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Dein Wort bringt den Tod
Die Leiche des bekannten Journalisten Boris Markstein, mit dem Kommissar Völxens Dezernat schon häufig zusammengearbeitet hat, wird auf einem rostigen Industriegleis in Hannover-Linden entdeckt. Die Liste der Verdächtigen ist lang: Markstein hatte brisante Kontakte und seine Nase in allen möglichen sensiblen Bereichen - vom Drogenhandel über die Rotlichtszene bis zu russischen Banden. Völxens Team tut alles, um schnellstmöglich Licht ins Dunkel zu bringen, doch das ist dieses Mal alles andere als leicht: Völxen erhält Drohungen von der Mafia, und das LKA behindert die Ermittlungen. Schnell wird klar: In diesem Fall ist nichts, wie es scheint .Der neue Hannover-Krimi von SPIEGEL-Bestsellerautorin Susanne Mischke. »Hättest du geschwiegen« ist Kommissar Völxens brisantester Fall."Gekonnt setzt Susanne Mischke Schauplätze in und um Hannover in Szene. Auch aktuelle Themen verwebt sie elegant mit ihrem fiktiven Stoff." NDR 1 Kulturspiegel
Hauptkommissar Völxen atmet schwer hinter seinem Mundschutz.
Es ist schon ein Weilchen her, dass er bei einer Obduktion dabei war, so etwas delegiert man für gewöhnlich gern an andere, aber dieses Mal gab es kein Entkommen.
Durchhalten! Bloß keine Schwäche zeigen vor versammelter Mannschaft!
Die Luft im Raum ist aber auch wirklich zum Schneiden. Der Hauptgrund dafür mag sicherlich der Leichnam sein, der mit geöffnetem Brustkorb auf dem Seziertisch liegt. Erschwerend kommt jedoch hinzu, dass der Sektionssaal von Dr. Bächle, dem Leiter der Rechtsmedizinischen Abteilung der Medizinischen Hochschule Hannover, an diesem Nachmittag ungewöhnlich stark bevölkert ist.
Außer Völxen selbst ist vom Dezernat für Todesermittlungen der Polizeidirektion Hannover noch seine Kollegin, Hauptkommissarin Oda Kristensen, zugegen. Sie hat zusätzlich zum Mundschutz freiwillig auch noch eine Plastikhaube über ihren hellblonden Haarknoten gezogen, mit der Begründung, dass Haar Gerüche aufnehme und sie nicht für den Rest des Tages wie der Tod riechen wolle.
Auch das Landeskriminalamt hat eine Vertreterin in die Rechtsmedizinische Abteilung der Medizinischen Hochschule geschickt: Jule Wedekin, einst Völxens Lieblingsmitarbeiterin, ehe sie ans LKA gewechselt ist.
Vonseiten der Justiz hat sich Oberstaatsanwalt Roland Funke am Ort des Geschehens eingefunden. Auch er scheint schon längere Zeit keinen Obduktionssaal mehr von innen gesehen zu haben, denn er ist beinahe noch blasser als der Tote auf dem Tisch.
Die Wissenschaft wird repräsentiert durch Dr. Bächle, seinen Assistenzarzt sowie eine Histopathologin und einen Toxikologen. Ganz und gar ungewöhnlich ist jedoch die Anwesenheit eines gewissen Professor Dr. Gröning. Laut Dr. Bächle ist der überaus renommierte Kollege eigens für diese Sektion aus München angereist, um ihm dabei über die Schulter zu sehen. Was dem langen, hageren Rechtsmediziner aus Bayern schon rein physisch nicht schwerfällt, denn Dr. Bächle reicht ihm gerade einmal bis zur Schulter.
Normalerweise hätte Völxen angenommen, dass sich Dr. Bächle jegliche Kontrolle seiner Arbeit durch wen auch immer verbitten würde, zumal der weißhaarige Schwabe mit der Einsteinfrisur im Ruf steht, eitel zu sein - erst recht, wenn es um seine berufliche Reputation geht. Aber zu seiner Verblüffung musste Hauptkommissar Völxen erfahren, dass Dr. Bächle die Koryphäe aus der bayerischen Landeshauptstadt »högschtpersönlich« zu dieser Autopsie eingeladen hat. Offenbar will Bächle sich absichern, falls im Nachhinein Zweifel an seinem wie auch immer gearteten Befund auftreten sollten.
