Schweitzer Fachinformationen
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Frauen lieben Blumen, Männer lieben Autos. Sicher, das stimmt nicht 100-prozentig. Manche Frauen lieben Autos. Manche Männer lieben Blumen. Aber wenn man ehrlich ist, muss man sagen: Geh mit einem Mann auf einen Berg, und er wird mit einer Wahrscheinlichkeit von, sagen wir 99 Prozent mit dem Fernglas den Paragleitern zuschauen, während du in der Zwischenzeit den Bergwegerich, den Männertreu oder das Felsengreiskraut fotografierst. Man weiß nicht, ist es die Erziehung oder von der Evolution so vorgesehen. Da scheiden sich die Geister.
Es muss auch nicht sein, dass die Chefinspektorin Anna Bernini auf dem Weg ins Blumengeschäft, in dem eine Männerleiche gefunden wurde, deshalb an den Valentinstag dachte, weil sie eine Frau ist, aber ich wette 100 zu eins, dass ihre männlichen Kollegen, egal, wen man nimmt, Inspektor Schramek, Inspektor Stammer oder Oberst Meier, nicht an den Valentinstag gedacht hätten. Aber bitte, wissen kann man es nie. Der letzte Valentinstag war schon mehr als neun Monate her, und genauso lange war Anna Bernini wieder Single. Das hatte sie am Valentinstagsmorgen allerdings noch nicht geahnt, als sie ihrer Freundin Eva beim Frühstück im Kaffeehaus vorgejammert hatte, dass ihr noch nie ein Mann am Valentinstag Blumen geschenkt hat.
»Das wäre doch ein Zeichen der Liebe, oder?«
»Nein«, hatte ihre Freundin verächtlich durch die Nase geschnaubt, »das wäre ein Zeichen von schlechtem Gewissen!« Anna Bernini hatte gelacht, aber ihre Freundin Eva hatte darauf bestanden, dass die Größe des Blumenstraußes, den einen ein Mann schenkt, direkt proportional zur Größe des schlechten Gewissens steht.
»Sie haben eine Blumensprache des schlechten Gewissens.«
»Geh!«
»Doch, wirklich! Zehn Rosen heißt: Ich habe beim letzten Betriebsausflug mit der Kollegin von der Sitte geschmust. 20 Rosen - ich bin mit ihr mit aufs Zimmer gegangen! 30 Rosen - jetzt ist sie auch noch schwanger!«
»Jetzt übertreibst du aber!«
»Aber nur ein bisschen. Wirklich schlimm ist es allerdings, wenn sie dir auch noch Schmuck schenken. Dann weißt du: Es gibt eine andere.«
Wenn Anna Bernini an diesem Valentinstagsmorgen nicht mit ihrer besten Freundin, Inspektorin Eva Niedermüller, dieses Gespräch geführt hätte, hätte sie den großen Strauß rote Rosen und den schmalen goldenen Armreif, den ihr der Karli am Abend hingehalten hatte, vielleicht einfach dankbar entgegengenommen. Aber so schnell hatte der Herr Chefinspektor Eisler gar nicht »Alles Gute zum Valentinstag!« sagen können, hatte sie schon den Sicherheitscode seines Smartphones geknackt. Dabei hatte sie sich mehr darüber geärgert, dass er ihr wieder einmal nicht zugehört hatte - weil das eigene Geburtsdatum als Passwort nehmen nur Vollidioten - als darüber, dass sie ein »Küss dich aufs Bauchi und ein bisschen darunter« unter seinen Nachrichten gefunden hatte. Ausgerechnet an die Gerda, die ihr schon einmal in der Polizeischule einen Mann ausgespannt hatte! Anna Bernini war schnurstracks ins Bad gelaufen, hatte den Klodeckel aufgeklappt, das Handy hineingeworfen und auf »Spülen« gedrückt. Karlis Mund war so weit offen gestanden, dass der ganze Koffer hineingepasst hätte, den sie ihm zwei Stunden später vor die Tür gestellt hatte.
