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Ich habe ein wirkliches gestörtes Verhältnis zu sich autoritär gebenden Menschen. Ich weiß nicht, wo das herkommt. [.] Aber ganz grauslich ist diese Autorität, die daherkommt und überhaupt keinen Nachweis hat, oder nur die Position, die sie gerade innehat. Das ist peinlich und deswegen musste es natürlich so kommen, dass der Dümmste in allen Filmen - in allen Kottan-Filmen - der Polizeipräsident ist, der nur seine Autorität und seine Position hat, aber sonst nichts.1
An einem heißen Sommertag im August 2009 erzählte Peter Patzak in einem etwa fünfstündigen Interview über seine einfache Herkunft, sein frühes - oft kindlich naives - Interesse an der bildenden Kunst, über einen Weg, der ihn behutsam und beinahe zufällig zum Film brachte, wie auch von persönlichen Begegnungen, Erlebnissen und Wahrnehmungen, die sein kreatives künstlerisches Schaffen bestimmten. In diesen vielen Stunden erläuterte er immer wieder, wie wichtig ihm sein selbstbestimmtes Handeln war. Autoritäre (Produktions-)Systeme und einengende Strukturen und Vorgaben lehnte er ab. Er ließ sich nicht zwingen, er eckte an. Um "eine Karriere" ging es ihm nie, er wollte schlicht "seine Geschichten erzählen".2
Dieses Charakterprofil hat entscheidend dazu beigetragen, dass sich sein Lebensweg so anders gestaltet hatte, als es vielleicht so manche von einem Kind, das in einer "proletarischen Umgebung" groß geworden war, erwartet hätten. Peter Patzak wuchs in einem Gemeindebau in Wien Brigittenau auf. Seine Eltern und Großeltern waren einfache Menschen mit durchaus künstlerischen Neigungen, welche sich auch bald bei dem Kind und schließlich Jugendlichen bemerkbar machten. Schon früh entwickelte sich Peter Patzak zu einem "manischen Zeichner", der seine Ideen und Beobachtungen zu Papier brachte. Als Heranwachsender zogen ihn das Kunsthistorische Museum wie auch die nahegelegenen Kinos geradezu "magisch an". Nicht selten verbrachte er die 'offizielle' Schulzeit eben dort. In den Ferien hob er Schächte (Künetten) aus, sammelte leere 'Diana mit Menthol'-Flaschen, um den Einsatz zu erstehen, oder arbeitete in der Niederösterreichischen Molkerei am Höchstädtplatz, um sich ein Haus weiter - im Globus-Verlag der KPÖ - in der Sowjetunion produzierte Kunstbücher zu kaufen, wodurch er als 13-/14-Jähriger bereits über eine große Sammlung an Bildbänden verfügte.3
Während seiner Gymnasialzeit (BRG XX) brachte er eine Schülerzeitung heraus, in der wiederum bildende Kunst und Literatur im Zentrum standen. Er nutzte diese Arbeit, um "als Journalist getarnt", in die Ateliers von Karl Anton Wolf und Rudolf Hausner vorzudringen. So führte Peter Patzak das Schreiben zur Malerei. In der Folge begann er bei Ernst Fuchs an der Akademie der Bildenden Künste Malerei zu studieren. Weiterhin nahm er verschiedene Arbeiten an, um ein Auskommen zu haben - er bemalte Splitter im Museum Carnuntinum und zeichnete für das Anatomische Institut Präparate des menschlichen Körpers, wobei er ein besonderes Interesse und eine Expertise für die "Anatomie des Herzens" entwickelte.4
Nach und nach drang Peter Patzak in die künstlerische Szene vor, die sich etwa im Café Sport und im Café Hawelka einfand. Dort traf er auf den Trickfilmer Franz Bresnikar, der ihn mit seinen technischen Gerätschaften arbeiten ließ und ihm deren Handhabung beibrachte. Patzak begann kleine Filme mit einer 8mm-Kamera zu drehen, die sich wiederum mit Licht und Malerei beschäftigten. Einer dieser experimentellen Filme, His Bag, führte 1968 zu einer Einladung zum Films of Art Festival nach New York.5 Somit brachte ihn die Malerei schließlich zum Film. Patzak durchbrach und verband von Beginn an künstlerische Welten und entwickelte eine ungeheure kreative Vielfalt. Er arbeitete über narrative, visuelle und farbliche Schichten und verband letztlich bildende Kunst, Sprachkunst und Filmkunst.
Peter Patzak kannte keine künstlerischen Grenzen und schon gar keine nationalen. Er pendelte zwischen New York und Wien, tauchte in die Kunstszene ein und ließ sich u. a. vom New American Cinema inspirieren.6 Allen voran bewies er Initiative und setzte erste wichtige Schritte zur Internationalisierung des österreichischen Filmschaffens. In einem Land, wo die Anerkennung des Films als Kunstwerk und eine entsprechende staatliche Filmförderung lange ausblieben, suchte und fand Patzak Kooperations- und Arbeitsmöglichkeiten in anderen Ländern und Weltteilen. Seinen ersten Spielfilm Situation dreht er 1973 in englischer Sprache und er hatte mit Rita Tushingham und William Berger bereits zwei allseits bekannte Größen im Stab. Der internationalen Ausrichtung blieb er treu und war mit seinen Arbeiten bei Filmfestivals in Berlin, Paris, Moskau, Indien, Tokio, Los Angeles, New York oder Hongkong zu Gast. Oftmals wurde Patzaks Werk ausgezeichnet, u. a. mit dem UNESCO-Preis, dem Adolf-Grimme-Preis, dem Max Ophüls-Preis, dem Canale Grande Award u. v. m.
