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Kapitel 1
Mit voller Wucht schmetterte ich erst meine Faust gegen den Boxsack, dann meinen Fuß. Die Erschütterung jagte durch meinen Körper wie ein Stromschlag, Endorphine explodierten in meinem Bauch, obwohl meine Muskeln brannten. Ich genoss es, hieß den süßen Schmerz willkommen, der meinen Arm entlangschoss, als meine Fingerknöchel erneut gegen den Sack prallten. Alle Anspannung floss aus mir heraus, ganz langsam nur, aber stetig. Mein pochender Herzschlag spülte sie fort und hinterließ nichts als das sachte Beben körperlicher Anstrengung.
Ich liebte dieses Gefühl. Als würde ein Deckel von einem übervollen Fass genommen, gerade rechtzeitig, bevor es zerbarst. Hier, im Boxstudio, interessierte mich die Außenwelt nicht. Ich ließ sie einfach an der Tür zurück. Hier gab es nur mich, meine Fäuste, meine Füße und den Boxsack.
Bullet For My Valentine dröhnten aus meinen Kopfhörern, Matt Tucks Stimme schien mich anzufeuern, als You Want A Battle? Here's A War direkt in meinem Kopf widerhallte, wo sich der Text mit meinen Gedanken vermischte. Schweiß rann meinen Nacken und meinen Rücken hinab, und ich schnappte nach Luft. Meine Muskeln zitterten bereits vor Anstrengung, aber ich war noch nicht fertig. Dazu hatte ich noch zu sehr das Gefühl, gegen Stahlketten zu atmen, die sich um meinen Brustkorb schlangen und ihn zusammenpressten. Ich verausgabte mich, bis zur totalen Erschöpfung. Bis ich endlich frei Luft holen konnte, sich selige Ruhe in meinem Inneren einstellte, dieses Gefühl von Erleichterung, von Schwerelosigkeit.
Schwer atmend stoppte ich den Boxsack. Und entdeckte, dass der Ärmel meines Longsleeves, den ich extra in den Boxhandschuh gesteckt hatte, hochgerutscht war und ein Stück meines Unterarms freigab. Ich riss mir den Boxhandschuh herunter und streifte den Ärmel wieder nach unten. Hastig sah ich mich um, ob irgendjemand mich beobachtete, ob es irgendjemandem aufgefallen war. Doch alle um mich herum waren mit sich selbst und den Boxsäcken vor sich beschäftigt. Alles war gut, niemand hatte es gesehen. Einfach weitermachen, als wäre nichts gewesen, war das Beste, was ich in solchen Momenten tun konnte.
Ich hielt den Saum fest und wischte mir den Schweiß von der Stirn. Dann zog ich die Kopfhörer von meinen Ohren und wandte mich meinem Trainingspartner Eddy zu. Er bearbeitete den Boxsack neben mir, als hätte er ihm ein persönliches Leid angetan. Was nicht stimmte, es sagte nicht einmal was über Eddys Laune aus. Er ließ beim Boxen nur all seine rohe Kraft heraus. Seine Fäuste, die in roten Boxhandschuhen steckten, flogen durch die Luft, die Muskeln unter seiner dunklen Haut spannten sich an, und Schweiß rann über seinen nackten Oberkörper und perlte über sein Gesicht. Eine seiner Dreadlocks hatte sich aus dem unordentlichen Knoten gelöst, zu dem er seine Haare zusammengebunden hatte.
Eddy war heiß, keine Frage, auf eine rohe und zugleich charmante Weise, der sowohl Männer als auch Frauen erlagen, was er schamlos ausnutzte. Und er war so was wie mein bester Freund, wenn man das nach den paar Monaten, die ich in Providence war und mit ihm zusammen boxte, schon sagen konnte. Wir hatten uns gleich an meinem ersten Tag im Boxtune kennengelernt, er studierte am Rhode Island College Informatik und arbeitete nebenher als Boxtrainer.
»Ich mach Schluss für heute«, sagte ich
Er drehte sich zu mir, wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß vom Kinn und stoppte den Boxsack, ohne hinzusehen. »Sollte ich vermutlich auch. Wenn ich vor meinem Date noch duschen will.«
»Ach ja, du meinst dieses Date, wegen dem du mich heute sitzen lässt?«, zog ich ihn auf und grinste dabei. Es war Freitagabend, und wir gingen oft zusammen auf Konzerte oder feiern. Außer Eddy hatte ein Date. Oder ich andere Pläne. Heute traf beides zu.
»Genau genommen sind es zwei Dates«, entgegnete Eddy, ohne mit der Wimper zu zucken, doch seine Augen funkelten amüsiert.
»Gleichzeitig oder hintereinander?« Bei Eddy war das eine berechtigte Frage.
»Hintereinander.« Er wiegte den Kopf und lachte leise. »Wobei es bestimmt Potenzial hätte. Ich fürchte nur, dass sie dafür beide nicht entspannt genug sind.«
»Wie langweilig.« Ich grinste und trank einen Schluck Wasser.
»Es sind halt nicht alle so aufgeschlossen wie du und ich. Was sind deine Pläne für heute? Gehst du auf diese Party?«
»Ich will unbedingt mal eine miterleben, ja.«
Heute Abend schmiss Blake Mitchell, der Kapitän und Starspieler des Eishockeyteams der Brown, eine Party - und seine Partys waren legendär. Ich konnte unmöglich an der Brown studieren, ohne wenigstens einmal dort gewesen zu sein. Also würde ich mit meiner Mitbewohnerin Amber hingehen.
