Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Die siebte Welle
Jennifer sah zu, wie ihre Mutter alles, was sie für den Urlaub benötigten, in dem kleinen Caravan verstaute, und achtete darauf, dass ihre Lieblingspuppe, ihr Malbuch und ihre Stifte mitsamt der Angelrute, den Büchern und Schnipp-Schnapp-Karten ihres Bruders in die Kiste wanderten.
Christina Campbell schob alles unter die Sitzbank neben dem Klapptisch. »So, jetzt weißt du, wo Teddys und deine Sachen sind.«
»Kann ich Daisy jetzt zurückhaben? Da drinnen ist es dunkel.«
Christina lächelte ihre besorgte fünfjährige Tochter an. »Ihr geht's gut, sie schläft. Daddy will, dass wir alles, was wir mitnehmen wollen, bis heute Abend in den Caravan geladen haben. Du willst Daisy doch nicht zu Hause lassen, oder?«
»Wo sind mein Eimer und meine Schaufel?«
»Schon eingepackt, Schätzchen, wir werden bestimmt nichts vergessen.« Christina konnte nur hoffen, dass sie recht hatte. Der Caravan, zwar alt und reisemüde, war eine Neuanschaffung der Familie, und sie standen vor ihrem ersten richtigen Camping-Urlaub. Und das Beste war: Sie reisten ans Meer. Zum ersten Mal. Das würde eine willkommene Abwechslung von der täglichen Plackerei auf der Farm sein, vom Kampf gegen die Dürre und sinkende Aktienkurse, ständig den Bankdirektor im Nacken. Christina erinnerte sich, wie ihr Mann Roger sie mit dem Caravan überrascht hatte.
Er hatte ihn eines Nachmittags, nachdem er zwei Tage fort gewesen war, um den Bankdirektor zu beschwichtigen, zum Viehmarkt zu gehen und mit anderen Farmern zu reden, die im selben Boot saßen wie er, mitgebracht. Sie hatte sich geärgert, weil er Geld für etwas so Überflüssiges wie einen Caravan ausgegeben hatte, und nicht im Traum daran gedacht, dass sie jemals wirklich damit in Urlaub fahren würden. Doch Roger hatte zum ersten Mal seit vielen Monaten vergnügt ausgesehen.
»Rolly Blake wollte ihn quasi verschenken. Da seine Frau tot ist und die Kinder verkaufen wollen, meinte er, ihn nicht mehr brauchen zu können. Und weißt du was, Liebes, alles könnte noch verdammt viel schlimmer werden, als es schon ist, nach dem, was ich in der Stadt so gehört habe. Da dachte ich, wir sollten den Kindern, uns allen, mal etwas gönnen. Gott weiß, wann wir je wieder die Möglichkeit dazu haben.«
Oder wann wir sie je hatten, dachte Christina, doch sie öffnete die Tür, um zu sehen, wie der Wohnwagen von innen aussah. Die Kinder kamen herbeigelaufen und hüpften begeistert um das Häuschen auf Rädern herum. Und Christina musste zugeben, dass der Caravan recht praktisch war, wirklich gut eingerichtet. Im Inneren hatte eine Frau gewirkt, das war nicht zu übersehen. Sie sah sich nach ihrem strahlenden Mann um. »Er ist wohl brauchbar. Wohin könnten wir damit fahren? Doch bestimmt nicht weit?«
»Ich habe mir was überlegt. Bernie Allen von nebenan würde sich um die Farm kümmern, und ich denke, wenn wir den alten Bullen verkaufen, haben wir genug Geld, um bis an die Küste zu fahren.«
Ihr siebenjähriger Sohn Teddy jauchzte, als er das hörte. »Meinst du, ans Meer, Dad? Dann können wir angeln gehen!«
»Na klar. Das ist was anderes als die Sonnenbarsche in unserem Stausee. Am Meer holen wir die richtig großen Fische raus!«
Die Fahrt an die Küste war ein Abenteuer, denn sie mussten zwei Nächte im Caravan verbringen. Die Kinder wollten auch während der Fahrt im Wohnwagen sitzen, mussten sich jedoch damit abfinden, nur auf dem Rücksitz herumhopsen zu können. Sie löcherten ihren Vater mit Fragen:
»Sind wir bald da?«
»Wie lange dauert's noch?«
»Ich will meinen Eimer und die Schaufel!«
Der Campingplatz lag im Schatten von Keulenbäumen direkt am Strand. Die Landzunge im Süden ragte ins Meer, gischtgekrönte Wellen brachen sich an den Felsen. Ein schmucker Leuchtturm erhob sich auf dem höchsten Punkt. Am nördlichen Ende des Strandes waren bei Ebbe flache Felsen zu sehen, durchsetzt von Gezeitentümpeln und kleinen Prielen. Die Wellen leckten an den Steinen, und hinter dem Sandstrand erhoben sich hohe Dünen.
Die Familie Campbell wurde in der eingeschworenen Camper-Gemeinschaft freundlich aufgenommen. Die meisten waren alte Hasen, die jedes Jahr kamen, und die Familie wurde bereitwillig in die Sitten und Gebräuche des Campens eingeführt. Die Kinder hatten Spielkameraden, die Männer tranken Bier und palaverten, während die Frauen sich über Schnellverfahren bei der Zubereitung der Mahlzeiten und der täglichen Routine austauschten. Christina, »Sagt Tina zu mir, so wie Roger«, war zu Anfang schüchtern. Die meisten Frauen auf dem Campingplatz lebten in Vororten oder Kleinstädten, nicht auf einer abgelegenen Farm. Christina wurde bewusst, wie ausgehungert nach weiblicher Gesellschaft sie war.
