Schweitzer Fachinformationen
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Dean eilt am Phoenix Theatre vorbei, weicht einem dunkel bebrillten Blinden aus, tritt vom Bordstein auf die Charing Cross Road, um eine bummelnde Frau mit Kinderwagen zu überholen, springt über eine schmutzige Pfütze, läuft in die Denmark Street und rutscht auf einem Flecken Glatteis aus. Seine Füße fliegen nach oben. Er ist lange genug in der Luft, um zu sehen, wie Rinnstein und Himmel die Plätze tauschen, und zu denken: Das wird verdammt wehtun, bevor das Pflaster an seine Rippen, die Kniescheibe, den Knöchel schlägt. Es tut verdammt weh. Niemand bleibt steht, um ihm aufzuhelfen. Scheiß-London. Ein bärtiger Börsenmaklertyp mit Melone feixt über das Missgeschick des langhaarigen Flegels und ist fort. Dean ignoriert den pochenden Schmerz und steht vorsichtig auf. Hoffentlich ist nichts gebrochen. Mr. Craxi zahlt kein Krankengeld. Finger und Handgelenke funktionieren jedenfalls. Das Geld. Er überprüft, ob das Sparbuch mit den kostbaren zehn Fünfpfundscheinen darin noch in seiner Jackentasche steckt. Alles gut. Er humpelt weiter. Im Fenster des Café Gioconda gegenüber entdeckt er Rick «One Take» Wakeman. Gerne würde er sich auf einen Tee und eine Kippe zu ihm setzen und sich nach Jobs als Studiomusiker erkundigen, aber freitagmorgens ist die Miete fällig, und Mrs. Nevitt lauert in ihrem Wohnzimmer wie eine Riesenspinne. Dean ist spät dran heute, sogar für seine Verhältnisse. Rays Scheck ist erst gestern angekommen, und eben auf der Bank hat er vierzig Minuten am Schalter angestanden, um ihn einzulösen, also geht er weiter, vorbei am Musikverlag Lynch & Lupton, wo Mr. Lynch ihm erklärte, die meisten seiner Songs seien beschissen und die übrigen Mist. Vorbei an Alf Cummings Music Management, wo Alf Cummings ihm die fleischige Hand auf den Schenkel legte und säuselte: «Wir wissen beide, was ich für dich tun kann, du verführerischer Lump; fragt sich nur, was tust du für mich?», und vorbei an den Fungus Hut Studios, wo Dean mit Battleship Potemkin ein Demo aufgenommen hätte, wäre er nicht vorher aus der Band geflogen.
«HILFE, bitte, ich -» Ein rotgesichtiger Mann klammert sich an Deans Kragen und stöhnt: «Ich -» Er krümmt sich vor Schmerz. «Ich sterbe .»
«Alles klar, Mann, setzen Sie sich auf die Stufe hier. Wo tut's weh?»
Speichel läuft dem Mann aus dem verzogenen Mund. «Brust .»
«Das wird schon, wir, äh . holen Hilfe.» Er schaut sich um, aber die Leute eilen mit hochgeschlagenen Mantelkragen, tief in die Stirn gezogenen Hüten und abgewandtem Blick vorbei.
Der Mann drückt sich wimmernd an Dean. «Aaah-aaaaaah.»
«Ich glaub, Sie brauchen 'nen Krankenwagen, am besten -»
«Kann ich behilflich sein?» Der Neuankömmling ist in Deans Alter, mit kurzgeschnittenem Haar und in einem winterfesten Dufflecoat. Er löst dem Zusammengesunkenen die Krawatte und blickt ihm in die Augen. «Hopkins mein Name. Ich bin Arzt. Nicken Sie, wenn Sie mich verstehen, Sir.»
Der Mann ringt nach Luft und nickt mit schmerzverzerrtem Gesicht.
«Gut so.» Hopkins wendet sich an Dean. «Ist der Herr Ihr Vater?»
«Nein, ich hab ihn noch nie gesehen. Er sagt, die Brust tut ihm weh.»
«Die Brust?» Hopkins zieht einen Handschuh aus und legt dem Mann drei Finger an die Halsschlagader. «Sehr unregelmäßig. Sir? Ich glaube, Sie haben einen Herzinfarkt.»
Der Mann reißt die Augen auf; eine neuerliche Schmerzattacke drückt sie wieder zu.
«Im Café gibt es Telefon», sagt Dean. «Ich ruf den Rettungswagen.»
«Der ist nicht schnell genug hier», sagt Hopkins. «Auf der Charing Cross Road herrscht ein mörderischer Verkehr. Wissen Sie, wo die Frith Street ist?»
«Na klar - da gibt's eine Klinik, am Soho Square.»
«Ganz genau. Laufen Sie schnellstens dorthin und sagen Sie, ein Mann habe vor dem Tabakwarenladen in der Denmark Street einen Herzinfarkt erlitten. Und dass Dr. Hopkins sofort ein paar Männer und eine Trage braucht. Kapiert?»
Hopkins, Denmark Street, Trage. «Ja, kapiert.»
«Ausgezeichnet. Ich bleibe hier und leiste Erste Hilfe. Und jetzt nichts wie los. Das Leben dieses armen Teufels liegt in Ihren Händen.»
