und ist jetzt im Rohzustand richtig schön luftig. Wahrscheinlich hast du den Eischnee so vorsichtig untergehoben, wie nur du das schaffst. Ich sage, das wird eine Sachertorte. Liege ich richtig?«
»Und wie du richtigliegst. Würde es eine Ausbildung zum Mehlspeisen-Sommelier geben, dann könntest du dort mit deinen feinen Geschmacksnerven bestimmt auftrumpfen.«
Nora prustete lautstark los. »Du hast vielleicht schräge Ideen! Ich ein Mehlspeisen-Sommelier? Wenn, dann müsste das auf jeden Fall Süßspeisen-Sommelier heißen, sonst würde es außer in Österreich und Bayern niemand verstehen.«
»Richtig. Aber meines Wissens gibt es weder die eine noch die andere Bezeichnung. Einzig den Schokoladen-Sommelier, von dem hab ich schon gehört. Aber bis es mit den Mehlspeisen so weit ist, kannst du dein Fachwissen ja mir zur Verfügung stellen. Ich hab nämlich ein neues Rezept ausprobiert und wäre für deine ehrliche Meinung dankbar.«
»Ein neues Rezept, warum das denn? Deine Sachertorte war doch immer ausgezeichnet.« Nora setzte sich an den großen Esstisch, der in der Mitte der Küche stand und das Zentrum des Familienhaushalts bildete. Unzählige Stunden war hier schon geschlemmt, gespielt, gelacht und diskutiert worden. Ein Ort der Gemütlichkeit, der für die Thallers, besonders in stressigen Zeiten, wichtig war.
Valerie stellte Teigschüssel und Quirl in den Geschirrspüler, während sie Nora antwortete. »Ausgezeichnet im Geschmack vielleicht schon, aber nur, wenn sie nicht sitzen geblieben ist. Im letzten Jahr ist mir die Konsistenz der Sacher manchmal zu fest geworden.«
»Ich dachte immer, eine Sachertorte soll so sein.« Nora schien überrascht.
»Ein ganz klein wenig, ja, aber nicht zu sehr. Mein Rezept ist viel zu empfindlich. Vielleicht liegt es an der Temperatur der Zutaten - oder an mir. Keine Ahnung. Wenn ich viel zu tun hab, dann nehm ich mir wohl nicht immer die nötige Zeit.«
Nora trank einen Schluck Tee, bevor sie antwortete. »Du weißt aber schon, dass das, was du gerade gesagt hast, Jammern auf hohem Niveau ist, oder? Deine Mehlspeisen sind die besten weitum. Aber wenn du meinst, noch besser werden zu müssen, dann tu dir keinen Zwang an. Mein Kennergaumen und ich stehen dir selbstlos für Testzwecke zur Verfügung. Ich freu mich drauf.«
Valerie wischte mit einem Lappen die Arbeitsplatte ihrer Küche sauber und meinte, ohne sich zu Nora umzudrehen: »Da bist du nicht die Einzige. Viktor und die Kinder stehen auch schon in den Startlöchern. Sachertorte ist bei uns in der Familie einfach der Klassiker. Zumindest an den Geburtstagen. Lea und Jakob wollten eigentlich dieses Wochenende gar nicht nach Hause kommen, weil sie so im Lernstress für ihre Uniprüfungen sind, aber extra wegen meiner Sacher haben sie sich umentschieden und fahren nun doch heim. Streben könnten sie auch hier, haben sie gemeint.« Mit einer letzten schwungvollen Bewegung beendete sie das Putzen, wusch den Lappen aus und setzte sich ebenfalls an den Tisch.
