Schweitzer Fachinformationen
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Das Für und Wider pinkfarbener Samtsofas - für Loretta stehen wichtige Entscheidungen an
Die Angebote meine Freunde, mir beim Packen zu helfen, hatte ich bislang abgelehnt. Die Vorstellung, dass Frank oder Erwin - so gern ich sie auch mochte - meine Schlüppis in einen Umzugskarton schichten würden, war dann doch zu seltsam. Wenn es kurz vor dem Umzug an die Küche ging, konnte ich jede helfende Hand gebrauchen, aber vorher war es eine zu persönliche Angelegenheit. Besonders, was das Aussortieren anging.
Denn ich wollte mitnichten alles in die neue Wohnung schleppen - ganz im Gegenteil: Ich plante einen echten Neustart. Mit neuen Möbeln und allem Drum und Dran. Und vor allem ohne alten Ballast.
Also hatte ich bereits seit meiner Kündigung der Wohnung große Müllsäcke mit Zeugs gefüllt, das in meiner neuen Bleibe keinen Platz mehr hatte. Sentimentalität verbot ich mir, besonders was Erinnerungsstücke an die Zeit mit Pascal betraf - meinen Ex, mit dem ich die Wohnung bis vor einem knappen halben Jahr geteilt hatte. Alle gemeinsamen Anschaffungen hatte er mir gelassen.
Die Zeit nach seinem endgültigen Auszug war nicht leicht gewesen. Zuletzt waren wir noch gemeinsam in einen haarsträubenden Fall geraten, der ihn beinahe das Leben gekostet hätte - was ihn leider in seinem Entschluss bestätigt hatte, mich zu verlassen. Er hielt es schlicht nicht mehr aus, dass ich ständig mit rätselhaften Todesfällen zu tun hatte und immer wieder in Gefahr geriet, weil ich diese aufzuklären versuchte - womit ich durchaus erfolgreich war.
Aber nicht nur ich geriet in Gefahr, wie der letzte Fall gezeigt hatte, auch wenn das wirklich nicht meine Schuld gewesen war.
Dass zu meinem Neustart auch gehören sollte, mich nicht mehr in mörderische Angelegenheiten einzumischen, spielte für die Beziehung zwischen Pascal und mir keine Rolle mehr, dazu war viel zu viel vorgefallen.
Nach den verstörenden Ereignissen im November des letzten Jahres hatte ich mich erst mal erholen müssen, also hatte ich vier Wochen - Weihnachten und Silvester inklusive - bei meiner Freundin Diana an der Nordseeküste verbracht. Sie und ihr reizender Gatte Okko hatten mich aufgenommen, während Erwin und seine Gattin Doris sich um Baghira gekümmert hatten.
Täglich war ich bei Wind und Wetter stundenlang am Strand spazieren gegangen, stets begleitet von Heini, dem quirligen Terrier meiner Freunde. Ich hatte unermüdlich Stöckchen geworfen, Tonnen Muscheln und Schneckenhäuser gesammelt und Millionen von Fotos gemacht - und vor allem hatte ich nachgedacht: über mich, mein Leben und natürlich auch über das seltsame Phänomen, dass ich immer wieder über rätselhafte Todesfälle stolperte.
Eine Astrologin hatte mir vor einigen Monaten gesagt, dies sei keineswegs mein Schicksal, dem ich hilflos ausgeliefert wäre - so hatte ich es immer empfunden. Aber nein: Ich hatte die Wahl. Wenn ich es wollte, konnte ich mich auch dagegen entscheiden, mich in die Ermittlungsarbeit der Polizei einzumischen. Dazu fielen mir diverse Gegenargumente ein, hatte die Polizei doch in den meisten Fällen auf Unfalltod entschieden, während ich wusste oder auch nur ahnte, dass nachgeholfen worden war .
Um dieses Dilemma kreisten meine Gedanken, und zwar ständig.
Wie sollte ich es in Zukunft halten?
Einmischen oder den Dingen ihren Lauf lassen?
Als ich nach meinem Aufenthalt an der Nordsee in den Ruhrpott zurückkehrte, stand mein Entschluss fest: keine Ermittlungen mehr. Ich wollte ein normales Leben haben. Ich wollte die Vergangenheit hinter mir lassen und neu beginnen. Erschwerend kam hinzu, dass der Lautstärkepegel im Haus immer mehr anstieg. Der Grund war simpel: Es war ein Altbau, die Wohnungen waren nicht nur groß und günstig, sondern zudem perfekt für Wohngemeinschaften. Ständig lief irgendwo Musik, das nächtliche Leben mit zahlreichen Besuchern war rege - ich hatte die Nase gestrichen voll.
Also kündigte ich zum nächstmöglichen Termin meine Wohnung, um auch für mich selbst einen klaren Startpunkt für den Neubeginn zu setzen.