Seit jenem Valentinstag ist Anna Berninis Leben allerdings auch nicht einfacher geworden. Als sie ihr Fahrrad an der Stopptafel vor dem Blumengeschäft anhängte, dachte Anna Bernini an ihre gestrige Psychotherapiesitzung bei Frau Doktor Egger, wo sie über ihre Ängste gesprochen hat. Eigentlich war sie vor dem ersten Arbeitstag nach ihrem dreimonatigen Krankenstand so panisch gewesen, dass sie insgeheim gehofft hatte, Frau Doktor Egger würde sagen: »Ihre Schlafstörungen und die Morgenpanik gefallen mir gar nicht! Ich schreibe Sie für weitere drei Monate krank.« Wirklich gesagt hatte sie aber: »Nix da! Das schaffen Sie schon! Erstens«, hatte sie ihr vorgerechnet, »haben Sie sicherlich auch ein paar loyale Mitarbeiter in Ihrer Gruppe.« Anna Bernini lugte unauffällig durch die Glasscheiben ins Geschäft, wo ein paar Gestalten in weißen Astronautenanzügen am Boden herumwuselten und mitten unter ihnen ein Koloss von einem Kriminalbeamten langsam auf und ab schritt, die Hände am Rücken verschränkt, den gewaltigen Bauch wie eine Monstranz vor sich hertragend. »Zweitens«, hatte Frau Doktor Egger weiter beruhigend auf Anna Bernini eingeredet, »können Sie Ihrem Kollegen Schramek in den ersten Tagen ein bisschen aus dem Weg gehen.« Ja, ungefähr so, wie man einer Elefantenherde aus dem Weg gehen kann, schimpfte Anna Bernini innerlich und duckte sich instinktiv, damit sie der Koloss nicht sofort entdeckte. »Drittens«, erinnerte sich Anna Bernini an die aufmunternden Worte ihrer Therapeutin, als sie schon die Hand nach der Türklinke ausgestreckt hatte, »wird ja nicht gleich an Ihrem ersten Arbeitstag ein spektakulärer Mordfall sein!« Was wieder einmal beweist, dass Ärzte auch keine Hellseher sind, dachte Anna Bernini angefressen.
Aber dass die Chefinspektorin an ihrem ersten Arbeitstag nach dem Krankenstand zwei Stunden brauchte, um an den Tatort zu kommen, konnte man Doktor Egger wiederum nicht ankreiden. Das hatte eher etwas damit zu tun, dass Anna Bernini heute den Frühstückskaffee und das Müsli ganz schlecht vertragen hatte. Und der Anblick Inspektor Schrameks, der sie inzwischen entdeckt hatte, half auch nicht gerade, die unangenehme Leere in ihrem Magen zu ignorieren.
Begonnen hatte Anna Berninis langer Krankenstand sechs Monate und einen Tag nach dem Valentinstag und genau einen Tag nach der Ernennung zum ersten weiblichen Chefinspektor für Leib und Leben im Landeskriminalamt Wien, Innere Stadt Ost. Eine Beförderung, die nicht allen ihren Kollegen gefallen hatte. Da gab es auch welche, die insgeheim der Meinung waren, dass eine Frau nur für zwei Dinge gut war, und eine Mordgruppe leiten gehörte nicht dazu. Hinter vorgehaltener Hand hatte es auch Bemerkungen gegeben, in denen der Oberst, die Couch in seinem Zimmer und Anna Bernini ungut miteinander kombiniert wurden. Aber das Meiste hatte Anna Bernini sowieso nicht gehört, und den Rest hatte sie ignoriert. Denn 99 Prozent der blöden Bemerkungen gingen auf Inspektor Schramek zurück. Und das restliche Prozent auf Leute, die ihm nach dem Mund redeten. Anna Bernini war bei ihren Kolleginnen und Kollegen nämlich sehr beliebt. Kein Wunder, die Tirolerin mit den halb-italienischen Vorfahren und dem ganz-italienischen Aussehen war immer freundlich und eine der besten Polizistinnen, die das Landeskriminalamt in der Leopoldsgasse hatte. Außerdem gab es auch Kollegen, die es dem Großmaul Schramek von Herzen gönnten, dass ihm Anna Bernini vorgezogen wurde, obwohl sie beide Abteilungsinspektoren waren und er mehr Dienstjahre auf dem Buckel hatte. Und man muss ehrlich sagen: Die meisten waren Kolleginnen. Denn die weibliche Kriminalbeamtin gab es nicht, bei der Inspektor Schramek nicht versucht hätte zu landen. Und immer vergeblich, so viel man weiß.
