Schweitzer Fachinformationen
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Nils Berglund hatte keinen Hasen geschossen, und er hatte auch keinen Anhaltspunkt dafür entdeckt, wer die seltsame Schneise in den Waldweg geschlagen hatte und warum. Inzwischen war er im Begriff, die Angelegenheit zu vergessen. Jetzt, einen Tag später, war er vollauf damit beschäftigt, den in Kürze bevorstehenden Besuch seiner Kinder vorzubereiten. Je näher der Moment ihrer Ankunft rückte, desto nervöser wurde er, dabei gab es hierfür eigentlich keinen Grund. Fast alles war bereits für sie hergerichtet.
Den Hefeteig für die Kanelbullar hatte er am Vormittag lange gehen lassen. Erst vor einer Dreiviertelstunde hatte er sie in den Ofen geschoben und gebacken. In der Hütte duftete es immer noch einladend nach Zimt, und als er durch die weit geöffnete Tür mit Bechern und Tellern nach draußen ging, nahm er einen Schwall davon mit.
Ebba und Olov liebten die schwedischen Zimtschnecken. Nils hatte in Jönköping auch Limonade besorgt, die sie ebenfalls liebten und die keinesfalls fehlen durfte. Sie war ein zuckriges Gesöff, das er ihnen am liebsten verbieten würde, aber was sollte er machen. Wenn Linda die Kinder alle zwei Wochen zu ihm brachte, tat er alles dafür, dass die beiden sich bei ihm wohlfühlten. Es war in jedem Fall klüger, als ihnen mit gesunder Ernährung zu kommen.
Nils sah den Wagen noch nicht, aber er konnte ihn schon hören. Rasch ließ er seinen Blick ein letztes Mal prüfend über den gedeckten Gartentisch gleiten. Er lauschte und hob den Kopf. Das Geräusch von Autoreifen auf dem holprigen Feldweg war unverkennbar.
Alles war so, wie es sein sollte.
Er hatte längst aufgehört, auch ein Gedeck für Linda aufzulegen, zu oft hatte sie seine Einladung abgelehnt, doch er wusste, dass sie die Kinder entspannter seiner Obhut überließ, wenn der äußere Eindruck stimmte, das Tischtuch sauber war, Servietten neben den Tellern lagen und vielleicht sogar eine kleine Vase mit Blumen vom Wegrand auf dem Tisch stand.
Linda war Lehrerin an der Grundschule in Jönköping, wo sie Schwedisch und Naturkunde unterrichtete. Sie war streng, aber nicht zu streng, die Kinder mochten sie, und sie konnte vor allem eines: spontan sein und so herzlich lachen, dass sie dabei vor lauter Ausgelassenheit in die Knie ging. Als er sie kennenlernte, hatte ihn diese spontane, ja eruptive Lebensfreude so sehr fasziniert, dass er sich auf Anhieb in sie verliebte.
Die elfwöchigen Sommerferien hatten gerade begonnen. Nils hatte gehofft, dass die Kinder länger als nur von Freitag bis Montagnachmittag bei ihm bleiben würden, doch Linda hatte ihn vertröstet. Sie hatte argumentiert, dass sie den Kindern bereits einen längeren Aufenthalt bei ihren Großeltern in Stockholm versprochen habe, und er wusste, dass sie die Wahrheit sagte. Doch er hatte auch gewusst, dass sie die Ferien in Stockholm von langer Hand geplant hatte, um einen längeren Aufenthalt der Kinder bei ihm zu verhindern. Obwohl er und Linda sich nicht anfeindeten und sie es befürwortete, dass die Kinder ein gutes Verhältnis zu ihrem Vater hatten, reagierte sie verhalten, wenn es um längere Besuche bei ihm in der Hütte ging. Sein Einsiedlerdasein war in ihren Augen nur bedingt das Richtige für Ebba und Olov, zumindest was eine geregelte Schlafenszeit betraf. Vor allem aber fürchtete sie, dass Nils nicht ernsthaft genug auf sie aufpasste und dass ihnen in der Wildnis etwas zustoßen könnte, was auch immer das sein mochte. Er hatte oft mit ihr darüber diskutiert, dass es hier im Wald keine wilden Tiere gab, die den Kindern gefährlich werden konnten, und es sich auch nicht um bevorzugtes Gelände für Mörder handelte. Er selbst schloss die Hütte abends oft nicht einmal ab, er fühlte sich hier so sicher wie in Abrahams Schoß.
Das Geräusch heranrollender Autoreifen wurde lauter, und Nils blickte zum Schotterweg, der zur Hütte führte. Es dauerte nur noch einen Moment, und Lindas alter Kombi bog um die Ecke. Sie hätte sich längst einen neuen kaufen können, sie verdiente gut, und es lag genug Geld auf ihren gemeinsamen Konten, doch Linda machte sich nur wenig aus materiellen Dingen. Auch diese Eigenschaft hatte er immer an ihr gemocht.
Die Autotüren flogen auf, Olov und Ebba sprangen aus dem Wagen und stürmten auf ihn zu, und Nils spürte, wie die Liebe zu ihnen ihn überflutete. Er breitete spontan die Arme aus, doch Ebba und Olov verlangsamten plötzlich beide ihre Schritte, als hätten sie sich abgesprochen, und schließlich blieben sie kurz vor ihm stehen. Nils ließ die Arme sinken und biss sich auf die Lippe. Solang Linda hier ist und sie beobachtet, trauen sie sich nicht, dachte er und spürte den Stich. So solidarisch waren sie also mit ihrer Mutter.
Linda war ebenfalls ausgestiegen, stand jedoch unbeweglich vor dem Wagen. Über die Köpfe der Kinder hinweg tauschten Nils und Linda einen Blick.
