Schweitzer Fachinformationen
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Guck dir das an«, sagt Natalie und stellt den Fernseher lauter.
Die Nachrichten laufen, und wir hängen nach einem teuren Abendessen, mit dem wir ihren Geburtstag und meinen ersten Gig seit über einem Jahr gefeiert haben, zu Hause ab. Die beiden Abende in der Jazz Bakery schlummern süß in meinen Gedanken.
Ich richte den Blick gerade noch rechtzeitig auf die Mattscheibe, um zu sehen, wie vom Nachrichtensprecher auf eine Reporterin umgeschaltet wird, die vor einer größeren Menschenansammlung steht. Sie trägt einen Trenchcoat, hat ein Mikrofon in der einen Hand und schiebt sich mit der anderen die Haare aus dem Gesicht. Sie macht einen etwas gehetzten Eindruck, als wäre sie eingeblendet worden, bevor sie zur Aufnahme bereit war. Sie starrt in die Kamera und hält die Hand hinters Ohr.
»Ja, jetzt höre ich dich, Jim.« Sie wirft einen Blick nach hinten über die Schulter und sieht dann wieder in die Kamera. »Wie Sie sehen, stehen wir hier vor dem Santa Monica Civic, in dem Jazzstar Ty Rodman gerade vor ausverkaufter Halle aufgetreten ist.«
Sie stockt kurz, als die Menschenmenge sich von hinten an sie drängt. Einige schreien und winken, weil sie unbedingt ins Fernsehen wollen. Sie dreht ihnen nervös den Kopf zu und blickt dann zurück in die Kamera.
»Das Santa Monica Police Department bestätigt, dass Ty Rodman Opfer eines tätlichen Angriffs mit einer Stichwaffe geworden ist. Das Ausmaß seiner Verletzungen ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bekannt. Ich versuche noch, eine Stellungnahme der Polizei zu erhalten. Wie Sie sehen, sind viele Fans von Rodman nach wie vor da.« Sie versucht, ihren ernsten Gesichtsausdruck zu wahren, aber ein Lächeln entwischt ihr, als sich wieder jemand an sie drängt. »Sie müssen gehört haben, dass etwas passiert ist. Es will noch niemand gehen, obwohl das Konzert bereits vor vierzig Minuten geendet hat. Weitere Informationen haben wir momentan noch nicht. Zurück zu dir ins Studio, Jim.«
»Danke für diesen Bericht, Trish«, sagt Jim. Er raschelt mit Papieren und sieht hinüber zu der zweiten Sprecherin, einer perfekt gestylten Blondine. »Scheint ja ganz schön ungemütlich da draußen zu sein. Noch einmal: Wir haben einen unbestätigten Bericht über einen tätlichen Angriff mit einer Stichwaffe auf Jazzstar Ty Rodman im Santa Monica Civic. Am Ende der Nachrichten werden Sie noch mehr zu diesem Thema hören, richtig, Marion?«
»Das ist richtig, Jim«, sagt Marion. »Wir sind gleich wieder da mit Bob und der neuesten Wettervorhersage. Bleiben Sie bei uns, hier bei Action News.«
»Jazzstar?« Ich sehe Natalie an, während sie den Ton wegschaltet. »Ty Rodman?«
»Du kennst ihn, oder?«, fragt sie.
»Ich weiß, wer das ist, und hab ihn vielleicht auch mal getroffen, aber kennen tue ich ihn nicht.«
Ty Rodman und ich verkehren nicht in denselben Kreisen. Er ist einer von einem halben Dutzend Saxofonspielern, die Bluesriffs mit einem Rockbeat vermischen und ein Vermögen damit verdienen, in Kenny Gs Fußstapfen zu treten.
»Was da wohl passiert ist?«, sagt Natalie.
»Das wird uns Action News sicher gleich verraten. Ein Bier?«
»Na klar«, sagt Natalie.
Ich bin auf dem Weg in die Küche, als das Telefon klingelt.
»Evan. Störe ich dich?«
»Coop? Nein, nur beim Feiern von Natalies Geburtstag. Was gibts?«
»Ich möchte, dass du runter zum Santa Monica Civic kommst.«
»Ich habs gerade in den Nachrichten gesehen. Was ist passiert? Alles okay mit Rodman?«
»Mit Rodman ist gar nichts okay, er ist tot. Es gibt hier etwas, das du dir ansehen müsstest.«
»Jetzt?«
»Jetzt.« Der gewohnte scherzhafte Tonfall fehlt völlig in Coops Stimme. Das klingt nach Lieutenant Cooper, Mordkommission.
»Warum?«
»Komm einfach her. Sofort .«, schreit er jemanden an. Ich höre andere Stimmen. »Ich muss auflegen«, sagt er zu mir. »Komm zum Bühneneingang.«
Bevor ich noch etwas fragen kann, hat Coop das Gespräch beendet. Ich lege den Hörer auf und werfe Natalie, die mich beobachtet, einen Blick zu. »Rodman ist tot. Coop will, dass ich rüberkomme und mir etwas ansehe.«
»Tot? Was will er von dir?«
»Ich habe keine Ahnung. Ich fahr lieber mal hin.«
Es passt mir gar nicht, aber ich mache es, nicht nur, weil Danny Cooper Lieutenant bei der Mordkommission ist, sondern auch, weil er mein ältester Freund ist.
