© G. Hüdepohl, www.atacamaphoto.com/ESO
VOM HIMMEL ZUM WELTALL
Seit jeher erkunden die Menschen den Himmel. Mit der Erfindung des Fernrohrs ist es ihnen gelungen, immer weiter ins All vorzudringen und das kosmische Geschehen mehr und mehr zu durchschauen. In der modernen Astronomie treffen wissenschaftliche Tradition und technologischer Fortschritt in einmaliger Weise aufeinander und befruchten sich gegenseitig.
Wir leben in einem goldenen Zeitalter der Astronomie. Wöchentlich bereichern Forschungsmeldungen über Entdeckungen aus dem Universum die Wissenschaftsseiten nicht nur überregionaler Tageszeitungen. Wir dürfen staunen über Berichte von kollidierenden Schwarzen Löchern in fernen Galaxien oder darüber, dass Astronomen und Kosmologinnen sich wieder einmal uneins darin sind, wie schnell das Universum denn nun tatsächlich expandiert. Und vielleicht erinnern Sie sich sogar noch an die letzte Meldung über einen vermeintlich erdähnlichen Planeten, der in nicht allzu großer kosmischer Entfernung bei einem fremden Stern entdeckt wurde?
All diese faszinierenden Entdeckungen und Erkenntnisse haben wir einem enormen technischen Fortschritt der letzten Dekaden zu verdanken, in den große Wissenschaftsorganisationen mehr und mehr im Verbund investiert haben und der nun Früchte trägt. Viele Entwicklungen der neuesten Technologien wurzeln bereits in den 1970er- oder 1980er-Jahren und wurden von einer Generation von Wissenschaftlern an die nächste weitergereicht. So reichen beispielsweise die Planungen der Rosetta-Mission, mit der die Europäische Raumfahrtorganisation ESA 2014 erfolgreich den Kometen 67P/Tschurjumov-Gerasimenko anflog und erstmals eine robotische Sonde auf einem Kometen absetzte, bis ins Ende der 1980er-Jahre zurück. Und die ersten Experimente, aus denen schließlich die Messtechnologien der heutigen Gravitationswellendetektoren hervorgingen, führten Physiker bereits in den 1970er-Jahren in den USA durch.
Vor über 400 Jahren erweiterte die Erfindung des Fernrohrs die Sicht des Menschen auf das Universum sprunghaft; wurde damit doch der Blick auf Begleiter anderer Planeten, wie etwa die Galileischen Monde des Jupiter oder die Ringe des Saturn, freigegeben (vgl. "Unsere kosmische Nachbarschaft"). Mit der technischen Weiterentwicklung des Teleskops tauchten immer mehr Sterne und zwischen ihnen vereinzelt auch Nebelchen auf, von denen sich manche als Sternhaufen, andere als "echte" Nebel, also Gas- und Staubansammlungen oder Hüllen alter Sterne, aber viele auch als ferne Galaxien entpuppten (vgl. "Sterne, Staub und Exoplaneten" und "Ferne Welteninseln").
Doch erst, als das Universum dank moderner Beobachtungstechnologien neben dem sichtbaren Licht auch in anderen Wellenlängenbereichen des elektromagnetischen Spektrums oder gar über die kosmische Teilchenstrahlung zugänglich wurde, begannen Forscherinnen und Forscher, astrophysikalische Prozesse besser zu verstehen oder neue Phänomene überhaupt erst zu entdecken. Zugleich stehen wir vor neuen, vielleicht noch viel größeren Rätseln als zuvor: Während die Menschen vor 100 Jahren noch kaum glaubten, dass das Universum über die Milchstraße hinausreichen könnte, müssen wir uns heute mit einem sich beschleunigt ausdehnenden Universum abfinden, das allein schon in seiner beobachtbaren Reichweite 93 Milliarden Lichtjahre durchmisst. Und wie groß es über den für uns sichtbaren Bereich hinaus tatsächlich ist, wissen wir noch nicht einmal. Irgendwie ein Déjà-vu .
Bisher haben wir nur eine grobe Vorstellung davon, wie sich die Strukturen im All, die wir heute sehen, - und damit auch unsere Heimatgalaxie - aus dem heißen, dichten Zustand der Urmaterie nach dem Urknall entwickelt haben. Die wichtigste Zutat dabei ist offenbar die Dunkle Materie, deren Natur noch völlig unbekannt ist. Und es ist die mindestens ebenso rätselhafte Dunkle Energie, die das Universum beschleunigt expandieren lässt. Eine harte Nuss!
DAS ELEKTROMAGNETISCHE SPEKTRUM
Nahezu unser sämtliches Wissen über astrophysikalische Objekte und kosmische Ereignisse basiert auf Information, die das Licht aus dem All bereithält. Dabei beschränkt sich der Begriff "Licht" im weiteren Sinne nicht auf den für uns sichtbaren Teil des elektromagnetischen Spektrums. Dieser macht nur einen sehr kleinen Bereich zwischen 380 und 780 Nanometern aus. Da ein Großteil des elektromagnetischen Spektrums die irdische Atmosphäre gar nicht durchdringen kann, ist das menschliche Auge nur für ebendiesen optischen Bereich des Spektrums empfänglich. Allein Infrarotstrahlung nehmen wir noch als Wärme wahr. Ebenso stand Astronomen zur Erforschung des Universums lange Zeit nur dieser begrenzte Ausschnitt des Spektrums zur Verfügung. Erst mit der Entwicklung spezieller Beobachtungstechnologien sowie der Möglichkeit, Forschungssatelliten im Orbit um die Erde auszusetzen, wurde die vollständige Bandbreite vom langwelligen Radiobereich bis zur hochenergetischen Gammastrahlung zur Erkundung des Weltalls zugänglich.