»Geht es dir gut?«, fragte sie, die Hände in den Taschen ihrer Jeans vergraben.
»Klar.«
»Wie immer?«
»Klar.« Nils nickte. Der bittere Unterton in ihrer Stimme irritierte ihn. Sie hatte bis heute nicht verstanden, dass er in den Wald gezogen war, vor allem, dass er so lange blieb.
»Na dann .« Sie ließ den Blick über das Gelände und den bunt gedeckten Tisch schweifen.
Was sie sah, gefiel ihr, da war Nils sicher. Die Nadel- und Laubbäume hinter der blank geschrubbten Hütte, das gestapelte Holz davor, der Grillplatz und die angrenzende Wiese - es war die reinste Idylle. In der Luft summten Mücken und Fliegen.
»Was wollt ihr unternehmen?« Linda sah von Nils zu Ebba und Olov und mahnte, an die Kinder gewandt: »Falls ihr draußen schlaft, zieht euch warm an.«
Die Kinder nickten. Sie waren in der Zwischenzeit dichter zu ihm herangekommen, und Nils hatte um Olov als auch um Ebba einen Arm gelegt. Er war sich nicht sicher, ob die Umarmung ihnen angenehm war, aber immerhin, sie standen still. Kein Anzeichen davon, sich herauszuwinden.
»Esst nicht so viel von den Zimtschnecken«, mahnte Linda.
»Ich habe Hunger! Können wir gleich eine haben?«, fragte Ebba ungeduldig und spähte zum Tisch.
»Klar«, sagte Nils wieder und nickte.
Wie auf Kommando rannten Olov und Ebba zum Tisch. Ebba griff zur Flasche mit der Limonade, schenkte sich und ihrem Bruder ein und stürzte das Getränk hinunter, während Olov bereits in eine Schnecke biss.
»Na dann .« Linda löste sich verhalten lächelnd vom Wagen, ging zum Tisch und gab Ebba und Olov einen Kuss. »Lasst es euch schmecken. Und viel Spaß!«
Nils fiel auf, dass Linda ihm heute besonders milde begegnete. Normalerweise trat sie forscher auf, beschränkte sich auf die Abstimmung praktischer Angelegenheiten, doch heute wirkten ihre Züge ungewöhnlich weich, und auch ihr halblanges blondes Haar glänzte besonders schön in der frühen Nachmittagssonne.
»Und was hast du so vor?«, fragte Nils sie über die Köpfe der Kinder hinweg. Er vermutete, dass Linda wegen der Aussicht auf die langen Ferien, die vor ihr und den Kindern lagen, so entspannt war.
Seine Frau zuckte mit den Schultern. »Ich treffe mich mit einer Freundin.«
Nils überlegte kurz, ob sie sich wirklich mit einer Freundin traf. Bislang hatten die Kinder nichts davon erwähnt, dass ihre Mutter einen neuen Partner hatte, und seit ihrer Trennung hatte er erfolgreich dem Impuls widerstanden, sie danach zu fragen. Nils war sich nicht im Klaren darüber, wie viel es ihm ausmachen würde, wenn sie jemanden hatte. Er hatte schon öfter darüber nachgedacht, doch wissen würde er es erst, wenn es tatsächlich soweit war.
Beinahe hätte er Linda gefragt, ob sie nicht doch etwas mitessen wollte. Die Frage lag ihm bereits auf der Zunge, doch er verbat sie sich gerade noch. Er kannte seine Neigung, sich von dem Gefühl plötzlich wieder aufkeimender Nähe und Vertrautheit zu unbedachten Worten oder Gesten verlocken zu lassen, doch Lindas distanziertes Verhalten und seine Unsicherheit hielten ihn rechtzeitig zurück.
»Also dann, viel Spaß«, sagte Linda, setzte sich in den Wagen und warf den Kindern aus dem geöffneten Wagenfenster einen Luftkuss zu. Sie legte den Rückwärtsgang ein, wendete und verschwand langsam in einer Staubwolke. Als sie außer Sicht war, schüttelte Nils die Gedanken an sie ab, wandte sich den Kindern zu und forderte sie auf, erst mal die Rucksäcke in die Hütte zu bringen. Und dann machten sie sich alle zusammen über die restlichen Zimtschnecken her.
*
Nils, Ebba und Olov standen abseits des Weges mitten im tiefen Wald. Er hatte sich vorgenommen, einen kleinen Naturkundeunterricht abzuhalten und den Kindern den Unterschied zwischen Fichten und Kiefern zu erklären, und so hatte er zu diesem Zweck von den unterschiedlichen Bäumen einige Nadeln abgezupft.
Vorsichtig legte er nun Kiefernadeln auf Ebbas Handteller, Olov bekam Fichtennadeln. Dann forderte er die Kinder auf, die Unterschiede von Farbe und Form zu beschreiben, außerdem die Nadeln zwischen den Fingern hin und her zu reiben und daran zu riechen und anschließend zu schildern, wonach sie dufteten.
»Die sind viel schmaler und länger«, sagte Ebba mit Blick auf die Kiefernnadeln, nachdem sie sie interessiert mit den Fichtennadeln in Olovs Hand verglichen hatte. »Die hier sehen aus wie die Tapete in meinem Zimmer!«
Ihr Bruder nickte und schnupperte. »Alle riechen nach unserem Badewasser!«
Nils dachte, dass Ebbas Zimmer wohl neu tapeziert worden war, aber dass Linda offensichtlich seit den zwei Jahren ihrer Trennung nichts an dem Badezusatz für die Kinder geändert hatte - sie hatte ihn...
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