Schweitzer Fachinformationen
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MÄRZ 1938
SÜDTIROLER DORF. Tag. - Blick auf das Dorf. Man hört Mädchenstimmen die faschistische Hymne singen.
VOLKSSCHULE. - Auf der Schule steht in relativ kleinen Buchstaben: »Scuole elementari« und darüber in großen Lettern: »Noi sogniamo l'Italia romana« (Wir träumen vom Italien der Römer). Die italienische Fahne an einer Stange, die an der Schulmauer befestigt ist. Durch ein Fenster sieht man eine Mädchenklasse (7jährige), die stehend die Hymne singt. Nahe beim Fenster Helga Tschurtschenthaler, neben ihr Lisl Oberhollenzer, vor ihnen Hanni Rabensteiner. Helga singt nicht mit, Lisl singt lustlos, Hanni singt begeistert und trägt die Uniform der faschistischen Jugendorganisation Piccole Italiane. Durch ein anderes Fenster sieht man andere Schülerinnen und die vorne stehende italienische Lehrerin (30) mit städtischer, moderner Kleidung und modischer Frisur. Sie dirigiert freundlich und singt. Das nächste Fenster gehört zu einer Bubenklasse mit 10jährigen. In einer Fensterbank sitzt Siegfried Tschurtschenthaler, neben ihm Peter Oberhollenzer, vor ihnen Alfons Rabensteiner in der Balilla-Uniform (faschistische männliche Jugend).
BUBENKLASSE DER VOLKSSCHULE. - Man hört leise den Gesang der Mädchenklasse. Bilder von Mussolini und vom König an der Wand. Der italienische Lehrer (zugleich Podestä = italienischer Amtsbürgermeister) trägt faschistische Parteiuniform, hat in der Hand einen Zeigestab, mit dem er an die Stiefel klopft. Er geht durch die Bankreihen und diktiert einen italienischen Text, die Schüler schreiben diesen in ihre Heft. In der ersten Bank sitzt ein Sohn des Bürgermeisters in Balilla-Uniform.
BÜRGERMEISTER: (diktiert langsam auf italienisch) In der Schweiz mußte Mussolini, um sein Leben zu fristen, als Hilfsarbeiter am Bau arbeiten. In seinem Tagebuch berichtet er darüber: »Elf Stunden Arbeit am Tag, 32 Centesimi die Stunde, 121mal täglich schleppten wir die mit Steinen beladene Trage in den ersten Stock.«
VOR DEM GEMEINDEAMT - Der Wegmacher Dario (55) säubert eine Abflußrinne in der Straße von Schotter und Sand. Neben ihm ein kleiner, struppiger Hund. Dario ist fröhlich, singt ein trentinisches Volkslied. Kathl Rabensteiner und ihr Mann Sepp (sonntäglich gekleidet) kommen daher.
DARIO: Eh, ciao, Kathl! Ciao, Sepp!
KATHL: (italienisch) Guten Tag, lieber Dario! Wie gehts dir?
DARIO: (Dialekt mit Akzent) Ah, guat! Mir gehts immer guat! (Italienisch:) Solange die Sonne scheint!
Kathl und Sepp sind beim Eingang des Gemeindeamtes angelangt, Sepp hält inne.
KATHL: Was is denn? Jetz komm schon!
SEPP: Na, i mag nit, ostia! I tua des nit!
KATHL: Dio mio! Is des ein Gfrett mit dir!
Die beiden Carabinieri Ettore und Sergio gehen vorbei.
KATHL: (italienisch) Ah, guten Tag, die Herrn!
ETTORE: (freundlich, italienisch) Guten Tag, Frau Rabensteiner!
SEPP: Was glaubst, wie sich die Leut dann 's Maul über uns zerreißen!
KATHL: Ma che! Kann doch uns wurscht sein! Mir müssen leben! Du bist arbeitslos! Die andern gehn halt mit an Speck hin oder mit an Kilo Honig! Mir ham koan Speck, mir ham koan Honig! Jetzt kimm schon! Mir miaßen 's ja nit laut ausposaunen!
Kathl zieht Sepp ins Gemeindeamt. Über dem Tor steht »Municipio«, weiter oben in großen Lettern: »Mussolini ha sempre ragione!« (Mussolini hat immer recht!)
BUBENKLASSE DER VOLKSSCHULE. - Der Bürgermeister nimmt das Heft von Siegfried, schaut es an, sieht einige Fehler.
BÜRGERMEISTER: (redet nur italienisch) Steh auf!
Siegfried steht auf, der Bürgermeister schlägt ihm das Heft um die Ohren.
BÜRGERMEISTER: Du wirst nie Italienisch lernen! Du Barbar! Tschurtschenthaler! Was ist das für ein Name? Kein zivilisierter Mensch kann so einen Namen aussprechen!
Peter muß grinsen.
BÜRGERMEISTER: Was grinst du, Oberhollenzer? Glaubst du, du hast einen schöneren Namen?