Dean läuft über die Charing Cross Road in die Manette Street, vorbei an der Buchhandlung Foyles und in den schmalen Durchgang, der unter dem Pub Pillars of Hercules hindurchführt. Sein Körper hat den Schmerz von seinem Sturz vergessen. Er rennt an Müllmännern vorbei, die auf der Greek Street Tonnen in ihren Wagen leeren, sprintet mitten auf der Straße bis zum Soho Square, wo er einen Schwarm Tauben aufscheucht, legt sich beim Einbiegen in die Frith Street fast zum zweiten Mal lang und stürmt die Stufen zur Klinik hinauf in den Eingangsbereich, wo ein Pförtner hinter dem Daily Mirror sitzt. DONALD CAMPBELL TOT steht fett auf der Titelseite. Dean sagt schnaufend seinen Text auf: «Dr. Hopkins schickt mich . ein Herzinfarkt in der Denmark Street . braucht ein paar Männer und eine Trage, schnell .»
Der Pförtner lässt die Zeitung sinken. Teigkrümel hängen in seinem Schnauzbart. Seine Miene wirkt gleichgültig.
«Da stirbt ein Mann», erklärt Dean. «Haben Sie mich nicht gehört?»
«Aber sicher. Sie schreien mir ja ins Gesicht.»
«Dann schicken Sie Hilfe! Verdammt, das ist doch ein Krankenhaus hier!»
Der Pförtner schnaubt geräuschvoll und tief. «Sie haben vor Ihrer Begegnung mit diesem nicht zufällig 'nen Haufen Geld von Ihrem Konto abgehoben?»
«Doch. Fünfzig Pfund. Na und?»
Der Pförtner schnipst Krümel von seinem Revers. «Und das haben Sie noch bei sich?»
«Ja, hier.» Dean greift in seine Jackentasche. Das Sparbuch ist nicht mehr da. Das kann nicht sein. Er probiert die anderen Taschen. Ein Krankenbett rollt quietschend vorbei. Ein Kind heult sich die Augen aus. «Mist - es muss rausgefallen sein, als ich .»
«Tut mir leid, junger Mann. Man hat Sie reingelegt.»
Dean erinnert sich daran, wie der Mann gegen seine Brust gefallen ist . «Nein. Nein. Der Herzinfarkt war echt. Er konnte sich kaum auf den Beinen halten.» Er durchsucht noch einmal seine Taschen. Das Geld ist weg.
«Es ist nur ein schwacher Trost», sagt der Pförtner, «aber Sie sind schon der Fünfte seit November. Die Sache hat sich rumgesprochen. Kein Krankenhaus und keine Klinik in der Londoner Innenstadt schickt noch eine Trage, wenn jemand namens Hopkins eine anfordert. Kann man sich schenken. Es ist nie jemand dort.»
«Aber sie .» Dean wird schlecht. «Aber sie .»
«Wollen Sie sagen: ?»
Wollte er. «Woher wusste der Kerl, dass ich Geld bei mir habe?»
«Was würden Sie tun, wenn Sie auf eine schöne dicke Brieftasche aus wären?»
Dean denkt nach. Die Bank. «Sie haben mich beim Abheben beobachtet. Dann sind sie mir gefolgt.»
Der Pförtner beißt in sein Würstchen im Blätterteig. «Volltreffer, Sherlock.»
«Aber . ich wollte mit dem Geld meinen Bass bezahlen, und -» Dean fällt Mrs. Nevitt ein. «O Scheiße. Der Rest war für die Miete. Wie bezahle ich jetzt meine Miete?»
«Sie könnten Anzeige erstatten, aber versprechen Sie sich nicht zu viel. Für die Polizei ist Soho von Warnschildern umgeben. Darauf steht: »
«Meine Wirtin ist ein verdammter Nazi. Die setzt mich vor die Tür.»
Der Pförtner schlürft seinen Tee. «Sagen Sie ihr, Sie haben es verloren, als Sie den guten Samariter spielen wollten. Wer weiß? Vielleicht weckt das ihr Mitleid.»
Mrs. Nevitt sitzt am großen Fenster. Im Zimmer riecht es nach Speckfett und Schimmel. Der Kamin ist mit Brettern vernagelt. Das Kassenbuch der Wirtin liegt aufgeschlagen auf dem Sekretär. Ihre Stricknadeln klackern und klappern. Ein immer dunkler Kronleuchter hängt von der Decke. Das Blumenmuster der Tapete ist zu einem düsteren Dschungelgrau verblasst. Mrs. Nevitts drei verstorbene Ehemänner blicken finster aus ihren vergoldeten Bilderrahmen. «Morgen, Mrs. Nevitt.»
«Es ist fast Mittag, Mr. Moss.»
«Ja, also, äh .» Deans Kehle ist trocken. «Ich wurde ausgeraubt.»
Die Stricknadeln verstummen. «Das ist sehr bedauerlich.»
«Kann man wohl sagen. Ich wurde auf der Denmark Street von zwei Taschendieben übertölpelt, auf dem Rückweg von der Bank. Sie müssen mich beim Einlösen des Schecks beobachtet haben und mir gefolgt sein.»
«Nicht möglich, Sachen gibt's!»
Sie glaubt, ich binde ihr einen Bären auf,...
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