Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Evidenz
Der Begriff »Evidenz« kommt aus dem Lateinischen und bedeutet »Augenfälligkeit«, »Deutlichkeit«, »Gewissheit« (Loh, 2009, S. 55, zit. n. Brockhaus, 2002).
Evidenzbasierte Praxis
Bei evidenzbasierter Praxis werden Forschungsansätze in Interventionen mit eingebunden. Hierdurch werden Interventionen nicht nur intuitiv ausgeführt, sondern wissenschaftlich gerechtfertigt, wodurch ein kontinuierlicher Reflexionsprozess und Überdenken des fachlichen Handelns angestoßen wird. Best Practices (bewährte Praxisansätze) sollen hierbei jedoch nicht außer Acht gelassen werden (Loh, 2009). Evidenzbasierte Praxis »im Sinne der Sozialen Arbeit umfasst [...] die Integration von fachpraktischer Expertise, wissenschaftlicher Evidenz sowie Klientenparametern« (Struhkamp Munshi, 2007, S. 9).
Soziale Arbeit fördert gesellschaftliche Veränderung, soziale Entwicklung und die Stärkung der Autonomie und Selbstbestimmung von Menschen (Spatscheck & Wolf-Ostermann, 2016). Das kann sie umso effektiver, wenn Soziale Arbeit, neben der professionellen, fachlichen Einschätzung, zusätzlich wissenschaftlich fundiert ist. Nach Hüttemann (2014) muss evidenzbasierte Praxis als ein mehrdimensionaler Diskurs verstanden werden, der:
eine Bewegung benötigt, die an die Stelle von Autoritäten, Expertenmeinungen oder Traditionen des Fachs die wissenschaftliche Evidenz empirischer Forschung setzt,
sich an Wirkung orientiert,
bestes verfügbares Wissen identifiziert, verbreitet und nutzt,
den Anspruch von Fachkräften fördert, über den Stand der Forschung informiert zu werden, mehrere Interventionsoptionen im Repertoire zu haben,
über ein Prozessmodell professionellen Handelns zu verfügen, und
eine professionsethische Verpflichtung beinhaltet (ebd.).
»Verschiedenste Einflussfaktoren, wie der gesellschaftliche Wandel, Veränderungen der Arbeitswelt oder der Anstieg chronisch erkrankter Menschen, stellen zukünftig neue Anforderungen an die professionelle [...] Versorgung [...] dar. Daraus resultierende [...] Aufgaben benötigen ein gesteigertes Ausmaß an evidenzbasierten [...] Maßnahmen« (Kölsch & Dieplinger, 2020, S. 1).
Wissenschaft bezieht sich auf den Prozess der Generierung von Wissen und der Lösung von Problemen (Stangl, 2020), beispielsweise durch Erforschung, welche Maßnahmen in der Sozialen Arbeit soziale Problemlagen verringern und welche Methoden hierbei sinnvollerweise Anwendung finden sollten. Wenn angewendete Methoden wissenschaftlich nachgewiesen wirken, dann sind sie evidenzbasiert. Die Anwendung möglichst evidenzbasierter Methoden in der Sozialen Arbeit ist wichtig, weil Adressierte einen umso höheren Nutzen aus der Zusammenarbeit mit Sozialarbeitenden ziehen können, wenn die Sozialarbeitenden Methoden anwenden, von denen sie wissen, dass sie in Studien einen positiven Effekt zeigen, sie also auch im aktuellen Anwendungsfall positiv wirken könnten. Mit Fokus auf forschungsethische Prinzipien ist Konsens, dass hochwertige Hilfe mit fundierter praxisnaher Forschung und Evidenzbasierung verknüpft ist (DGSA, 2020). Ein zirkulärer Kreislauf aus Praxisbedarfen, hieraus entstehender Forschung mit dem Ziel der Generierung evidenzbasierter Methoden und fundierten Wissens, der wieder - beispielsweise über die hochschulische Ausbildung Studierender oder Weiterbildungen von Praktikerinnen und Praktikern - in die Arbeitspraxis zurückgeführt wird, um dort die Bedarfe besser decken zu können, kann wie in der Abbildung aussehen (? Abb. 3).
Abb. 3:Empirischer Kreislauf (eigene Darstellung)
Hierbei stehen weder die Wissenschaft noch die Praxis über oder unter der jeweils anderen Seite (zum nicht gelingenden Transfer: Dewe, 2009), sondern beide Seiten ergänzen sich über einen Wissenschaft-Praxis- bzw. einen Praxis-Wissenschaft-Transfer sinnvoll und gleichwertig.
