Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
In diesem entlegenen Teil des australischen Outback ist die Morgendämmerung die angenehmste Zeit des Tages. Noch war es nächtlich kühl, doch die ersten wärmenden Strahlen der Morgensonne kündigten bereits einen weiteren glühend heißen Tag an. Bald würde die verschwommen hinter der staubigen Windschutzscheibe erkennbare Buschlandschaft der Kimberleys einen gleißenden, scharf konturierten Anblick bieten. Das ehemals weiße Taxi aus Broome war über und über mit rotem Staub bedeckt, und der Fahrgast auf dem Beifahrersitz hatte trotz der Klimaanlage das Gefühl, statt Luft feinen Staub einzuatmen.
Bobby Ching, der fröhliche junge Fahrer, hatte seine Bedenken wegen der fürchterlichen Straßenbedingungen leichthin abgetan. Matthias Stern hingegen hatte Asphalt erwartet, oder doch wenigstens ordentliche Schotterstraßen. Aber er hatte schließlich selbst auf dem Weg zu einer wichtigen Verabredung das echte Outback sehen wollen. Er kam von so weit her. War solche Risiken eingegangen. Und nun schien alles von diesem Mann abzuhängen, der ausgerechnet auf einer Rinderfarm in der Kimberley-Region auf ihn wartete. Stern musste lächeln, als er wieder einmal an das ungewöhnliche Zusammentreffen verschiedener Umstände dachte, das ihn genau jetzt an diesen Ort geführt hatte. Diese Fahrt würde alle seine Probleme lösen.
Bobby sah, dass sein Fahrgast sich zurücklehnte, und verzichtete auf ein Gespräch. Sie waren schon vor Stunden in Broome abgefahren, um möglichst weit zu kommen, ehe es zu heiß wurde. Der Deutsche hatte mit Mr. Choy, dem Taxi-Eigentümer, ein ungewöhnliches Geschäft ausgehandelt: eine umständliche Fahrt zur Bradley-Farm, um das Benefizrennen zu sehen - und dort jemanden zu treffen. Das hatte Bobby neugierig gemacht. Doch sein Fahrgast hatte nicht darüber gesprochen, wen er treffen wollte, und warum.
Macht nichts, entschied Bobby. Nur der Auftrag zählt, und bei diesem gibt es eine Zulage, wenn alles gut geht. Ich danke euch, ihr Leute da draußen, dass ihr alle Flüge zur Bradley-Farm ausgebucht habt, dachte Bobby, sodass Matthias ein Auto mit mir als Fahrer mieten musste. Aber das macht ihn nicht arm. Der Mann scheint reichlich Geld zu haben. Forscht und lehrt an einer Universität in Stuttgart, irgendwas mit Kunst und Archäologie. Ist zwar eine lange Fahrt, aber ich werde ein bisschen frei haben, wenn wir da sind. Dann kann ich ein paar Bierchen mit meinen Kumpels zischen. Ach, das Leben kann so schön sein, wenn einem das Glück hold ist! Er begann zu summen, dann sah er wieder zu seinem Fahrgast.
Eigentlich ist er ja ganz nett. Sieht sehr deutsch aus. Helles Haar, blaue Augen, rötliche Gesichtsfarbe, übergewichtig, irgendwie schwammig, vermutlich Mitte fünfzig. Bisschen zu ernst für meinen Geschmack - hat über keinen meiner Witze gelacht. Aber vielleicht kommt er ja mit meinem Akzent nicht klar, überlegte Bobby. Hat mich gefragt, welche Sprachen ich spreche, und schien überrascht, als ich sagte, nur Englisch. Naja, das kommt davon, wenn man eine Mischung aus Chinese, Aborigine und Ire ist. Da erwarten die Leute alles Mögliche.
Schließlich regte Matthias sich wieder. »Erstaunlich«, sagte er erfreut. »Offenbar ist hier draußen jeder Sonnenaufgang spektakulär.«
»Sehen Sie sich gut um, Kumpel. Was Besseres finden Sie nirgendwo.« Bobby deutete auf die rot-goldenen Bergketten in der Ferne, die gelbbraune, mit Spinifex-Horsten gesprenkelte Erde, ausgetrocknetes Grasland, Termitenhügel und die hohen, dürren Bäume, an denen sich beinahe jeder Zweig wie aus Verzweiflung krümmte.
Rechts oben am Himmel bewegte sich etwas, nicht allzu hoch, vielleicht ein Adler. Bobby sah hin. In diesem Augenblick schoss etwas auf der Beifahrerseite aus dem Busch, und im nächsten Moment erschütterte ein Aufprall den Wagen: Sie waren mit einem großen alten Känguru kollidiert. Es wurde auf die Motorhaube katapultiert, zertrümmerte die Windschutzscheibe und stürzte zurück auf die Straße. Das Auto geriet ins Schleudern, raste durch den niedrigen Busch und prallte gegen einen großen Felsen.
»Scheiße!« Bobby beugte sich zu Matthias hinüber. »Sind Sie okay? Passen Sie auf, die Glasscherben. Himmel, was für ein Schlamassel.« Er stieg aus und untersuchte das Känguru. »Der ist hinüber. Verdammt, und die Kiste auch. Mr. Choy wird ausrasten.«
Matthias kletterte auf der Fahrerseite hinaus. »Meine Tür hat sich verklemmt. Was machen wir jetzt? Wo kriegen wir Hilfe her?« Er blickte sich um, als suchte er nach einem Hinweisschild zu einer Werkstatt oder einer Telefonzelle.
