Schweitzer Fachinformationen
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Ich erwache, als Constanze den Kopf hebt, und mir wird ganz leicht ums Herz. Aber auch um die Seiten, denn ich durfte die ganze Nacht Constanzes Kopfkissen sein. Auf ihrem jugendlichen Gesicht zeichnet sich der Abdruck eines Henkels ab. Meines Henkels. Ach wie schön, wir passen zueinander, ineinander, ich war heute Nacht sozusagen ein Teil von ihr, also von ihrem Gesicht ...
Es ist schon hell im Zimmer, dezente Musik umfängt mich. Constanze läuft zu ihrem Schreibtisch und grapscht eine lederne Umschlagtasche. Auch ein edles Stück, das kann ich nicht anders sagen. Ich stelle mich als Billy vor, aber Bree ist nicht exklusiv genug, um einen eigenen Vornamen zu haben.
Constanze schüttet den gesamten Inhalt neben mich auf ihr Bett. Unglaublich, was sich in der Schultasche einer Fünfzehnjährigen ansammelt. Ich bin fast sicher, dass die werten Eltern vieles davon nicht wissen. Dass sie sich schminkt, ist völlig normal, aber dieser grellrote Lippenstift und das schwarze Kajal würden dem Herrn Papa sicher nicht gefallen.
>Eine alte Schultasche hat mir einmal erzählt, früher habe es Liebesbriefchen gegeben und Zettelchen, auf denen Schüler im Unterricht Nachrichten ausgetauscht hätten. Kennst du so etwas?<, frage ich Bree, aber die alte Tasche brummt nur müde.
Ich sehe nur Kaugummipapierchen, Kassenbons und zerknitterte Hausaufgabenüberprüfungen mit hervorragenden Noten. Sie traut sich wohl gar nicht, etwas anderes nach Hause zu bringen. Vielleicht ist sie immer so gut, sodass sie es nicht nötig hat, ihre Noten zu Hause zu erzählen oder zu zeigen. Oder aber es interessiert sich niemand für ihre Erfolge.
>Sag mal, gibt es bei dir keine wöchentliche Leerung?<, möchte ich wissen.
>Ay, chill mal, es ist früh am Morgen.<
Unverschämtheit!
Da ist ein Ordner, den sie mit lauter Herzchen verziert hat. Wem die wohl gelten? Als ich sie mit diesem jungen Türken gesehen habe, wusste ich gleich, dass sie ihre Reize einzusetzen weiß. Aber ich habe gar keine Lust mehr, Bree danach zu fragen.
Ui, diese halterlosen Strümpfe gehören eigentlich auch nicht in eine Schultasche, oder? Das ist wohl eher das Outfit für nach der Schule. Oder statt Schule?
Dazu passt auch dieses kleine, quadratische Tütchen, das sich unschwer als Kondompackung identifizieren lässt. Ob sie schon ...? Oder nur für alle Fälle? Ich bin nicht sicher, ob ich es als Schultasche erfahren werde. Da wäre ein Dasein als Abendtäschchen sicher hilfreicher. Ach, manchmal wäre ich gern eine Geldbörse, dann wäre ich immer dabei. Aber in den meisten Fällen steckt man dann in einer Tasche und sieht gar nicht, was um einen herum vor sich geht.
>Sag mal, nimmt sie einen wirklich nur mit in die Schule?<, möchte ich von Bree wissen.
>Nerv nicht. Find es doch selbst heraus<, mufft die alte Tasche.
Constanze zerrt an mir und reißt meine Seiten auseinander. Ich bin noch gar nicht so richtig wach, um die Uhrzeit finde ich das wirklich unverschämt.
>Geht das jeden Morgen so?<, frage ich Bree, aber der scheint wieder zu schlafen.
Ich versuche, mich ein wenig zusammenzuziehen, aber schon stopft Constanze etwas Großes, Viereckiges in mich hinein, das fast so groß ist wie ich selbst. Die Oberfläche ist glatt, ich könnte mit dem Reißverschluss meiner Innentasche einen hässlichen Kratzer darauf hinterlassen, vielleicht wäre ihr das eine Lehre. Constanze stopft noch drei Bücher und zwei Hefter und ein Stiftemäppchen daneben. Dann öffnet sie mein kleines Innentäschchen und steckt das Kondom hinein, daneben einen Tampon und das Schminkzeug. Finde den Fehler!
Constanze schnappt mich, und ich ächze unter dem Gewicht. Ich bin zwar sehr solide verarbeitet, aber ich bin doch keine Schwerlasttasche, ich bin eine Billy Wogner.
Sie lässt mich neben der Haustür zu Boden gleiten und geht in die Küche. Leider schließt sie die Tür hinter sich. Ich höre zwar Stimmen, die wieder einmal nicht entspannt klingen, aber ich kann nichts verstehen. Neben mir steht eine schwarze Aktentasche. Ihre Magnetschließe auf der Front scheint mich wie eine Überwachungskamera zu scannen. Ich fühle mich unwohl neben ihr. Ich glaube, ich muss dieser Aktentasche einmal klarmachen, dass ich kein Weibchen bin, nur weil ich rot bin, sondern ein echter Kerl.
>Ich bin Billy<, sage ich und versuche, meiner Stimme einen tiefen, herben Klang zu geben.