Besonders sinnvoll ist es, im Sinne des Credos Sozialer Arbeit »Hilfe zur Selbsthilfe«, evidenzbasierte partizipative Methoden einzusetzen. Das sind Methoden, die
Möglichkeiten eröffnen,
Perspektiven erweitern
und Beteiligung - bis hin zur Selbstermächtigung - fördern,
damit Soziale Arbeit nach erfolgreicher Intervention ihren Zweck erfüllt hat und überflüssig wird. Es gibt nach Pluto (2007) jedoch eine gewisse Scheu, partizipative Methoden einzusetzen. In seiner Studie zeigte sich, dass Fachkräfte insofern Abwehrmuster aufweisen können, als Partizipation ihre Grenzen habe und dass Beteiligung (meist) zum Scheitern verurteilt sei. Außerdem bedrohe sie die eigene Fachlichkeit (ebd.), was Fachkräfte hemmen kann, offen gegenüber partizipativen Methoden zu sein. Sicherlich hat Partizipation ihre Grenzen (beispielsweise bei kompensatorischer Hilfe oder in Zwangskontexten), dennoch sollte sie auch hier als professionelles Instrument nicht aus dem Blick verloren werden. Aspekte konstruktiver Machtanwendung (im Gegensatz zu Aspekten destruktiver Machtanwendung) können beispielsweise wirkungsvolle partizipative Unterstützung leisten und helfen, Vertrauen zu fördern (Misamer, 2019 für den Schulkontext), damit eine tragfähige Beziehung zwischen Sozialarbeitenden und Adressierten überhaupt möglich wird.
Weil Macht ein universelles Konstrukt ist, kommt sie in allen Lebensbereichen vor, zeigt sich jedoch in verschiedenen Bereichen in etwas unterschiedlicher Form. Welche konstruktiven und destruktiven Aspekte der Machtanwendung lassen sich finden, wenn gezielt danach gesucht wird? In der Sozialen Arbeit zeigt sich Machtanwendung anders als in Kindergärten bzw. -tagesstätten oder in der Schule. So zeigt die bisherige Forschung verschiedene Aspekte konstruktiver und destruktiver Machtanwendung, je nach Bereich, wie nachfolgend dargestellt wird. Zur Forcierung der in den Studien genannten konstruktiven Aspekte werden Methoden vorgeschlagen, deren Anwendung unten genauer vorgestellt wird (? Kap. 3).
Bei einer Mixed-Methods-Studie mit 85 Sozialarbeitenden, die sich selbst als eher machtsensibel (7,90 von möglichen 10) einschätzten, ergab eine qualitative Inhaltsanalyse fünf Kategorien konstruktiver Machtanwendung:
Tab. 3:Aspekte konstruktiver Machtanwendung Studie Sozialarbeitende
Aspekte konstruktiver Machtanwendung
Passende Methodenvorschläge (? Kap. 3)
Nutzen der professionellen Beziehung im Sinne der Adressierten
(etwa bei Behörden schnellere Bearbeitung durch Hinweis auf eigenen Status)
Methode 10: Beziehungen für Adressierte spielen lassen
Schutz vor Selbst- und/?oder Fremdgefährdung
(etwa Schaffung eines Schutzraums, der Adressierte vor Selbst- und Fremdgefährdung bewahrt)
Methode 11: Schutzraum schaffen
Motivation zur Annahme von Hilfemaßnahmen
(etwa Adressierte positiv motivieren, wenn sie an sich zweifeln oder aufgeben wollen)
Methode 5: Stärkung der Selbstwirksamkeitserwartung und Reduzierung von Hilflosigkeit Methode 1: Empowerment
Partizipative Entscheidungsfindung unter gezieltem Ressourceneinsatz
(etwa Abgleich gemeinsam mit Adressierten, wer die besten Ressourcen und Möglichkeiten hat, um Unterstützung zu leisten)
Methode 12: Partizipative Entscheidungsfindung Methode 2: Demokratische Partizipation in Kindertageseinrichtungen Methode 1: Empowerment
Angehen von Missständen
(etwa Thematisierung von Missständen bei der Leitung von Leistungsträgern)
Methode 4: Angehen von Missständen
(eigene Darstellung nach Misamer & Hennecken, 2022, S. 198 mit Methodenvorschlag, a = kein Cronbachs Alpha, weil qualitative Erhebung)
Aspekte destruktiver Machtanwendung waren inadäquate Regelumsetzung und Sanktionierung (etwa aus Launen heraus oder unreflektiert), Einschränkungen oder Regeln anwenden, an die sich Adressierte halten müssen, Gewaltanwendung (etwa Schreien, die Anwendung von Strafen oder emotionaler Erpressung), mutwilliges Verschweigen von Informationen (etwa notwendige Informationen in der Beratung vorenthalten), aktives Nichtbeteiligen und »über den Kopf hinweg« entscheiden (etwa Bewerbungen für Adressierte senden, obwohl diese nichts von der Stelle wissen oder dagegen waren), Ausüben von Druck (etwa Aussagen, dass jugendliche Adressierte am Wochenende nicht nach...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.