Schweitzer Fachinformationen
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April
Ihre Rippen schmerzten heftig. Blut tropfte aus ihrer Nase und von ihren Lippen. Durch das zugeschwollene rechte Auge konnte Amy Tarcher vage das Tor zur Wildflower Ranch erkennen, die ihrer besten Freundin gehörte. Amy stolperte durch das Tor hindurch und lief weiter. Der Kies der Einfahrt knirschte unter ihren Flip-Flops - bei ihrer überstürzten Flucht aus dem Haus hatte sie sich einfach die erstbesten Schuhe geschnappt, die sie finden konnte.
Amys winziges Haus lag ein gutes Stück entfernt von Olivias weitläufiger Ranch. Was bedeutete, dass sie es irgendwie geschafft hatte, drei Meilen zu laufen, um hierherzukommen. Das Auto zu nehmen war unmöglich gewesen. Bevor ihr Ehemann ausgerastet war und sie grün und blau geschlagen hatte, hatte er ihre Reifen aufgeschlitzt, ihr Handy zertreten und ihre Fotoausrüstung mit einem Hammer bearbeitet. Das hatte fast mehr weh getan als die Prügel, die er ihr verpasst hatte.
Doch das Ende ihrer Flucht war nahe. Am liebsten hätte sie sich hier und jetzt fallen gelassen, doch Amy zwang ihre Beine, sich weiterzubewegen. Langsam schlurfte sie die Einfahrt entlang. Sie blinzelte ins helle Sonnenlicht, um das dreistöckige Gebäude vor sich zu betrachten, dann ließ sie den verschwommenen Blick über den Rest des Grundstücks gleiten. Jetzt, zur Mittagszeit, hielt sich wahrscheinlich niemand außer vielleicht Olivias Tante Mae im Haupthaus auf. Als Amy näher kam, bog sie nach rechts ab und konzentrierte sich auf die Scheunen. Drei von ihnen, nebeneinander.
Ihre Rettung.
Feuchtes Gras raschelte unter ihren Sohlen, und Pappeln wiegten sich in einer leichten Brise. Der Duft von Heu und Erde erfüllte die Luft, so vertraut, dass sie am liebsten geweint hätte. Der Frühling hatte die Temperaturen steigen lassen; trotzdem war ihr kalt. Wahrscheinlich würde ihr nie wieder warm werden.
Die Schmerzen waren schrecklich, aber - das sagte sich Amy immer wieder - jetzt war es endlich vorbei. Sie war damit durch. Sobald sie dazu fähig war, würde sie die Scheidung von Chris einreichen und ihren Nachnamen wieder zu Woods ändern. Verzweiflung und Scham erfüllten sie, bis ihr Körper davon zu pulsieren schien. Aber das war ja nichts Neues. Allerdings würde sie diesmal etwas dagegen unternehmen.
Endlich. Sie hatte es geschafft.
Am Rande des Zusammenbruchs, mit protestierenden Muskeln, lehnte sie sich an den Türrahmen der ersten Scheune. Erleichterung flackerte in ihr auf. Das vordere und hintere Tor standen offen, sodass Sonnenlicht den Gang zwischen den Pferdeboxen auf beiden Seiten erhellte. Ihre beste Freundin Olivia stand am anderen Ende der Scheune, ein Klemmbrett in der Hand. Olivias kastanienrotes Haar war zum Pferdeschwanz gebunden, und ihr schlanker Körper steckte in Jeans und einem eng anliegenden Flanellhemd. Amy hatte noch nie in ihrem jämmerlichen Leben etwas so Wunderbares gesehen.
«Liv?» Sie räusperte sich und versuchte es noch mal. «Liv, ich brauche Hilfe.» Ihr Gesicht musste schlimmer zerschlagen sein, als sie gedacht hatte, weil ihre Worte sehr undeutlich klangen.
Olivia riss den Kopf herum. «Oh . oh mein Gott. Amy? Was ist passiert?» Das Klemmbrett fiel klappernd zu Boden.