Als wäre das nicht genug, tummeln sich zusätzlich noch zwei Kriminaltechniker mit Videokameras zwischen den Anwesenden und filmen jedes Detail der Leichenbeschau.
Was für ein Aufriss!
Aber der Tote ist - oder vielmehr, war - ja auch nicht irgendwer. Schon seine Maße fallen aus dem Rahmen: Sein Körper ragt in die Höhe wie ein massiges Gebirge und passt gerade so auf den stählernen Seziertisch. Er misst an die zwei Meter und bringt einhundertzwanzig Kilo auf die Waage. Jedenfalls hat Dr. Bächle diese Zahl vorhin, zu Beginn der Prozedur, in sein Diktiergerät genuschelt. Das meiste dieser Masse sind Muskeln, nur in der Körpermitte des Endfünfzigers hat sich ein alterstypischer Schwimmreif angesetzt, durch den Dr. Bächles Skalpell zuvor mühelos hindurchgeglitten ist. Völxen hat sich dabei der Magen gehoben, und unwillkürlich hat er sich an seine eigene, leicht gerundete Taille gegriffen und gedacht: So sähe das bei mir dann wohl auch aus.
Am 31. August wurde Hannes Piekenbrock im Garten seines Einfamilienhauses im nördlichen Speckgürtel Hannovers von seiner Frau leblos unter einem Apfelbaum aufgefunden. Nichts, aber auch gar nichts, deutete auf Fremdverschulden hin. Dennoch schossen sofort nach Bekanntwerden seines Ablebens die Theorien und Gerüchte wild ins Kraut.
Bei einer derartigen, weit über Hannovers Grenzen hinaus bekannten Rotlichtgröße, die in gewissen Kreisen der Bevölkerung Kultstatus genoss, kein Wunder. Da war zu erwarten gewesen, dass Piekenbrocks Tod für einen gewissen Rummel sorgen würde. Trotzdem ist Hauptkommissar Völxen inzwischen reichlich genervt von der Presse, die während der vergangenen Woche sowohl die Polizeidirektion als auch die Straße vor dem Wohnhaus des Verstorbenen belagert hat.
Das Ableben Piekenbrocks mobilisierte aber nicht nur die Medienvertreter. Kolonnenweise donnerten in den Tagen danach schwere Jungs auf schweren Harleys durch die Straßen des ansonsten ruhigen Wohnviertels und legten Blumensträuße und Kränze auf dem Gehweg vor dem Grundstück ihres Idols ab.
»Geradezu herzerweichend«, wie Oda Kristensen angesichts der entsprechenden Fotos in den sozialen Medien ironisch bemerkte.
Nachdem durchgesickert war, dass der Leichnam keine äußeren Verletzungen aufwies, machte das Gerücht von einem raffinierten Giftmord die Runde. Begriffe wie »Russenmafia« und »Nowichok« geisterten durchs Netz. Es gab keine noch so abstruse Theorie, keine Verschwörungstheorie, so weit hergeholt sie auch klingen mochte, die nicht ihren Widerhall und ihre Anhänger gefunden hätte. Sogar die Äpfel des besagten Baums, unter dem Piekenbrock seinen letzten Atemzug getan hatte, gerieten in Verdacht, vergiftet worden zu sein. Das etwa dreißigköpfige Ermittlerteam, das sich des Falles angenommen hatte, bewies Humor und gab sich den Namen Soko Schneewittchen.
Ein Raunen geht plötzlich durch den Seziersaal, alle recken die Hälse. Dr. Bächle hat dem Brustkorb gerade das Herz entnommen, und sein Assistenzarzt trägt es nun wie ein Kellner in einer Schale vor sich her, hinüber an den Tisch der Histopathologin, der mit diversen Mikroskopen ausgestattet ist.
Völxen zieht es vor, die Decke des Sektionssaals einer ausgiebigen Musterung zu unterziehen, während da drüben Dinge mit dem Organ passieren, die er lieber nicht so genau wissen will.
»Na also, do ham mer's doch scho«, murmelt Bächle nach wenigen Minuten. Er winkt einen der Jungs mit den Kameras heran.