Eddy wackelte mit den Augenbrauen und zog seine Boxhandschuhe aus. »Da laufen bestimmt viele Sportler rum. Die haben Vorteile, weißt du? Durchtrainierter Körper, gesund, ausdauernd. Und wenn du mit dem einen fertig bist, kannst du dir gleich den nächsten holen - solche Partys sind toll.«
Ich kicherte. »Meinst du, das ist so was wie ein All You Can Eat-Büfett?«
»So kann man es sehen.«
»Ich werde dir auf jeden Fall berichten.«
Wobei ich nicht glaubte, dass ich mit mehr als einem Kerl nach Hause gehen würde. Ich hatte kein Problem mit ungezwungenem Sex, ganz im Gegenteil, aber am selben Abend mit mehreren Männern war mir dann doch zu viel.
»Das hoffe ich!« Eddy trank ebenfalls einen Schluck Wasser und hängte sich die Boxhandschuhe über die Schulter, als er sich zum Gehen wandte. »Hopp, ab unter die Dusche. Sonst kommen wir beide zu spät.«
»Zu einer Party zu spät kommen ist okay. Zu einem Date eher nicht so«, neckte ich ihn, folgte ihm aber zu den Duschräumen.
Das Boxtune lag etwa fünfzehn Minuten Fußweg vom Campus entfernt. Zwar gab es an der Brown auch ein Fitnessstudio, das die Studenten kostenlos nutzen durften, allerdings gab es nur einen Boxsack und der war noch dazu recht erbärmlich.
Als ich durch College Hill mit seinen vielen viktorianischen Gebäuden lief, inhalierte ich die kühle Frühlingsluft. Ich fand es immer wieder faszinierend, dass einer der wohlhabendsten Stadtteile von Providence mit so vielen alten Bauten zugleich zwei Colleges und damit zahlreiche Studenten beheimatete. Mir gefiel der Kontrast, vor allem die vielen historischen Gebäude rund um den Hauptcampus der Brown im Vergleich zu den Wolkenkratzern von Providence, die dahinter in den Himmel ragten.
In Pembroke angekommen, dem Wohnheim, in dem ich untergebracht war, stieg ich bis in den vierten Stock, wo mein Zimmer lag. Als ich es betrat, schlug mir ein süßlicher Duft entgegen. Neugierig warf ich einen Blick auf die Yankee Candle, die auf Ambers Schreibtisch stand. Coastal Cypress. Der Geruch war tatsächlich angenehm frisch, nicht so süß wie viele andere aus Ambers Sammlung.
»Da bist du endlich«, sagte Amber, sprang von ihrem Bett auf und drückte mir einen Pizzakarton in die Hand. »Da, iss und dann müssen wir uns fertig machen.«
»Ähm, danke«, erwiderte ich verwirrt und klappte den Karton auf. »Sind wir schon so spät dran?«
»Nein, aber Kayla und Jason machen sich bald auf den Weg, deswegen .« Sie zuckte entschuldigend mit den Schultern.
»Verstehe«, schmunzelte ich, setzte mich auf mein Bett und nahm mir ein Stück Pizza. »Ich beeil mich, versprochen.«
»Ich muss mir noch überlegen, was ich anziehe. Es werden so viele coole Leute da sein, da brauche ich das passende Outfit«, erklärte Amber. »Es ist ja schon ein besonderer Anlass, weißt du?«
»Verstehe.« Schmunzelnd biss ich von dem Pizzastück ab, und Amber ließ sich wieder auf ihr Bett fallen.
»Hm, ich glaube, das Oberteil lasse ich an.« Sie trug ein pinkes Tanktop, auf dem Stay Weird stand, und dazu eine hellblaue Pyjamahose.
»Warum nur das Oberteil? Die Hose ist doch super«, erwiderte ich ungerührt. »Keine Ahnung, was dagegenspricht.«
Amber verdrehte die Augen und warf ein kleines Kissen nach mir, dem ich lachend auswich. Eine Weile aßen wir schweigend, und ich genoss die absolute innere Ruhe, die ich immer nach dem Kickboxen verspürte.
»Ich kann nicht glauben, dass du wirklich mitkommst«, sagte Amber. Sie hatte sich in eine beige Decke gekuschelt, den Pizzakarton auf den Knien. Über ihrem Bett hing eine Lichterkette an der Wand, die das Zimmer in ein warmes Licht tauchte.
»Warum nicht?«, fragte ich belustigt.
»Weil du zwar dauernd feierst, aber nie auf diese normalen Partys gehst«, erwiderte Amber und zog ihre Beine in den Schneidersitz. »Wir waren noch nie zusammen weg.«
Das stimmte nur zur Hälfte, es kam darauf an, was man als normal betrachtete. Ich zog Rockclubs und Konzerte jeder typischen Studentenparty und 0815-Chartshow vor, aber heute machte ich eine Ausnahme. Abgesehen davon, dass es die Party von Blake Mitchell zum Ende der Spring-Break-Woche war und Eddy keine Zeit hatte, wollte ich wirklich auch mal mit Amber ausgehen. Obwohl wir zusammenwohnten und uns so gut verstanden, verbrachten wir außerhalb unseres Zimmers kaum Zeit miteinander. Wären wir bei der Zimmervergabe nicht zufällig einander zugeteilt worden, hätten wir uns vermutlich nie kennengelernt. Dabei wäre mein Leben ohne Amber sehr viel weniger bunt und fröhlich. Sie war nicht nur die beste Mitbewohnerin, die ich mir hätte wünschen können, sondern auch die erste wirkliche Freundin, die ich je gehabt hatte. Und das, obwohl wir derart gegensätzlich waren. Unser Leben war einfach so unterschiedlich. Wir waren so unterschiedlich.
Das fing schon bei der Musik an, die wir...
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