Die Atmosphäre ist nur für einen Teilbereich des elektromagnetischen Spektrums durchlässig.
© Gerhard Weiland
OBSERVATORIEN AUF DER ERDE
Zwar ist die irdische Atmosphäre für den sichtbaren Bereich des elektromagnetischen Spektrums durchlässig; dennoch beeinträchtigen Luft- und Lichtverschmutzung sowie ein hoher Gehalt an Wasserdampf, aber auch bewegte Luftmassen bei bestimmten Wetterlagen, astronomische Beobachtungen. Um diesen Einflüssen möglichst zu entgehen, bauen Astronomen ihre Observatorien an abgelegenen Orten. Besonders günstige Beobachtungsbedingungen bieten hohe Berglagen fernab der Zivilisation: In Höhenlagen etwa ist die Luft besonders trocken; große Wasserreservoirs wie Ozeane in der Umgebung von vulkanischen Inseln oder küstennahen Hochgebirgen wirken zudem moderierend auf das Klima.
Ein in dieser Hinsicht optimaler Standort ist die Atacama-Wüste in den chilenischen Anden, einer der trockensten Orte der Erde. Dort betreibt die Europäische Südsternwarte (European Southern Observatory, kurz: ESO) mit Hauptsitz in Garching bei München ihre Teleskope. Das derzeit modernste Observatorium der ESO, das im optischen und Infrarotbereich beobachtet, ist das Very Large Telescope (VLT) auf dem 2635 Meter hohen Cerro Paranal. Es besteht aus vier Einzelteleskopen mit je einem 8,2 Meter durchmessenden Hauptspiegel, die sich zu einem Großteleskop zusammenschalten lassen. Wie auch bei anderen Teleskopen dieser Größenklasse lassen sich die Hauptspiegel mittels aktiver Optik verformen, um mechanische Deformationen durch Schwerkraft und Umlagerung auszugleichen. Die Einzelteleskope verfügen über ein Auflösungsvermögen von 0,05 Bogensekunden, in der Viererkombination erreicht das VLT sogar 0,002 Bogensekunden. (Eine Bogensekunde (auch Winkelsekunde) entspricht dem 3600. Teil eines Grads. Eine Bogenminute ist entsprechend der 60. Teil eines Grads.) Daneben unterhalten die ESO sowie andere internationale Forschungseinrichtungen in Chile eine ganze Reihe weiterer spezialisierter Teleskope.
Auf dem Mauna Kea in Hawaii thront in 4200 Metern Höhe das W.-M.-Keck-Observatory; es besteht aus zwei Teleskopen, die sich zu einem gemeinsamen verbinden lassen.
© NASA
Astronomisch ähnlich komfortable Bedingungen bietet auf der Nordhalbkugel der Mauna Kea auf Hawaii. Dort betreiben unter anderem die USA, Kanada und Japan verschiedene Observatorien in 4145 Metern über dem Meeresspiegel: Die beiden vom California Institute of Technology der University of California unterhaltenen Keck-Teleskope sind mit Spiegelflächen von jeweils zehn Meter Durchmesser ausgerüstet, die sich aus 36 sechseckigen Einzelspiegeln zusammensetzen. Sie beobachten sowohl im optischen als auch im nahen infraroten Wellenlängenbereich. Das von den USA im internationalen Verbund unter anderem mit Kanada betriebene Gemini-North-Observatorium besitzt einen 8,1-Meter-Spiegel. Ein Pendant dazu steht auf der Südhalbkugel in den chilenischen Anden. Erwähnenswert ist außerdem das von Japan geleitete Subaru-Teleskop, das mit einem 8,2-Meter-Spiegel ebenfalls im Optischen und Infraroten beobachtet. Auf dem Nachbarvulkan Mauna Loa betreibt das National Center for Atmospheric Research aus Boulder, Colorado, ein Sonnenobservatorium.
Auf europäischer Seite sind die kanarischen Inseln ein wichtiger Standort: Die auf Teneriffa und La Palma ansässigen Teleskope verschiedener europäischer Partner werden mittlerweile als ENO - European Northern Observatory - als Pendant zur ESO bezeichnet. Führend ist dort das Gran Telescopio de Canarias mit einem 10,4-Meter-Spiegel, der aus mehreren Segmenten zusammengesetzt ist. Auf der Kanareninseln La Palma angesiedelt sind zudem das Tscherenkow-Teleskop MAGIC und Instrumente des neuen Cherenkov Telescope Array, die kosmische Teilchen- und Gammastrahlung untersuchen (vgl. "Astroteilchenphysik").
Das Very Large Telescope (VLT) der ESO auf dem Paranal in der chilenischen Atacama-Wüste ist eines der modernsten Observatorien. Es besteht aus vier Einzelteleskopen, die sich zu einem größeren Teleskop zusammenschalten lassen.
© ESO/Y. Beletsky
ADAPTIVE OPTIK
Moderne Observatorien sind in der Lage, technisch so präzise zu messen, dass selbst die eigentlich klare Atmosphäre in abgelegenen Gegenden wie der Atacama oder auf dem Mauna Kea die astronomischen Beobachtungen beeinträchtigt. Die sogenannte Luftunruhe bestimmt, wie scharf ein Bild einer Galaxie oder eines...