Schweitzer Fachinformationen
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Mit dem Eigennamen ist es so eine Sache: Jedes Kind muss damit leben. Manche Kinder haben Freude an ihrem Namen, manche wieder weniger.
Wer mehrere Vornamen hat, kann seiner Umwelt kundtun, wie er angesprochen werden will.
Florian Winterlich fand mit seinen 12 Jahren seinen Namen immer noch okay.
Seine Eltern und Lehrer nannten ihn Florian.
Seine Geschwister und Freunde nannten ihn Flo.
Als Flo ins Gymnasium kam, war er von seinen Kumpeln scheinheilig gefragt worden: "Du, Flo, was ist denn eigentlich dein Familienname? Herbstlich? Sommerlich? Frühlingshaft?"
Flo hatte gelacht: "Spottet nur! Damit könnt ihr mich nicht ärgern! Ich fahre gerne Ski, und darum heiße ich gerne Winterlich."
Worauf er von den andern den Spitznamen "Frühling" bekam.
Heute fuhr Flo mit seinem Fahrrad durch den Wald zur Schule und strahlte übers ganze Gesicht in die Welt hinein. Er war glücklich.
Sein zur Zeit kranker Nachbar, der Herr Moosburger, Kriminalkommissar, hatte ihm an diesem Morgen eine riesige Freude bereitet. Er hatte zu ihm gesagt: "Florian, du bist der freundlichste Mensch, den ich kenne. Du bist etwas ganz Besonderes."
Er hatte nicht "Junge" oder "Kind" gesagt, was er mit seinen 12 Jahren eigentlich doch war. Nachbar Moosburger hatte "Mensch" gesagt, gerade so, als ob er erwachsen ...
Nanu, was war das? Flo wurde stutzig. Ein großer, schwarzer Klumpen, der plötzlich in den Waldweg ragte! Ach so, bloß die mit einem schwarzen Mantel bedeckte Rückseite eines gebückten Mannes, der mit einem Stecken im Waldrandgebüsch wühlte.
"Nach der Meinung vom alten Moosburger bin ich ein freundlicher Mensch", sagte Flo halblaut zu sich selber, stieg also neben dem Mann ab und fragte freundlich: "Hallo, kann ich Ihnen beim Suchen helfen?"
Der Mann am Wegrand erhob sich. Er hatte einen seltsamen Bart und sah in seinem leicht angeschmutzten schwarzen Mantel etwas wild aus, aber nicht angsteinflößend.
"Danke, das ist sehr nett von Ihnen, aber das ist wirklich nicht nötig!", sagte er. Seine Stimme war heiser.
"Viel Erfolg beim Suchen!", rief Flo, stieg wieder aufs Rad und fuhr davon.
Wieder voller Glück. Was für ein Tag heute! Der Mann hatte "Sie" zu ihm gesagt.
Etwa dreihundert Meter weiter spürte und hörte er, wie der Reifen seines Vorderrades einen Platten bekam.
Der Ausdruck, den Flo jetzt aus Schreck und Ärger benutzte, hätte seiner Mutter bestimmt nicht gefallen.
Vermutlich ein spitzer Stein. Der Weg war nicht asphaltiert.
Flo war sauer. Er hatte nichts zum Reifenflicken dabei. Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als das Fahrrad zu verstecken. Er schob es vorsichtig durch das Waldrandgebüsch, so dass das Fahrrad vom Weg aus nicht zu sehen war, lehnte es an einen Baumstamm, schloss es ab, nahm seine Schulmappe und Mutters Einkaufsbeutel vom Gepäckständer und ging zurück zum Weg, wieder durchs Gebüsch.
Im Gebüsch wäre er beinahe gestolpert. Er schaute auf den Boden. Nein, das war kein Ast. Das war eine schwarze, längliche, sehr schöne Lederbox, etwa 35 Zentimeter lang und 5 Zentimeter breit. Mit einem silbernen Verschluss. Er hob sie auf.
Als er sich wieder auf dem Waldweg befand, öffnete er sie.
Darin lag eine wunderschöne, nagelneue Piccoloflöte.
Aha, das also war's, was der Mann suchte.
Flo rannte zurück bis zur nächsten Kurve, von wo man den nun kerzengeraden Waldweg einige hundert Meter weit überschauen konnte. Aber der Mann war nirgendwo mehr zu sehen.
"Hallo, ich habe etwas gefunden!", schrie Flo, so laut er konnte.
Er muss mich schreien hören, er muss noch in der Nähe sein, ich habe ihn doch vorher da hinten gesehen, dachte Flo.
Nichts geschah.
Flo brüllte noch ein paar Mal: "Hallo, ich habe eine Piccoloflöte gefunden!"
Nichts. Der Mann war einfach nicht mehr da.
"Ich bringe die Flöte zum Fundamt!", schrie Flo aus Leibeskräften.
Wieder nichts!
Also steckte Flo die Box in Mutters Einkaufsbeutel und prüfte vom Weg aus noch einmal kurz, ob sein Fahrrad hinter dem Gebüsch auch wirklich nicht zu sehen war.
"Ist okay. Ich muss das jetzt einfach riskieren", murmelte er vor sich hin.
Und dann flitzte er los mit dem mulmigen Gefühl im Bauch: "Hoffentlich klaut's keiner."
Er musste pünktlich in der Schule sein. Eine Klassenarbeit war angesagt.