Zur spontanen Chefinspektorinnen-Party, die Anna Bernini an jenem Abend in ihrem Büro steigen hatte lassen, war Inspektor Schramek dann trotzdem gekommen. Aber er war nicht der Einzige, auf dessen Anwesenheit Anna Bernini gerne verzichtet hätte. Da war nämlich zu später Stunde auch noch der Karli mit seinem unschuldigen Bubengrinsen und der Gerda am Arm hereingeschneit. Nachher ist viel darüber getratscht worden, wie ein Mensch nur so dumm sein kann! Nur weil die betrogene verlassene Freundin nicht Tag und Nacht schreit und tobt, sondern sich eher verhält wie diese Hollywood-Schauspielerinnen, die nach dem Scheidungstermin sagen: »Wir gehen als Freunde auseinander«, muss das noch nicht heißen, dass es auch stimmt. Bei den Hollywood-Schauspielerinnen stimmt es ja auch nicht. Meistens dauert es nicht lange, und irgendwelche Paparazzi erwischen sie nachlässig gekleidet und laut schnarchend mit einer Flasche Tequila auf einer Parkbank am Sunset Boulevard.
So ähnlich war es auch bei Anna Bernini. Nur dass es bei ihr keine Flasche Tequila, sondern burgenländischer Rotwein war, und nicht der Sunset Boulevard, sondern der Praterstern. Und erwischt worden ist sie nicht von Paparazzi, sondern von den Kollegen Verkehrspolizisten. Nämlich dabei, wie sie mit viel zu viel Promille im Blut und viel zu vielen Kilometern pro Stunde zu einem Einsatz unterwegs war. Der Oberst hatte nachher gesagt, die 120 Stundenkilometer auf einer stark befahrenen Straße hätte er noch unter den Tisch fallen lassen können, meinetwegen auch die ein Komma fünf Promille, aber dass sie eine Stunde lang im Kreis gefahren war, weil sie die Einsatzadresse vergessen hatte, das konnte er ihr beim besten Willen nicht durchgehen lassen. Das Einzige, das er tun konnte, war, dafür zu sorgen, dass es keine Journalisten erfahren. So etwas hatte den Oberst nur ein, zwei Anrufe gekostet. Aber natürlich war das ein gefundenes Fressen für Inspektor Schramek! Innerhalb weniger Minuten gab es in ganz Wien kein einziges Exekutivorgan mehr, auf dessen Handydisplay nicht die sturzbetrunkene Anna Bernini lallend auf der Polizeiwache Praterstern zu sehen gewesen wäre. Danach wurde ihr der Führerschein abgenommen, und sie musste aufs Fahrrad umsteigen, was ebenfalls wieder für viel Gespött sorgte.
Wer weiß, ob sich Anna Bernini überhaupt je wieder von diesem Vorfall erholt hätte, wäre da nicht Miss Biggy gewesen. Sie war es, die zu Anna Bernini nach Hause gefahren, sie aus dem Bett geschmissen und zu einer Nervenärztin geschleppt hatte. Danach war Miss Biggy in Oberst Meiers Büro gerauscht und hatte ihm mitgeteilt, dass Anna...
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