Nora grinste. »Manchmal habe ich den starken Verdacht, dass du für die Wochenenden immer besonders gute Sachen planst. So als ob du damit deine Zwillinge nach Hause locken möchtest.«
Empört stützte Valerie die Hände in die Hüften. »Also wirklich, Nora. Was du schon wieder von mir denkst.« Dann schmunzelte sie. »Na ja, ganz unrecht hast du nicht. Aber das sollte unter uns bleiben.« Sie legte den Zeigefinger an die Lippen. »Meine Taktik geht meistens auf. Außerdem bist auch du Nutznießerin davon. Wenn Jakob heimfährt, kommt auch Felix mit nach Bad Gastein. Allein hält ihn doch nichts in ihrer Studentenbude. Sei mir also dankbar.«
»Du meinst, Felix kommt heute noch?« Begeistert zog Nora das Handy aus der Handtasche, die sie unter den Tisch gestellt hatte, und wischte darauf herum. »Tatsächlich, er hat mir eine Nachricht geschickt. Jetzt freu ich mich umso mehr über deine Sacher. Das war eine hervorragende Idee von dir.«
»Finde ich auch. Ich hab mich nämlich von dem Tortenwettbewerb inspirieren lassen, der nächste Woche in Bad Gastein stattfindet.«
»Das ist typisch. Du willst wohl allen beweisen, dass deine Torten die besten sind.« Nora sah Valerie verschmitzt an.
»Ach Quatsch. Zum Wettbewerb sind nur Profis zugelassen, da mach ich nicht mit. Mit denen will ich mich nicht messen.«
»Könntest du aber locker. Du bist ein Ass am Backofen, und das weißt du auch.« Noras Tonfall klang überzeugt. Dann wirkte sie jedoch nachdenklich. »Ich bin neugierig, ob das Event viele Leute ins Tal zieht. Auf Social Media wird schon stark die Werbetrommel dafür gerührt.«
»Das hoffe ich doch. Der Fremdenverkehrsverband lässt sich in den letzten Jahren allerhand einfallen, aber nicht jede Idee bringt den gewünschten Effekt. Manche kommen gut an, andere gehen leider unter. Wir sind eben nicht der einzige Tourismusort, der um Gäste buhlt. Auch die anderen wollen die Nächtigungszahlen in der Zwischensaison mit Veranstaltungen steigern. Die Konkurrenz ist hart.«
»Aber der Tortenwettbewerb ist doch etwas Besonderes, oder? Ist nicht sogar ein Fernsehsender mit an Bord?«
Valerie nickte. »Stimmt. Dieser Privatsender Austria-TV. Ich glaube, da steckt ein riesiger Konzern dahinter, zu dem auch der Verlag gehört, bei dem das Gewinner-Team dann ein eigenes Backbuch herausbringen darf.«
»Also ich persönlich finde die Idee richtig gut. Das ist mal was Neues. Ich werde sicher zu den Testessern gehören und mein fachmännisches Urteil abgeben. Bleibt nur zu hoffen, dass sich bei dem großen Aufwand, der dafür betrieben wird, zu den Kur- und Wandergästen noch ein paar Mehlspeisen-Gourmets hinzugesellen. Nicht dass die viele Mühe umsonst war.«
»Dein Wort in Gottes Ohr. Ein paar Extrabuchungen haben wir schon. Ich stelle mir vor, dass manche Gäste davon träumen, es mit einem kleinen Interview ins Fernsehen zu schaffen. Wenn zusätzlich das Wetter passt, kommen bestimmt noch mehr.«
»Wann geht denn der ganze Trubel los?«
»Am Dienstag starten die Verkostungen. Aber das Fernsehteam baut heute bereits auf, und die Konditoren reisen morgen an, um in Ruhe ihre Vorbereitungen treffen zu können. Ab Sonntag wird gedreht und am Montag mit dem Backen begonnen.«
Nora schenkte sich aus einer Glaskanne Tee nach. »Anton hat erzählt, dass bei euch im Grand Hotel auch eine Teilnehmergruppe logiert. Er hat ein wenig gestöhnt, weil er in der Küche alles umorganisieren muss.«
Ein wenig gestöhnt ist gut, dachte Valerie. Anton, der Chefkoch des Grand Hotels und Lebensgefährte Noras, war fast am Verzweifeln. Gerade erst vor ein paar Stunden war der Aufnahmeleiter von Austria-TV aufgetaucht und hatte...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: ohne DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet – also für „glatten” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Ein Kopierschutz bzw. Digital Rights Management wird bei diesem E-Book nicht eingesetzt.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.