Amy stolperte vorwärts. Sie trafen sich in der Mitte, dann sank Amy mit einem schmerzerfüllten Seufzen zu Boden. Ihre Rippen protestierten heftig gegen die Bewegung. «Chris .»
Olivia ließ sich sofort neben ihr nieder. Sanft zog sie Amys Kopf auf den Schoß und strich ihr das verklebte Haar aus dem Gesicht. «Oh Gott, Amy, sag mir, was passiert ist.»
Die tröstende Berührung sorgte dafür, dass Amy die Augen schloss. «Bin . ein wenig . lädiert.»
«Hat . hat Chris dir das angetan?»
Sie nickte, unfähig, mehr zu tun.
«Warum hast du mich nicht angerufen?», fragte Olivia. Es gelang ihr nur mühsam, ihre Stimme ruhig zu halten. Das hörte Amy sogar in ihrem jetzigen Zustand.
«Konnte nicht. Er hat . das Handy . zerstört. Und mein Auto.»
«Scheiße, Amy. Du bist hergelaufen?»
Doch Amy war zu schmerzerfüllt und erschöpft, um noch einmal zu nicken. Stattdessen fiel sie in Ohnmacht.
Als sie wieder zu Bewusstsein kam, lag sie noch immer mit dem Kopf auf Olivias Schoß. Ihre Freundin hielt ein Walkie-Talkie in der Hand. «Ich habe Tante Mae gesagt, sie soll Hank anrufen. Und Rip.» Der Sheriff. Gute Idee. «Es wird alles gut, Amy, wir helfen dir.»
Dann hob Olivia das Funkgerät ans Ohr «Nakos?» Ihre Stimme durchschnitt förmlich die Luft in der stillen Scheune. «Ich brauche dich. Sofort.» Sie sah auf Amy herunter und erklärte: «Er ist mit Nate auf der südlichen Weide und repariert Zaunpfähle. Es wird etwas dauern, bis er hier ist.»
Bevor sie mehr sagen konnte, erklang ein lautes Klicken. Amys Herzschlag setzte einen Moment lang aus, als sie das Geräusch erkannte: eine Waffe, die entsichert wurde. Hinter Olivias Kopf erschien ein Lauf aus Metall, der gleich darauf gegen die Schläfe ihrer Freundin gedrückt wurde.
Aus ihrer liegenden Position konnte Amy nur ein Hosenbein sehen, doch der saure Geruch von Bier verriet ihr, dass ihr Ehemann beschlossen hatte, ihr zu folgen.
Chris stolperte um sie herum, bis Amy ihn ganz sehen konnte. «Her mit'em Funkgerät, Miststück.»
Olivias weit aufgerissene blaue Augen wurden noch größer, als sie Chris mit zitternder Hand das Funkgerät reichte. Dann sah sie auf Amy herunter, Entsetzen im Blick.
Chris warf das Gerät auf den Boden, zertrat es und verteilte die Bruchstücke mit einem schnellen Kick in der Scheune. Die Pferde wieherten und schnaubten, sodass zusammen mit Staubpartikeln auch der Duft von Heu und Fell aufstieg.
Gott, das konnte nicht passieren. Das war einfach nicht . möglich. Nicht mal sie konnte so viel Pech haben. Sie hätte versuchen sollen, zum Polizeirevier zu laufen, statt zur Wildflower Ranch zu kommen. Jetzt hatte sie ihre Probleme mit hierhergeschleppt.
Aus dem Augenwinkel bemerkte sie Maes weißes Haar im Türrahmen hinter Chris. Die ältere Frau erfasste die Situation mit einem Blick, dann verschwand sie eilig wieder, bevor Chris sie entdecken konnte.
Gott sei Dank. Mae konnte alle informieren.
