Schweitzer Fachinformationen
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Eine Nacht im Oktober 2015. Es war schon wieder nach 1 Uhr. Obwohl ich von den kurzen Nächten der letzten Tage müde war, fand ich nicht in den Schlaf. Die Bilder gingen mir nicht aus dem Kopf: scheinbar endlose Schlangen von Menschen, die ungesteuert und weitgehend unkontrolliert die deutsche Grenze überquerten. Über 10 000 täglich. Zum Jahresende würde es eine Million sein - eine Stadt wie Köln. Meist junge arabisch-muslimische Männer, über deren Herkunft und Motive häufig nichts bekannt war. Wie viele würden noch kommen? Was machte das langfristig mit Deutschland? Wollten und konnten sich die Einwanderer an unsere europäisch-christlich geprägte Gesellschaft anpassen oder würden sie unser Land entsprechend ihrer eigenen Kultur verändern? Würden sich die schon bestehenden Probleme mit der Integration von Einwanderern und Parallelgesellschaften vertiefen? Konnten die negativen Entwicklungen zukünftig überhaupt noch zurückgedreht werden, wenn wir den Zustrom weiter zuließen, oder stellten wir nicht damit schon unwiderruflich die Weichen für eine andere Gesellschaft? Woher sollte das Geld kommen, um all die Menschen zu versorgen? Ich rechnete: Selbst wenn die Kosten für den Staat monatlich nur bei 1000 Euro pro Person lagen, waren es schon 12 Milliarden Euro jährlich. Wo sollten all die Menschen wohnen?
Die Gedanken bedrückten mich, gerade auch als Vater zweier kleiner Kinder, darunter eine Tochter, um deren Zukunft ich mir Gedanken mache. Ich möchte, dass sie später einmal in einem Rechtsstaat leben, der von individueller Freiheit und dem Schutz vor staatlicher Willkür geprägt ist und nicht vom Absolutheitsanspruch einer Religion, der Scharia oder eines Regimes. Ich möchte nicht, dass sich in Deutschland langfristig mehrheitlich eine Kultur durchsetzt, die Frauen ihre mühsam erkämpften Freiheiten nimmt, sie zum Tragen von Burkas oder vielleicht sogar schon als Kinder in fremdbestimmte Ehen zwingt. Der politische und gesellschaftliche Niedergang früher prosperierender Staaten wie Persien und dem Libanon hat mir immer wieder die Gefahren verdeutlicht, die von totalitären Ideologien und muslimischen Hasspredigern ausgehen. Aber jeder Tag mit weiterer großer unkontrollierter Zuwanderung aus arabischen und muslimischen Kulturkreisen würde es schwerer machen, die Menschen in unsere Gesellschaft zu integrieren und damit unsere, durch die im Grundgesetz definierten Freiheitsrechte geschützte, Lebensweise zu erhalten.
Ich musste über meine Sorgen reden. Aber mit wem? Die öffentlich-rechtlichen Medien waren voller Lob über die unkontrollierte Masseneinwanderung und kritische Stimmen wurden mindestens als »herzlos«, oft aber als »ausländerfeindlich« dargestellt. Ich bin weder das eine noch das andere, im Gegenteil, ich bin befreundet mit Menschen mit ausländischen Wurzeln, kenne viele, die bewundernswert gut integriert sind, und das Leid der Menschen im Bürgerkriegsland Syrien geht mir nah und bringt mich immer wieder zum Grübeln. Ich halte eine geordnete Einwanderung von Menschen, die sich in unsere Gesellschaft integrieren wollen und können, für sinnvoll. Aber der ungesteuerte Zustrom so vieler Menschen mit einem komplett anderen kulturellen Hintergrund birgt meiner Meinung nach großes Konfliktpotenzial. Einige meiner Bekannten teilten meine Sorgen. Auch sie sind weltoffen und keinesfalls politisch radikal, aber beunruhigt über die möglichen Folgen des wahrgenommenen staatlichen Kontrollverlusts. Kaum jemand traute sich aber, offen seine Bedenken zu äußern. Selbst in kleinem Kreis tastete man sich nur sehr vorsichtig an das Thema heran. Der Druck des Merkel-Mantras »Wir schaffen das« und die Angst, stigmatisiert zu werden, waren zu groß. Selbst in meiner Partei, der CDU, waren nur wenige bereit, sich kritisch zu äußern, schon gar nicht öffentlich. Ich hatte erstmals das Gefühl, dass man in Deutschland nicht mehr offen sagen darf, was man denkt, ohne mit negativen Konsequenzen rechnen zu müssen. Ich merkte, dass das Vertrauen der Menschen in die Regierung, die staatlichen Institutionen, die Berichterstattung - besonders der öffentlich-rechtlichen Medien -, aber auch in die Existenz der Meinungsfreiheit schwand. Auch das machte mir Sorgen.