Er rannte wie verrückt, um noch rechtzeitig die Schulbushaltestelle hinter dem Wald zu erreichen. Verschwitzt und fix und fertig, aber hochzufrieden, saß er wenige Minuten später im Bus. Der Busfahrer hatte ihn rennen sehen, hatte auf ihn gewartet und ihn netterweise mitgenommen, obwohl er kein Dauerticket für den Schulbus hatte.
Die Klassenarbeit dauerte etwa eine halbe Stunde, war aber heftig. Flo war froh, als er sie hinter sich hatte. Er hätte es als Albtraum empfunden, wenn er sie hätte nachschreiben müssen.
Nachdem die Klassenarbeiten eingesammelt waren, zeigte er auf und fragte seine Lehrerin Frau Holzmeier, ob sie ihm eine Zeitlang freigeben könne, er müsse zum Fundamt.
"Wieso das? Jetzt, mitten in der Unterrichtsstunde?", fragte sie.
Flo erzählte von dem Mann mit dem schwarzen Mantel und von seinem Fahrradproblem und wie er die Flöte gefunden hatte, und dass der Mann leider nicht mehr zu sehen gewesen war. Dann zeigte er die Flöte. Frau Holzmeier war beeindruckt. So eine schöne Piccoloflöte hätte sie noch nie gesehen, sagte sie. Und diese hübsche schwarze Lederbox mit der kleinen silbernen Eule im oberen rechten Eck und dem silbernen Verschluss! Was ganz Besonderes!
"In welchem Wald war das?", fragte sie.
"Im Buchinger Wald", sagte Flo.
Worauf Frau Holzmeier zu ihrem Handy griff, mit der Schulsekretärin telefonierte und sie bat, dem Städtischen Fundamt Bescheid zu geben, dass im Buchinger Wald eine Piccoloflöte gefunden worden sei. Ein Schüler gebe sie dann nach dem Unterricht im Fundamt ab. Falls der Verlierer sich melde, müsse dieser halt so lange im Fundamt auf den Schüler warten. Weil Mittwoch sei, habe das Fundamt ja auch mittags geöffnet.
Flo war ein wenig enttäuscht. Er wäre jetzt nach der Klassenarbeit so gerne in aller Gemütsruhe zum Fundamt spaziert! Aber egal, er steckte die Box mit der Flöte wieder in Mutters Einkaufsbeutel.
Dann war Vesperpause, und alle gingen auf den Schulhof.
Nach der Pause kamen einige Mitschüler auf ihn zu: "Frühling, zeig uns doch mal die Flöte!"
Flo holte die Lederbox aus dem Einkaufsbeutel und öffnete sie.
Die Flöte war nicht mehr drin.
Als Frau Holzmeier davon erfuhr, wurde sie bleich. Sie wandte sich der Klasse zu.
"Hört mal alle her. Ich habe vergessen, das Klassenzimmer für die Dauer der Pause abzuschließen. Das war ein großer Fehler, denn Gelegenheit macht Diebe. Vermisst sonst noch jemand irgendwas? Schaut bitte mal nach."
Alle durchsuchten ihre Schulmappen. Sehr ausführlich natürlich. Diese Suchaktion war eine willkommene Unterbrechung des Schulalltags.
Frau Holzmeier ließ ihnen Zeit.
Als der Letzte seine Mappe wieder verstaut hatte, fragte sie: "Alles okay?"
Zustimmendes Gemurmel.
Richie meldete sich: "Mein Tausend-Euro-Schein ist weg!"
Frau Holzmeier ging nicht darauf ein. Sie unterdrückte das Gelächter mit einer energischen Handbewegung und sagte ernst: "Von der Flöte könnt nur ihr gewusst haben. Darum frage ich euch: Wer hat die Flöte? Einer von euch muss sie haben!"
Ihre Stimme zitterte.
In der Klasse herrschte betroffenes Schweigen. Normalerweise war die Holzmeier ausgesprochen cool. Heute war das absolut nicht der Fall.
Der Klassensprecher meldete sich: "Frau Holzmeier, unsere Schule hat 903 Schüler. 902 können's gewesen sein. Das Klassenzimmer war ja offen."
Es war fast unheimlich still.
Frau Holzmeier sagte eine Weile nichts. Sie war immer noch bleich und setzte sich.
"Du hast recht, Ingo. Es war mein Fehler. Ich habe nicht abgeschlossen. Also können es können 902 gewesen sein. Vielleicht sogar 903, wenn wir Florian auch noch verdächtigen. 904, ich könnte es ja auch gewesen sein. Ein Verdacht gegen eure Klasse allein ist also grausam und ungerecht. Wenn ich allerdings an die Wahrscheinlichkeit denke ...! Und das Schlimme ist, jeder hier wird an diese Wahrscheinlichkeit denken. Ihr denkt das auch. Und jeder wird jeden verdächtigen. Das gibt dann ein arg schlechtes Klima in unserer Klasse." Schweigen.
Bernd meldete sich: "Ich habe kurz vor Ende der Pause Kevin aus dem Klassenzimmer herauskommen sehen, als ich vom Klo kam."
Kevin wurde weiß wie die Wand.
Die Klasse erstarrte. Das klang nach Petzen, und einen Kumpel zu verpfeifen war verpönt. Bernd war Kevins Nebensitzer.
Plötzlich ertönte eine Melodie. Eine Melodie, gespielt von einer Piccoloflöte. Sie klang, als käme sie von Kevins und Bernds Tisch.
"Kevin oder Bernd,...
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