Die Strecke von Venice zum Santa Monica Civic ist kurz, aber an der Ecke Pico und Ocean Avenue staut sich der Verkehr und wird umgeleitet. Ein leichter Sprühregen betupft die Straße. Ich schleiche im Schritttempo auf die Kreuzung zu, überzeuge einen Verkehrspolizisten, dass ich erwartet werde, und parke neben einer ganzen Flotte von Polizeiautos. Die Neuigkeit hat sich schnell herumgesprochen. Rund um den Seiteneingang ist alles mit gelbem Plastikband abgesperrt, vor dem eine beachtliche Menge Konzertbesucher gegen die uniformierten Polizisten drängt, die die Situation zu kontrollieren versuchen.
Ich arbeite mich nach vorne durch und weise mich bei einem Uniformträger aus, der mich durch einen langen Gang zu Ty Rodmans Garderobe führt. An der Tür hängt ein Plakat, auf dem Rodmans Name mit einem großen, schwarzen Filzstift-X durchgestrichen ist. Ein anderer Uniformierter, der dort Wache hält, klopft und öffnet die Tür.
»Er ist da, Lieutenant.« Durch die geöffnete Tür kann ich ein wenig in den Umkleideraum hineinsehen. »Gehen Sie rein«, sagt der Cop.
Coop und sein Partner Ivan Dixon hocken vor Ty Rodmans Körper, der halb mit der Decke des Coroners zugedeckt ist.
Coop erhebt sich und sieht mich an. »Danke, dass du gekommen bist. Willst du ihn sehen?« Er nickt in Richtung von Rodmans Leichnam. Dixon deckt ihn wieder ganz mit der Decke zu, aber nicht schnell genug, so dass ich das Blut sehe, das auf Rodmans gewohntem weißem Anzug entsetzlich grell aussieht.
»Danke, nicht nötig«, sage ich und werfe Dixon einen Blick zu. Der Polizeifotograf packt seine Ausrüstung zusammen, woraufhin die Kriminaltechniker Latexhandschuhe überstreifen, damit sie sich an die Arbeit machen können. Ein anderer Typ richtet kurz eine Videokamera auf mich. Ich frage mich, was mit dem Rest von Rodmans Band passiert ist.
Die Künstlergarderobe ist mit getragenen Klamotten und Bierflaschen übersät. Der Schminktisch vor einem großen Spiegel mit hellen Glühbirnen rundherum ist mit Spuren eines weißen Puders bedeckt. Ich starre bereits hin, bevor Coop etwas sagen kann.
»Das solltest du dir ansehen.« Coop zeigt auf den Spiegel. »Was zum Teufel soll das?«
Die Buchstaben sehen aus, als ob sie noch nass wären, an einigen Stellen haben sie getropft. Es könnte Farbe oder Nagellack sein, aber ich weiß, dass es Blut ist. Zwei Worte sind quer über den Spiegel geschmiert:
Bird lives!
Ich starre sie eine Zeit lang nur an und wende dann Coop den Blick zu. Er und Ivan Dixon beobachten mich beide, wollen meine Reaktion sehen.
»Charlie Parker, richtig?«, sagt Dixon.
»Noch einer von euch Jazztypen?«, fragt Coop.
»Genau, Charlie Parker, Saxofonist. Er wurde Bird genannt.«
»Wer nannte ihn Bird?«
»Jeder. Das war sein Spitzname. Charlie Yardbird Parker.«
Dixon und ich sehen uns an. Dixon ist selbst Jazzfan. Er wusste es, wollte aber auf Nummer Sicher gehen. Ruf deinen Freund Evan Horne an. Der wirds wissen. Schönen Dank auch, Dixon.
Ich betrachte wieder die Worte auf dem Spiegel. »Als Parker starb, tauchten diese Graffiti überall in Greenwich Village auf.«
»Ich traue mich kaum zu fragen, aber wann soll das gewesen sein?«, will Coop wissen.
»März 1955.«
Coop nickt und sieht die Worte an, dann wieder mich. »Und was hat dieser Bird nun mit Ty Rodman zu tun?«
Gute Frage. Die einzige Gemeinsamkeit zwischen ihnen war, dass sie beide Altsaxofon spielten. »Ich würde das eher andersherum formulieren. Was hatte Rodman mit Bird zu tun?«
Coop reagiert nicht auf meine Frage. Die Sache gefällt ihm nicht, er ist nicht in seinem Element. Er blickt frustriert in Richtung Spiegel. »Reden wir hier etwa von einem verärgerten Jazzfan?«
Mein Blick wird von einem Discman angezogen, der auf dem Tisch liegt. »Ach, übrigens. Laut Angaben des Bühnenmanagers lief das da noch, als er hereinkam, um Rodman abzuholen.«
Coop drückt mit einem behandschuhten Finger auf »Play«. Ich erkenne das Stück sofort. Es ist Bird zusammen mit dem Trompeter Red Rodney, eine Aufnahme aus den frühen Fünfzigern. Eine von Birds eigenen Kompositionen. Ein Blues namens »Now's the Time«.
Coop lässt das Stück einige Sekunden lang laufen, hält die CD an und studiert den Ausdruck auf meinem Gesicht. »Was?«
Ich blicke mich um. »Wo ist sein Horn?«
Coop macht eine Bewegung mit dem Kinn. »Das, was davon übrig ist, liegt da drüben.«
In einer Ecke liegt halb versteckt unter einem von Rodmans Hemden der Saxofonkoffer. Coop zieht das Hemd beiseite.
Mit dieser...
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