Peter grinst weiter. Der Bürgermeister schaut wieder in das Heft Siegfrieds. Dort steht das Wort Centesimi, geschrieben mit einem Kurrentschrift-S.
BÜRGERMEISTER: Geh an die Tafel, Tschurtschenthaler!
Siegfried geht an die Tafel.
BÜRGERMEISTER: Schreib das Wort Centesimi!
Siegfried nimmt die Kreide, schreibt Centesimi, wieder mit Kurrentschrift-S. Peter sieht es, deutet Siegfried heftig das S in der Luft. Der Bürgermeister schaut Peter an, dieser zieht seine Hand sofort ein.
BÜRGERMEISTER: (zu Alfons) Alfonso!
Alfons geht zur Tafel, nimmt Siegfried die Kreide aus der Hand, schreibt das Wort richtig daneben. Siegfried bemerkt jetzt seinen Fehler.
BÜRGERMEISTER: Bravo, Alfonso! Setz dich!
Alfons setzt sich wieder, Peter schaut ihn verächtlich an, der Lehrer geht zu Siegfried, Peter gibt Alfons von hinten schnell eine Kopfnuß, der zuckt zusammen, macht eine drohende Gebärde gegen Peter. Der Bürgermeister zeigt auf das Kurrent-S, schaut Siegfried an.
BÜRGERMEISTER: Was ist das, Tschurtschenthaler?
SIEGFRIED: (auf deutsch) Des is ein S!
Der Bürgermeister stemmt die Fäuste in die Hüfte, Siegfried erschrickt.
SIEGFRIED: (auf italienisch) Entschuldigung, Herr Podestä! Das ist ein S!
BÜRGERMEISTER: Ist das ein lateinisches S?
SIEGFRIED: (redet nur mehr italienisch) Nein, ein deutsches!
BÜRGERMEISTER: Woher hast du das?
SIEGFRIED: Ich weiß es nicht!
BÜRGERMEISTER: Die Hand vorhalten!
Siegfried streckt die Hand aus, der Bürgermeister schlägt mit dem Stock darauf, Siegfried beißt die Zähne zusammen, läßt die Hand sinken.
BÜRGERMEISTER: Laß die Hand ausgestreckt!
Siegfried tut es.
BÜRGERMEISTER: Woher hast du dieses S? Wo hast du das gelernt?
Der Bürgermeister schlägt wieder zu, Siegfried treten Tränen in die Augen.
PETER: (leise auf deutsch) Sauhund!
BÜRGERMEISTER: Was? Wer hat da gesprochen?
Niemand meldet sich, auch Alfons sagt nichts. Der Bürgermeister schaut wütend in die Klasse, schaut wieder Siegfried an.
BÜRGERMEISTER: Glaubst du, ich weiß es nicht, woher dieser Buchstabe kommt! Das ist die alte deutsche Schrift! Du lernst Deutsch! In der Geheimschule! Hab ich recht?
Siegfried antwortet nicht, der Bürgermeister schlägt ihm auf die noch immer ausgestreckte Hand.
GEMEINDEAMT - Der italienische Gemeindesekretär mit einer Liste in der Hand. Vor ihm Kathl und Sepp.
GEMEINDESEKRETÄR: (freundlich auf italienisch) Das ist die Liste! Sie können sich einen Namen aussuchen!
Kathl nimmt die Liste, gibt sie Sepp, dieser schaut sie an, Kathl schaut auch hinein, Sepp schüttelt den Kopf, legt die Liste wieder hin.
SEPP: (zu Kathl) I nimm doch nit an fremden Namen an!
Der Sekretär hat ihn verstanden.
SEKRETÄR: (italienisch) Wie heißen Sie?
SEPP: Rabensteiner! Josef Rabensteiner!
SEKRETÄR: (wiederholt langsam) Rabensteiner . Rabensteiner . Rabe . (Zu Kathl.) Rabe? (Macht Flatterbewegung) Rabe?
VOR DEM GEMEINDEAMT - Dario arbeitet.
STIMME DES BRIEFTRÄGERS: (italienisch) Nein, das hab ich nicht verdient! Das hab ich wirklich nicht verdient!
Dario schaut auf Der neue Briefträger kommt daher. Er ist Süditaliener, hat die Posttasche umhängen.
DARIO: (italienisch) Ah, unser neuer fliegender Bote! Was hast du denn, was schimpfst du denn?
BRIEFTRÄGER: (italienisch) Was ich schimpfe? Was ich schimpfe, fragst du? Ich kann meinen Beruf hier nicht ausüben! Wie kann ich hier meinen Beruf ausüben? (Zeigt Dario Briefe, auf denen die Adresse in Kurrentschrift geschrieben ist.) Ich kann das nicht lesen! Ich weiß nicht, wo die Leute wohnen! Ich kenn die Wege nicht! Wie soll ich diese Briefe zustellen?
DARIO: (absichtlich im Tiroler Dialekt) Ja, warum bist denn nit in Italien unten geblieben? (Italienisch:) Was machst du hier? Was hast du hier...
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