»Wir bekommen schon noch Hilfe, Kumpel. So läuft das hier draußen. Sie müssen nur Geduld haben. Trotzdem, wir sollten nachsehen, was noch funktioniert, und was nicht.«
Zwei Stunden später waren sie immer noch dort, saßen auf der Schattenseite mit dem Rücken am Auto und kämpften gegen die zunehmende Hitze, die Fliegen und ein Gefühl der Isoliertheit an. Aus einer Plastikplane, die Bobby im Kofferraum gefunden hatte, und ein paar belaubten Ästen hatten sie ein kleines Sonnensegel gebastelt. Der Kühler war durch den Aufprall in den Motor geschoben worden, der dadurch nicht mehr zu gebrauchen war; Batterie und Radio waren ebenfalls zerstört.
»Ich kann es einfach nicht fassen: Wir stehen hier schon seit Stunden, und nicht ein Auto ist vorbeigekommen«, rief Matthias beunruhigt aus. »Sie wissen doch, wie wichtig es ist, dass ich rechtzeitig auf der Bradley-Farm eintreffe!«
»Heute wird schon noch jemand vorbeikommen. Das ist ein großes Ereignis, viele Leute fahren auf dieser Straße da hin. Keine Sorge.« Bobby sorgte sich mehr darum, wie er das Auto zurück zu seinem Chef bringen sollte. So ein Mist! Dabei hatte er gerade erst bei ihm angefangen.
Er schreckte aus seinen Gedanken hoch: Matthias holte seinen Fotoapparat aus dem Wagen und verkündete: »Ich mache einen Spaziergang.«
»Wozu? Da draußen gibt es nichts zu sehen.«
»Ich muss mich erleichtern. Und ich möchte ein paar Fotos machen.«
»Hey, aber keine Buschwanderung! Hüpfen Sie nur kurz hinter einen Strauch, aber entfernen Sie sich nicht weit vom Auto. Ist verdammt gefährlich hier draußen«, warnte Bobby.
»Gefährlich? Sie meinen, hier gibt es wilde Tiere?«
»Das auch, aber nicht so viele, dass Sie sich Sorgen machen müssten. Ich will bloß nicht, dass Sie sich verirren. Es ist erstaunlich, wie schnell man in dieser Landschaft die Orientierung verliert. Keine Anhaltspunkte, keine Spuren, nichts.«
»Nett von Ihnen, aber ich werde nur ein kurzes Stück gehen. Ich würde gerne ein paar Fotos schießen, mit denen ich meine Freunde zu Hause beeindrucken kann.« Er überquerte die Straße, wandte sich um, machte ein Foto vom Taxi und schlenderte dann in den Busch zu einem großen Termitenhügel vor einem Baobab-Baum. »Sehr hübsche Motive«, rief er Bobby zu.
Die Unbekümmertheit des Deutschen sorgte Bobby, und er rief zurück: »Gehen Sie nicht zu weit! Seien Sie in spätestens einer Viertelstunde zurück, okay?« Dann legte er sich mit dem Kopf auf seine zusammengerollte Jacke und bedeckte das Gesicht mit dem Hut.
Matthias war fasziniert. Durch das Kameraobjektiv schien er einen anderen Planeten zu entdecken. Er schreckte eine prähistorisch wirkende Eidechse auf und jagte ihr nach. Schließlich erwischte er sie mit dem Fotoapparat, als sie aus sicherer Entfernung von einem überhängenden Zweig herablugte. Matthias ging noch etwas weiter, gab seinem natürlichen Bedürfnis nach und benutzte ein Stück Rinde, um Erde über den verschmutzten Fleck zu schaufeln - eine Geste des Respekts für das Land, dachte er grinsend.
Ein Vogelruf führte ihn zu einem anderen Baum und einem weiteren Foto, diesmal von einem farbenfrohen Papagei. Dann kehrte er um und stellte fest, dass es nichts gab, woran er erkennen konnte, in welcher Richtung die Straße lag. »Ah, da geht es lang, ganz sicher«, sagte er zu sich, als er eine weitere Eidechse erblickte, die vor ihm davonlief. Er nahm an, es handele sich um dasselbe Tier. Aber dem war nicht so .
Nachdem er eine halbe Stunde umhergewandert war, wurde ihm klar, dass er sich verirrt hatte. Er kletterte auf einen struppigen Baum, sah jedoch keine Spur von der Straße. Allerdings entdeckte er in einiger Entfernung eine Gruppe etwas höherer Bäume und steuerte darauf zu.
Die Sonne hatte in ihrer gleißenden Hitze nicht nachgelassen, als Bobby aufwachte. Seine Kleidung war schweißnass, und innerlich fühlte er sich völlig ausgedörrt. Er nahm die Wasserflasche vom Vordersitz und trank in großen Schlucken. Dann sah er sich um und stellte fest, dass Matthias nicht da war. Er blickte auf die Uhr. Es war elf. »Mist!«, rief er. »Das hat mir gerade noch gefehlt, dass mir ein verdammter Tourist hier draußen verloren geht. Scheiße!«
Er lief ein Stück in den Busch hinein und rief: »Matthias!« Er rief erneut, erhielt aber keine Antwort. Bobby ging ein Stück weiter und rief nochmals: »Matthias? Matthias! Kommen Sie zurück. Cooee!«
»Keine Spur von dem Idioten!« Bobby lief zurück zum Auto, setzte den Hut auf und schraubte den Verschluss wieder auf die Wasserflasche. Von einem Baum brach er einen Ast ab und machte sich dann in die Richtung auf, in die Matthias gegangen war. Den Ast zog er durch den Staub, um eine Spur zu hinterlassen.
Zwei Stunden später war Bobby wieder am Auto - allein. Von Matthias keine Spur, und die Hitze war unerträglich. Er hoffte inständig, der Deutsche würde zurückfinden, oder es käme zumindest jemand vorbei, der ihm beim Suchen helfen konnte.
Matthias hatte ebenfalls immer wieder laut gerufen - vergeblich....
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.