»Was?«, platzt Jule heraus. Mit ihrem abgebrochenen Medizinstudium ist sie wahrscheinlich die einzige unter den Vertretern der Exekutive, die dieser Autopsie etwas abgewinnen kann. Als sie noch in Völxens Dezernat gearbeitet hat, war sie diejenige, die sich zur Freude aller Kollegen stets freiwillig für Besuche in Dr. Bächles Reich gemeldet hat.
»Herr Kolläge, möchten Sie den werten Herrschaften die Todesursache verkünden?«, wendet sich Dr. Bächle, schwäbelnd wie immer, aber ungewöhnlich bescheiden, an seinen Münchner Kollegen.
Professor Gröning genügt ein kurzer Blick durch seine randlose Brille auf den Längsschnitt des Organs. Er räuspert sich und erklärt: »Man erkennt hier sehr deutlich eine Stenose, eine sanduhrförmige Verengung des Herzkranzgefäßes, verursacht durch Einlagerung von Fett und Bindegewebe in die Arterienwand. In der Engstelle befindet sich, ebenfalls deutlich erkennbar, ein Thrombus, also Blutgerinnsel, das zum vollständigen Verschluss des Gefäßes führte.«
»Ein Herzinfarkt?«, platzt Oberstaatsanwalt Funke heraus und reißt sich vor Erleichterung den Mundschutz herunter. Sein schmales, kantiges Gesicht hat inzwischen wieder etwas Farbe angenommen.
»Ganz genau«, antwortet Dr. Bächle.
Ein kollektives Aufatmen geht durch die Gruppe der Beobachter.
»Ganz sicher?«, hakt Völxen nach.
»Ohne jeden Zweifel«, bestätigt Professor Gröning im Brustton tiefster Überzeugung und Autorität. »Ein Myokardinfarkt, wie er im Lehrbuch steht. Die Kollegin von der Histopathologie wird uns dazu sicherlich noch schöne Fotos liefern, die den Befund untermauern.«
»Tja«, seufzt Dr. Bächle. »Wen wundert's? Der gute Mann war im gefährlichen Alter, und der Läbenswandel fordert halt irgendwann seinen Tribut, gell?«
»Den letzten Spruch hätte sich Bächle auch sparen können«, bemerkt Völxen, als er, flankiert von Oda und Jule, durch die Gänge der MHH eilig ins Freie strebt.
»Fühlst du dich etwa angesprochen?«, fragt Oda. »Hast du mir was verschwiegen? Nutten, Nachtclubs .?«
»Ich wollte eigentlich auf das gefährliche Alter anspielen. Mein Lebenswandel war stets untadelig, wie du weißt.«
»Ach, man denkt immer, man kennt die Leute .«, erwidert Oda.
Die Erleichterung über den Ausgang der Sektion hat alle in eine gelöste, fast schon übermütige Stimmung versetzt.
»Vielleicht hast du heimlich eine Harley im Schuppen stehen?«, fährt Oda fort.
»Das allein wäre ja wohl weder verwerflich noch ungesund«, versetzt Völxen und schmunzelt bei der Vorstellung von sich auf einer Harley. »Aber ich hatte früher nicht einmal ein Mofa. Ich hab's schon immer gern bequem gehabt.«
Nein, ein Zweirad wäre Hauptkommissar Völxen wahrlich viel zu unkomfortabel. Er hat in der Scheune, die zu seinem umgebauten Bauernhof gehört, eine »schwebende Göttin« geparkt, eine Citroën DS, mit der er, wenn auch viel zu selten, gemächlich über die Landstraßen schaukelt.
»Mach dir keinen Kopf. Ein Feierabendbierchen ab und zu wird sicher nicht dein Ruin sein«, meint Oda, die selbst gern französischem Rotwein zuspricht.
»Na, ich wäre da vorsichtig«, mischt sich nun Jule Wedekin in die Unterhaltung ein. »Du, Oda, als Raucherin, stehst sowieso mit einem Bein im Grab.«
»Haben wir dir eigentlich schon mal gesagt, wie froh wir sind, dass wir dich ans LKA losgeworden sind?«, erwidert Oda.
»Ja, schon oft«, versichert Jule gut gelaunt und spricht dann aus, was alle seit Verlassen des Seziersaals...
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