Ich wurde bei meiner Suche nach Gleichgesinnten auf Facebook fündig. Der eine oder andere Post ließ erkennen, dass ich nicht allein war. Die wenigen kritischen Medienberichte, meist kleinerer Publikationen, über die Probleme der Einwanderungswelle wurden geteilt und kommentiert. Ich las von Ausschreitungen durch Einwanderer in Zügen und Asylunterkünften, aber auch Übergriffen gegen Sicherheitsdienste und Anwohner. In einer nicht öffentlichen Facebookgruppe »So kann es nicht weitergehen« sammelte ich dann Gleichgesinnte. Über die nächsten Wochen wurden es Hunderte, darunter auch Mitglieder der CDU/CSU. Ich musste aber auch feststellen, dass Scharfmacher versuchten, die Situation zu missbrauchen und - oft unter Tarnnamen - im Internet Falschnachrichten verbreiteten sowie pauschal über Menschen aus anderen Kulturkreisen schimpften. Ich erlebte Anfeindungen, weil ich Posts in Facebook mit Hetze gegen Ausländer nicht akzeptierte.
Ich konnte nicht verstehen, dass die Mandats- und Funktionsträger der CDU/CSU die eigenmächtige Entscheidung der Kanzlerin, die Zuwanderung nicht einzudämmen, durchgehen ließen. Immerhin hatte ich in den 30 Jahren meiner Mitgliedschaft die CDU/CSU immer als Partei von Sicherheit und Rechtsstaat gesehen und geschätzt. Es dauerte etwas, bis ich erkannte, dass Frau Merkel die Partei grundlegend verändert hatte. Hatte ich ihre teilweise eigenmächtigen Entscheidungen wie den überhasteten Ausstieg aus der Kernenergie, die riskanten Hilfsmaßnahmen für Griechenland und die Aussetzung der Wehrpflicht zwar mit Unverständnis, aber doch relativ untätig zur Kenntnis genommen, so schwante mir, dass es diesmal um eine grundlegende Veränderung unserer Gesellschaft ging. Ich spürte, dass sich die Gewichte in unserer Demokratie stark verschoben hatten und die einzelnen Bundestagsabgeordneten nicht in der Lage waren, der Macht der Parteizentrale und des Kanzleramts ernsthaft etwas entgegenzusetzen.
Auch wenn ich nach meinem sehr starken politischen Engagement während meiner Jugend fast 15 Jahre nicht mehr politisch aktiv gewesen war, kannte ich doch noch einige Mitglieder gut. Verschiedentlich trauten sie sich, mir gegenüber ihre Kritik an der unkontrollierten Masseneinwanderung zu äußern. Ich fasste daher den Entschluss, nicht nur im Netz tätig zu werden, sondern auch öffentlich, in der Partei. Spontan entschloss ich mich, auf dem anstehenden Kreisparteitag der CDU nach langer politischer Abstinenz für den Kreisvorstand zu kandidieren, ohne die üblichen und notwendigen Absprachen. In meiner einminütigen Vorstellungsrede vor circa 200 Honoratioren thematisierte ich meine Sorge vor den Folgen der Migrationskrise für unsere Gesellschaft, soweit dies in der knapp vorgegebenen Zeit möglich war. Und tatsächlich, anscheinend gab es Gleichgesinnte: Ich wurde als einer von 15 Beisitzern gewählt, zwar als letzter, aber immerhin.
Für eine Wahl als einer der wenigen Delegierten zum Bundesparteitag reichte meine Bekanntheit dann aber bei Weitem nicht. Üblicherweise wählt die Basis in dieses Gremium hauptsächlich Europa-, Bundes- und Landtagsabgeordnete, Kreisgeschäftsführer und Bürgermeister, also Menschen, die hauptberuflich politisch tätig sind und dies auch bleiben wollen. Dementsprechend zusammengesetzt entscheidet der Bundesparteitag auch fast immer das, was die Parteiführung vorgibt. So kam es dann zu dem denkwürdigen CDU-Bundesparteitag in Karlsruhe im Dezember 2015, bei dem die Delegierten nach der Rede der Kanzlerin und Bundesvorsitzenden Angela Merkel neun Minuten stehend applaudierten. Der Widerstand ihrer wenigen (offenen) Kritiker bestand bestenfalls darin, rechtzeitig den Saal zu verlassen, um ungestraft nicht mitklatschen zu müssen. Ich war schockiert und schämte mich für diese mangelnde Diskursfähigkeit meiner Partei.
Mir wurde klar, dass die Union sich in den Jahren zuvor massiv verändert und von mir entfernt hatte. Ich spürte daher Zweifel aufkommen, ob ich mich als lange Zeit sehr überzeugter und engagierter Christdemokrat in dieser Partei noch vertreten fühlte.
Just zu dieser Zeit erhielt ich meine Urkunde für 30 Jahre Mitgliedschaft in der CDU. Ich schwankte: Sollte ich sie zurückgeben, meinen Austritt erklären, schriftlich begründen und mich wieder stärker meiner Familie, der Karriere, den Freunden und den Hobbys widmen? Doch ich wusste, dass ich damit vor mir selbst nicht bestehen würde, denn meine Gedanken über die bedrohte Zukunft unserer Gesellschaft würden mich ja immer wieder einholen. Ich würde mich untätig, hilflos, ja schuldig fühlen. Was sollte ich meinen Kindern antworten, wenn sie mich in 20 Jahren fragten: »Du wusstest doch, welche Gefahren drohen, warum hast du nichts...
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