Die Familie blieb während des größten Teils des Tags unter sich und kam zum Mittagessen zurück zum Caravan mit der Markise über dem Essplatz. Christina gönnte sich das seltene Vergnügen eines Mittagschläfchens, während Roger mehrere Stunden mit den Kindern am Strand verbrachte. Die Abende wurden gesellig mit den Nachbarn bei Spielen und gelegentlich gemeinsamen Essen verbracht.
Teddy und Jennifer liebten den Strand, wenngleich sie sich nicht ins Meer wagten. Jennifer konnte überhaupt nicht schwimmen, und Teddy hatte nur ein paar Unterrichtsstunden im Schwimmbad in der Stadt gehabt, denn die Stadt war zu weit entfernt für regelmäßigen Schwimmunterricht.
Auf dem Grundstück des Motels neben dem Campingplatz befand sich ein kleiner Pool, und einer der benachbarten Camper bot an, Teddy in null Komma nichts das Schwimmen beizubringen.
Teddy wollte einen großen Fisch angeln. Sein Vater hatte eine neue Rolle an seiner alten Rute angebracht und wusste inzwischen, welcher Köder am besten geeignet war. Einige Männer hatten tatsächlich Fische nach Hause gebracht, die sie vom Strand aus gefangen hatten, woraufhin ein großes Grillfest organisiert wurde. Teddy wollte, dass er und sein Vater einen noch größeren Fisch fingen, vielleicht sogar einen Dorsch, und Roger hatte ihm versprochen, am nächsten Tag bei Ebbe mit ihm von der Felsbank aus zu angeln.
»Kommst du mit, Schatz? Unterm Sonnenschirm zusehen, wie wir einen dicken Fisch fürs Abendessen rausholen?«
Christina schüttelte den Kopf. Sie freute sich darauf, den Nachmittag mit einem Deadwood-Dick-Taschenbuch genüsslich auf der Plastikliege zu verbringen, während Roger die Kinder beschäftigte. »Jenny . setz deinen Sonnenhut auf. Du auch, Teddy.«
»Och, Mum, ich habe doch Zinksalbe auf der Nase. Das reicht. Der Hut weht mir nur vom Kopf oder so.«
»Schon gut. Also, Jennifer, hast du Eimer und Schaufel? Hast du den Köder, Teddy? Dann kann's ja losgehen. Bis später, Tina.«
»Viel Spaß. Sei schön artig, Jennifer. Lauf nicht so weit weg. Gib acht auf sie, Roger.«
»Tina, sie ist restlos zufrieden, wenn sie Sandburgen bauen und Wasser aus den Tümpeln in ihren Eimer schöpfen kann. Ruh du dich schön aus.«
»Es stört dich wirklich nicht?«, fragte Christina. Roger hatte ihr angeboten, die Sonnenliege und den Schirm hinunter an den Strand zu tragen, doch Christina war die Sonne zu heiß und grell. Sie genoss die Zeit für sich allein vor dem Caravan, wo sie sich jederzeit etwas Kaltes zu trinken oder eine Tasse Tee holen konnte. Manchmal trank sie Tee und rauchte eine Zigarette mit der Frau aus dem benachbarten Caravan. In der Nachmittagshitze herrschte Ruhe auf dem Campingplatz, und Christina liebte es, ausnahmsweise mal Zeit für sich allein zu haben, ohne dringende Arbeiten im Haus oder auf der Farm, ohne die Kinder, die nach Aufmerksamkeit verlangten. Sie wollte das Beste aus dieser zweiwöchigen Verschnaufpause machen, bevor sie zurückfahren musste zu . Sie mochte nicht daran denken.
Sie seufzte, ließ das Buch auf den Schoß sinken und schloss die Augen. Warum war ihr Leben so verdammt schwer? Sie war noch so naiv gewesen, als sie geheiratet hatte. Gott, wenn sie gewusst hätte, dass ihr Leben so aussehen würde . Ihre Mutter, mit geschürzten Lippen und missbilligender Miene, erschien vor ihrem inneren Auge. Roger Campbell war ihr nicht gut genug gewesen. Aber wer war ihre Mutter schon, dass sie sich solche Allüren erlaubte? Christinas Vater war ein hart arbeitender, exzessiv trinkender Kraftfahrzeugmechaniker gewesen, dessen Lohn kaum ausreichte, um die Grundbedürfnisse seiner Familie zu befriedigen.
Christina wollte keinen Sohn von Freunden ihres Vaters oder einen Jungen aus ihrem engen sozialen Umfeld heiraten. Eine zufällige Begegnung mit einem Jungen aus dem Busch erschien ihr wie ein Fluchtweg. Wenn sie gewusst hätte . Wie auch immer, irgendwann hatten sie und Roger genug Geld zusammengekratzt, um sich ein kleines Anwesen zu kaufen.
Sie würde, verdammt noch mal, dafür sorgen, dass es ihrer Tochter mal besserging als ihr. Sie wollte, dass Jennifer einen richtigen Beruf erlernte, einen, der sie im Notfall auch ernähren konnte. Vielleicht Lehrerin, Krankenschwester, Bankangestellte. Christina traute Männern nicht sonderlich, mochte sie auch nicht wirklich. Man konnte sich nicht darauf verlassen, dass sie ihre Versprechungen einhielten. Sie hatte zugesehen, wie ihr Vater ihre Mutter fertiggemacht hatte, und viele Freundinnen hatten ihr von den Enttäuschungen in ihren Ehen erzählt, und Roger hatte sich auch nicht als der erfolgreiche Mann erwiesen, den sie sich erhoffte. Vielleicht verlangte sie zu viel. Roger warf ihr vor, dass sie nie zufrieden wäre. Wenn sie einen Beruf hätte, irgendeine Arbeit, dann wäre vielleicht alles anders. Aber was...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.