Peter Patzaks Grenzenlosigkeit zeigt sich aber auch und vor allem in seinem filmischen Schaffen. Feinsinnige Literaturverfilmungen wie die preisgekrönten Wasserfälle von Slunj (A 2002), surrealistisch fantastische Arbeiten wie Phönix an der Ecke (A/BRD 1982) oder modern konzipierte Dokumentationen wie Jugendliche (A 1972) finden sich ebenso in seinem Repertoire wie Historienfilme, Thriller, Sozialdramen, Tragikomödien, Serienformate oder Experimentalfilme. Dabei übte Peter Patzak sich im Bruch darstellerischer Konventionen. Ein Paradebeispiel dafür ist die Serie Kottan ermittelt. Die von Helmut Zenker und Peter Patzak geschaffene, unorthodoxe Figur des Majors Adolf Kottan stieß auf Begeisterung und auch auf erbitterten Widerstand. Allen voran wollte der Regisseur die herkömmliche Krimidramaturgie verändern, wobei er nach und nach die "dramaturgische Schraube" ein Stück weiterdrehte.7 Brillanter Witz, zynische Kommentare und schwarzer Humor zeichnen diese zeitlose Serie aus, die in ihrem Verlauf immer provokanter und anarchischer wurde. Doch Kottan ermittelt offenbart sich auch als akribische Sozial- und Milieustudie einer Gesellschaft der 1970er und 1980er Jahre. Obrigkeitsdenken und Unterwürfigkeitsmechanismen werden hier - wie in vielen seiner Werke - kritisiert und torpediert. Immer wieder erhob Patzak seine Stimme für Ausgegrenzte und 'Unangepasste'. Soziale, ökonomische und politische Missstände zeigte er bewusst auf. Nicht selten waren maßlose Empörungs- und Beschimpfungsorgien die öffentliche Reaktion auf das Aufdecken gesellschaftlicher Abgründe, die als Tabuzonen galten.
Für Peter Patzak war dies wohl eher ein Grund, erst recht so weiterzumachen, denn von oben verordnete Tabugrenzen existierten für ihn nicht. Ganz im Gegenteil - er zog das Verdrängte an die Oberfläche. Dabei scheinen viele seiner Arbeiten heute aktueller denn je. In seinem Film Camillo Castiglioni oder Die Moral der Haifische (A/BRD 1988) führt er uns etwa die Machenschaften eines Industriellen und Börsenspekulanten vor, der Menschen kauft und manipuliert, dessen Veruntreuungen aber nie zu einem Gerichtsverfahren führen. In Gavre Princip - Himmel unter Steinen (A/BRD/GB/YU 1990) erleben wir auf bedrückend realistische Weise, wie ein junger Mensch, der Gewalt und Unterdrückung erlebt und dem die Zukunftsperspektive genommen wird, sich zusehends radikalisiert.
Peter Patzak forderte die Gesellschaft stets heraus, sich unangenehmen Gegenwarts- und Vergangenheitsfragen zu stellen. Der Kampf gegen Faschismus und Rassismus war ihm ein besonderes Anliegen, wobei er schon immer ein sicheres Gespür für deren Erscheinungsformen hatte:
Ich habe sehr früh eine ungeheure Angst vor dieser gezogenen Sprache und vor diesen aggressiven Melodien in der Sprache gehabt. Und ich habe das wirklich im Wirtshaus und auch in der Schule und auch bei Streitereien immer erkannt, wo eine Emotion, die vollkommen ohne Denken nur auf Treten aus ist, reif ist zum Schlüpfen. Und ich hab' eigentlich immer Angst vor dieser Sprache gehabt. Und die ist ganz spezifisch. Wenn ich die hör', dann muss ich auch gehen.8
In seinem vielfach prämierten Meisterwerk Kassbach - Ein Portrait (A 1979), zu dem Helmut Zenker die literarische Vorlage geliefert hatte, widmete sich Peter Patzak diesen "aggressiven Melodien" und offerierte eine bedrückende (Neo-)Faschismusstudie. Er führt uns erbarmungslos an die Geistes- und Lebenswelt eines Modernisierungsverlierers - heute würden wir vielleicht von einem Globalisierungsverlierer sprechen - heran. Der Lebensmittelhändler Karl Kassbach erkennt, dass er gegen die Supermärkte nicht mehr ankommt. Seine angestaute Wut und Ohnmacht projiziert er auf andere. Er missachtet Frauen, missbraucht sein Lehrmädchen. Er ist Mitglied einer militanten Neonazi-Truppe und geht mit Gewalt gegen 'Gastarbeiter' und 'Linke' vor. Kassbachs kleinbürgerlicher Faschismus findet sich heute in Internetforen und auch in so manchem politischen Programm wieder. Kassbach ist somit ein Mahnmal, das auch heute noch seine Gültigkeit hat.
Peter Patzak hat sich stets gegen Kleingeistigkeit gewehrt, er hat immer seine Stimme erhoben und auch künstlerisch Position bezogen. Peter Patzak war ein Humanist, ein Menschenliebhaber und ein Menschensammler. Nur jemand, der so wie er Menschen liebte und achtete, war auch in der Lage, deren...
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