Schweitzer Fachinformationen
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Allmählich wurde ich ungeduldig.
Es regnete in Strömen, und Dennis war vor mittlerweile über einer Stunde aus dem Haus gegangen, um einer Autofahrerin zu helfen, die mit einer Reifenpanne an der Landstraße gestrandet war - genau in Höhe der Abzweigung zu Dennis' Grundstück.
Es hatte geklingelt, und Dennis war zur Tür gegangen. Unverständliches Stimmengemurmel, dann war er kurz in die Küche zurückgekehrt, um mich zu informieren.
»Sie ist völlig durchnässt, aber sie will ums Verrecken nicht reinkommen«, hatte Dennis gesagt. »Sie hat es wohl eilig. Ich helfe ihr rasch beim Reifenwechsel.«
»Guter Junge. Soll ich mitkommen?«
»Unsinn, du wirst mal schön im Trockenen bleiben und mit dem Kochen weitermachen. Verträgt das Essen eine halbe Stunde Verzögerung?«
»Ein großer Topf Gulasch verträgt beinahe alles«, hatte ich erwidert. »Ich wollte gerade die Kartoffeln aufsetzen, aber dann warte ich damit, bis du zurück bist. Du wirst dann ohnehin erst einmal duschen wollen, schätze ich.«
Er schmatzte mir einen Kuss auf die Wange, und schon war er zur Tür hinaus.
Ich hatte die Herdplatte unter dem Gulasch heruntergedreht und es mir dann auf der Couch gemütlich gemacht. In der Glotze hatte gerade eine dieser romantischen Komödien begonnen, bei denen auch der Begriffsstutzigste bereits nach zehn Minuten weiß, wer wen am Ende abkriegt.
Offenbar hatte mich das banale Filmchen nicht gerade gefesselt, denn ich war eingenickt und wachte auf, als Geigenklänge gerade zu einem furiosen Crescendo anschwollen, während sich das höchst attraktive Paar an einem Strand leidenschaftlich küsste. Also war der Film zu Ende und Dennis seit beinahe anderthalb Stunden weg.
Das erschien mir nun doch ein wenig lang, also wählte ich seine Handynummer. Mist - ich erreichte nur die Mailbox, nachdem es ein paarmal geklingelt hatte.
Und nun?
Einige Minuten lang starrte ich vor mich hin, dann stand ich kurz entschlossen auf. Es war Zeit, nach dem Rechten zu sehen, fand ich.
Ich zog Regenmantel und Gummistiefel an, dann trat ich vor die Haustür. In diesem Jahr hatten wir einen April, wie er im Buche stand; seit einigen Tagen änderte sich das Wetter alle paar Minuten. Nur heute schien es sich ganz auf Regen eingestellt zu haben. Ich verzog das Gesicht und sprintete zu meinem Auto, das ich neben dem von Dennis abgestellt hatte.
Da es dort nach wie vor stand, musste er mit der Frau die paar Hundert Meter zu deren Wagen zu Fuß gegangen sein. Nun, dazu war ich nicht bereit. Als Brillenträgerin hatte ich jedes Recht der Welt, bei diesem Wetter zimperlich zu sein; nasse Brillengläser standen auf meiner Hassliste ganz weit oben. Außerdem würde er sich bestimmt darüber freuen, dass ich ihn abholte und er nicht noch einmal durch den Regen marschieren musste.
Vorsichtig manövrierte ich mein Auto über die Schotterpiste, die zur Landstraße führte, während die Scheibenwischer das Regenwasser mühsam von rechts nach links und wieder zurück schaufelten. Und jetzt beschlugen auch noch meine Brillengläser, verdammt. Hatte ich ein Brillenputztuch dabei? Natürlich nicht. Ich schimpfte wie ein Rohrspatz, aber die Worte blieben mir im Halse stecken, als ich das Ende des Weges und damit die Landstraße erreichte.
Keine Spur von Dennis oder einem havarierten Auto.
Was hatte das denn bitte zu bedeuten?
Klar, es konnte sein, dass der Reifenwechsel längst erledigt war und die Fahrerin ihren Weg fortgesetzt hatte. Aber hätte Dennis mir dann nicht begegnen müssen?
Oder nein - es gab noch eine andere Möglichkeit: War er vielleicht im selben Moment hinten durch die Küchentür ins Haus gekommen, als ich vorne das Haus verlassen hatte, um nach ihm zu sehen? Und jetzt fragte er sich verdutzt, wo ich abgeblieben war?
Natürlich - so musste es sein.
Ich wendete und holperte zurück zum Haus, rannte hinein und rief nach ihm - keine Antwort. Ich fand keine Spur von Dennis, weder oben im Schlafzimmer noch im Bad noch unten. Durch die Hintertür ging ich hinaus in den Garten, brüllte seinen Namen immer lauter - und erhielt keine Antwort.
Dennis war verschwunden, und ich geriet langsam in Panik.