Amy schloss kurz die Augen. Erneut drohte die Dunkelheit nach ihr zu greifen, Punkte tanzten vor ihren Augen. Doch sie musste ihren Ehemann von ihrer Freundin wegbekommen. Er war offensichtlich sturzbetrunken, noch schlimmer als vor ein paar Stunden, daher war unmöglich vorherzusagen, was er tun würde.
«Lass Liv gehen. Sie hat nichts getan. Du bist .» Verdammt, reden tat weh. «Du willst mich, nicht sie.»
Chris schob seinen Hut nach hinten und senkte seine Waffe Richtung Boden. «Das is' alles deine Schuld, du selbstsüchtige Schlampe. Schau dich an. Absolut nutzlos.»
Die folgende Tirade hatte Amy schon oft gehört. Tausende Male, um genau zu sein. Also blendete sie den Strom der Beleidigungen so gut wie möglich aus.
Chris' Jogginghose war dreckig, und sein Sweatshirt sah nicht viel besser aus. Sie fragte sich, wo zur Hölle er hingegangen war, nachdem er sie als zerschlagenen Haufen auf dem Boden ihres Hauses zurückgelassen hatte. Er war dünn, eher sehnig als muskulös, und sein ausgezehrtes Gesicht machte nur selten Bekanntschaft mit einem Rasierer. Als sie sich vor drei Jahren getroffen hatten, hatte sie sein Gesicht auf raue Weise anziehend gefunden. Wenn sie sein strähniges braunes Haar und die blutunterlaufenen Augen jetzt betrachtete, hatte sie keine Ahnung mehr, wieso sie ihn je für attraktiv hatte halten können.
Er grinste höhnisch und spuckte auf den Boden. «Ich sollt' dich bestraf'n. Auf 'ne Art, die du nie vergessen wirst. Aber beim Gedanken, dich zu ficken, faul'n mir die Eier ab. Du has' die Prügel verdient. Das hätt' ich schon vor Jahr'n tun soll'n, Fettarsch.»
Amy hätte nicht gedacht, dass sie sich noch mehr schämen könnte, aber nun schoss ihr die Hitze in die Wangen. Sie spürte Olivias Körper unter sich erzittern. Falls ihrer Freundin etwas zustieß, würde sie sich das nie verzeihen. Sie musste Chris von seinem Trip herunterholen, daher bemühte sie sich, die Kraft zu finden, ihm mit vernünftigen Argumenten entgegenzutreten.
Jemand trat in das Scheunentor, die Waffe auf Chris' Rücken gerichtet. Jeans und ein schwarzes T-Shirt umhüllten einen . Riesen von Mann. Tätowierungen zogen sich über die kräftigen Muskeln an seinen Armen, und er hielt die Waffe, als wäre sie eine natürliche Verlängerung seines Körpers. Soweit sie das unter der Baseballkappe erkennen konnte, schien er seine Haare abrasiert zu haben, doch auf seinem Kinn glänzten hellbraune Bartstoppeln. Sein Blick huschte zu Olivia und über Amy hinweg und saugte sich dann an Chris fest.
Heilige Maria. Das musste Nate Roldan sein. Der Soldat, der vor ein paar Wochen ganz plötzlich vor Olivias Tür gestanden hatte. Er hatte Justins Wenn-du-diese-Zeilen-liest-Brief überbracht, damit Olivia die letzten Worte ihres Bruders lesen konnte. Amy hatte den Kerl bis jetzt nicht getroffen - aber er war in derselben Einheit wie Justin gewesen und hatte offenbar miterlebt, wie der junge Soldat gestorben war. Olivias Beschreibungen waren keineswegs übertrieben gewesen, wie Amy jetzt bemerkte. Der Mann war ein Berg aus Muskeln und Testosteron.
Leise schlich Nate vorwärts, bis er nur noch ein paar Meter entfernt stand.
Hinter ihr erklangen Schritte. «Lass die Waffe fallen, Chris.»
Nakos. Gott sei Dank. Amy hätte diese tiefe Stimme überall...
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