>Klar doch, und ich bin Kassandra<, sagt dieser Business-Schnösel und wartet darauf, ob ich das Schweigen breche.
>Na gut, du scheinst wirklich ein Kerl zu sein, sonst hättest du längst etwas gesagt. Neu hier?<
Ich straffe meine Schulterriemen und erkläre, dass ich bislang nicht auf den Boden gestellt wurde, um nicht schmutzig zu werden, darum hätten wir uns dort unten auf seinem Niveau wohl noch nie getroffen.
>Ich bin eine handgenähte Aktentasche im englischen Stil, mich beschädigt so leicht nichts<, erklärt die Tasche mir, ohne sich wirklich vorzustellen. Für mich heißt sie einfach nur Snob.
>Diese täglichen Diskussionen werden immer schlimmer, dabei vergessen die Herrschaften völlig, auf die Uhr zu schauen. Ich muss einmal einschreiten, damit wir pünktlich hier wegkommen<, sagt der Snob und lässt sich gegen einen Schirmständer kippen, dass es nur so scheppert.
Tatsächlich wird die Tür aufgerissen und August von Steffeln tritt in die Diele und greift nach dem Snob neben mir.
»Jetzt komm endlich, Constanze, ich komme sonst zu spät ins Büro«, sagt er in einem Befehlston, der keine Alternative zulässt. Seine Pünktlichkeit scheint ihm wirklich heilig zu sein.
»Fahr du schon, ich habe meinen Laptop vergessen, den muss ich heute unbedingt dabeihaben. Ich nehme den Bus«, ruft Constanze, haucht ihrem Vater einen Kuss auf die Wange und läuft mit mir die Treppe hoch.
Ich habe keine Ahnung, aber ich hätte vermutet, dass das Große, was sie vorhin in mich gestopft hat, ein Laptop war. Constanze stellt sich ans Fenster und beobachtet, wie ihr Vater davonfährt, dann drückt sie mich an ihre warme Brust und läuft wieder die Treppe hinunter und mit einem Abschiedsruf in Richtung Küche zur Tür hinaus.
Endlich sehe ich Nele wieder, als sie sich neben Constanze in den Bus-Sitz fallen lässt und zwangsläufig mit Constanze Bein an Bein sitzt, weil diese nicht weiter ausweichen kann. Nele hat einen alten, schwarzen Nylonrucksack auf dem Schoß, eine Naht ist notdürftig mit Sicherheitsnadeln zusammengehalten. Der Rucksack spricht leider kein Deutsch und ich kein Chinesisch, wir haben uns daher nichts zu sagen. Aber Neles Handrücken wandert immer wieder zu mir. Constanze hat mich so auf ihren Oberschenkeln drapiert, dass jeder mich sehen kann.
»Hey, Conzi, hast du eine neue Tasche?« Constanze blickt die Fragerin etwas gelangweilt an und erwidert, sie sei ihrer Mutter zu gewöhnlich, aber für die Schule sei sie gerade richtig. Manchmal kommt die Arroganz der Familie bei ihr einfach durch. Das Mädchen wendet sich prompt genervt ab.
»Und was sagen deine Eltern dazu, wenn die Tasche in der Schule auf dem Boden steht, im Umkleideraum der Turnhalle herumfliegt oder in die engen Schließfächer gestopft wird?«, will Nele wissen. »In ein paar Tagen sieht die nicht mehr so gut aus wie jetzt.«
»So eine Tasche gammelt edel, die sieht dann nicht kaputt aus, sondern vintage.«
Nele streichelt mir hingebungsvoll über die Seite und lässt ihre Hand auf ihre eigene Tasche gleiten, die sie ein wenig fester an sich drückt.
»He, Jessi, ist die Tasche neu?«, fragt Constanze ein Mädchen, die keinen Sitzplatz mehr bekommen hat und ihre Tasche fast in Neles Gesicht rammt. Man sieht sofort, dass die Tasche deutliche Gebrauchsspuren hat.
»Nein, die habe ich schon eine Weile, aber was hast du denn da für ein edles Teil?«
So ein Luder, fishing for compliments, Komplimente anderer herausfordern. Sie hat doch noch nicht die Klasse ihrer Eltern, die eher mit Understatement bewirken, dass die Leute ihnen Komplimente machen.
So eine Schule ist ein interessantes Universum. Hier schnattern Hunderte von Mädchen auf dem Schulhof durcheinander, was mich zu dem Schluss kommen lässt, dass Jungen von sich aus intelligent sind und keine Schule brauchen - oder dass sie an dieser Schule nicht erlaubt sind und andere Schulen besuchen. Immerhin gibt es männliche Lehrkräfte, wobei ich den Eindruck habe, dass die älteren besonders bieder und die jüngeren besonders sexy aussehen. Ob es im Laufe der Zeit eine Verwandlung von sexy in bieder gibt? Oder haben früher die besonders tugendhaften ihre Lehre an junge Mädchen weitergeben wollen, während es heute diejenigen sind, die von den Mädchen bewundert und angeflirtet werden möchten?
»Der Klassenraum ist so schmutzig, da kann ich die Tasche auf keinen Fall auf den Boden stellen«, sagt Constanze unnötig laut und stellt mich mitten auf den Tisch, den sie sich mit Nele teilt.
»Deine Probleme...
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