Wir befanden uns hier auf dem Land; hier war kein Geschäft oder dergleichen, in das er spontan gegangen sein konnte, um etwas einzukaufen. Ganz abgesehen davon war Sonntag und nichts hatte geöffnet außer der Tankstelle, die man nach circa zwei Kilometern passierte, wenn man stadteinwärts fuhr. Die unmittelbare Umgebung: An einer Seite grenzte sein Grundstück an den Wald, auf der anderen Seite waren Felder.
Ob er aus einer verrückten Laune heraus einen Spaziergang gemacht hatte?
Mehr als unwahrscheinlich, denn erstens lud das Wetter schwerlich dazu ein, und zweitens wartete ich zuhause mit seinem Lieblingsessen, das er sich für heute ausdrücklich von mir gewünscht hatte.
War er mit der unbekannten Autofahrerin durchgebrannt, weil die Liebe die beiden getroffen hatte wie ein Blitz?
Bei dieser Vorstellung überkam mich der Drang zu kichern, aber heraus kam nur ein hysterisches Schnauben.
Reiß dich zusammen, Loretta, dachte ich, aber meine Gedanken waren wirr und schossen mir wie Pingpongbälle kreuz und quer durch den Kopf. So sehr ich mich auch bemühte - ich fand keine vernünftige Erklärung für Dennis' Ausbleiben.
Ich war drauf und dran, die Polizei anzurufen, um ihn als vermisst zu melden, aber dann wählte ich doch lieber Erwins Nummer.
Er hörte mir zu, dann sagte er: »Du bleibst, wo du bist. Ich werde Frank mitbringen, und dann suchen wir ihn gemeinsam. Hast du schon versucht, ihn anzurufen?«
»Selbstverständlich habe ich das!«, blaffte ich ihn an. »Es klingelt, und dann geht die Mailbox ran. Hältst du mich für so beschränkt, dass ich diese Idee noch nicht hatte?« Ich atmete tief durch. »Erwin, tut mir leid . Ich mache mir solche Sorgen.«
»Schon gut. Versuche, dich zu beruhigen, okay? Bestimmt gibt es eine ganz einfache Erklärung. Vielleicht ist er mit dieser Frau noch zur Tankstelle gefahren oder .«
»Ohne mir Bescheid zu sagen?«, kreischte ich los. »Er weiß doch, dass das Essen auf dem Herd steht und ich auf ihn warte! Es gibt Gulasch! Das hat er sich von mir gewünscht!«
»Nicht durchdrehen, Liebes. Ich mache mich sofort auf den Weg«, sagte Erwin. »Und bis Frank und ich bei euch sind, hockst du ganz sicher schon mit Dennis am Küchentisch, und ihr genießt dein wunderbares Gulasch. Dann setzen wir uns dazu und lachen über die ganze Sache. Alles wird gut, vertrau mir.«
Bis zu ihrem Eintreffen tigerte ich ruhelos durchs Haus und drückte mir an allen verfügbaren Fensterscheiben die Nase platt. Meine amoklaufende Fantasie versorgte mich mit einem Horrorszenario nach dem anderen.
War er an der Landstraße von einem Auto angefahren und in den Graben geschleudert worden? Rang er um sein Leben, während ich hier auf Erwin und Frank wartete? O mein Gott - warum hatte ich nicht im Straßengraben nach ihm gesucht, ich dumme Kuh? In dem er vermutlich gerade mit gebrochenen Knochen lag und um sein Leben rang? Weil ich Schiss gehabt hatte, dass meine Brillengläser nass wurden? Ich war ein egozentrisches Monstrum, das nur an sich dachte.
Oder gab es im Wald ein Wolfsrudel, das ihn angegriffen und weggeschleppt hatte? Wilde Bestien, die so ausgehungert waren, dass sie ihre Angst vor den Menschen vergessen und ihn als Beute auserkoren hatten? Ich sah buchstäblich vor mir, wie sie ihn knurrend umkreist hatten, bis der erste losgesprungen war und ihn umgerissen hatte. Und dann hatten sich die anderen auf ihn gestürzt und ihm die Kehle aufgebissen .
Ich fuhr zusammen, als es Sturm klingelte, raste los und riss die Haustür auf. Mein Gesicht schien Bände zu sprechen, denn Erwin sagte: »Er ist noch nicht zurück?«
»Nein«, wimmerte ich, dann brach ich in Tränen aus.
Frank nahm mich in den Arm. »Nich weinen, Loretta. Wir sind ja jetz da. Allet wird gut, wirst schon sehn.«
Das reichte nicht aus, um mich zu beruhigen - bei Weitem nicht.
Auch die ständige Wiederholung des Alles-wird-gut-Mantras konnte nicht verhindern, dass mir Böses schwante.
Wir hatten beschlossen, die Umgebung noch einmal sorgfältig abzusuchen, denn vielleicht hatte ich ja tatsächlich etwas übersehen. Der Regen hatte nachgelassen; er rauschte nicht mehr vom Himmel wie die Niagarafälle, sondern war in ein moderates Tröpfeln übergegangen. Dennis' Namen brüllend,...
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