Eine neue Wohnung zu finden, war längst nicht so einfach, wie ich gedacht hatte. Wochenlang hatte ich die Anzeigen in der Tageszeitung und auf den einschlägigen Plattformen im Internet studiert; wochenlang hatte ich Besichtigungstermine wahrgenommen.
Wahlweise wurden horrende Mieten verlangt, sah ich mich mit Dutzenden Mitbewerbern konfrontiert oder erkundete schaudernd heruntergekommene Behausungen, bei denen nicht einmal meine ausgeprägte Fantasie ausreichte, um sie mir in renoviertem und bewohnbarem Zustand vorzustellen. Nichts hatte bisher geklappt - aber nun kannte ich ja Frau Schiller und die hübsche Wohnung im ersten Stock dieses Hauses, die mir perfekt schien, um meine Zukunftspläne umzusetzen.
Und was noch wichtiger war: Frau Schiller hatte mich gemocht.
Mittlerweile hatten Schränke, Schubladen und Regale sich merklich geleert, und mit jedem Teil, das ich aussortierte, fühlte ich mich ein wenig leichter.
Dennoch: Der heimlich gehegte Traum, dass meine gesamte Habe in einen Koffer passt, würde wohl unerfüllt bleiben. Trotzdem war ich überrascht, wie viel Zeugs sich im Laufe der Jahre in der Wohnung angesammelt hatte. Und war es nicht sowieso zurzeit schwer im Trend, sich von unnützem Ballast zu befreien?
Also: Seit wann hing diese Bluse ungetragen im Schrank? Länger als ein Jahr? Weg damit! Und der Reiskocher - wann hatte ich ihn zuletzt benutzt? Vor vier Jahren? Adios, Reiskocher. Benötigte ich wirklich 25 Teelichthalter, 31 Kaffeebecher und vier Teekannen?
Auf keinen Fall.
Dinge, die noch zu gebrauchen waren, spendete ich an gemeinnützige Organisationen; alles andere kam auf die Mülldeponie. Baghira beäugte meine Aktivitäten mit wachsendem Misstrauen, wie ich mir einbildete. Saß ich auf dem Fußboden und leerte nach und nach uralte Kramkisten voller Schnickschnack, hockte er neben mir und folgte aufmerksam jeder meiner Bewegungen. Ich unterhielt mich dann mit ihm und erklärte bei jedem Teil, warum ich es behalten oder wegwerfen wollte. Auch hielt ich ihm lange Vorträge über die erhoffte neue Wohnung und den wunderbaren Balkon, auf dem er bald die frische Luft würde genießen können.
Herrje - ich verwandelte mich allmählich in eine verrückte Katzenlady .
Offen stehende Schranktüren und Schubladen verführten Baghira natürlich dazu, strikt verbotenes Terrain zu erkunden. Nicht nur einmal befreite ich ihn nach langer Suche zu später Stunde aus einem längst wieder verschlossenen Schrank, weil er sich in der hintersten Ecke zusammengerollt hatte und eingeschlafen war. Schwarze Kater sind in dunklen Ecken nun einmal so gut wie unsichtbar; also fiel mir seine Abwesenheit meist erst dann auf, wenn ich ins Bett gehen wollte und ihn bei meinem letzten Kontrollgang durch die Wohnung nirgends entdeckte.
Nach drei Tagen meldete sich endlich Frau Schiller bei mir und überbrachte mir die frohe Botschaft, dass ich als neues Mitglied der Hausgemeinschaft auserkoren sei. Wenn ich wolle, könne ich noch heute den Vertrag unterschreiben und den Schlüssel übernehmen.
Sofort wählte ich Dianas Nummer, die natürlich über jeden meiner Schritte informiert war und mich - wenn auch aus der Ferne - bei meiner Wohnungssuche begleitet hatte.
»Ich hab die Wohnung!«, kreischte ich, kaum dass sie das Gespräch angenommen hatte.
»Die von der Federnkleberin?«
»Ja - ist das nicht toll? Ich bin so happy! Jetzt kann ich mit der konkreten Planung beginnen . und ich kann Möbel kaufen gehen . und Pflanzen für meinen Balkon . und .«
»Nichts überstürzen«, unterbrach sie mich kichernd. »Du willst es dir doch richtig schön machen, oder? Also lass dir Zeit, bevor du voreilige Entscheidungen triffst. Nicht dass du plötzlich ein pinkfarbenes Samtsofa in der Bude stehen hast, für das du dich allzu spontan entschieden hast und das dir innerhalb von ein paar Wochen tierisch auf den Keks geht.«
»Ach, sei nicht so schrecklich vernünftig, Diana. Ich entwickle mich langsam, aber sicher zu einer exzentrischen Singlefrau mittleren Alters, die mit ihrem Kater lange Gespräche führt. Dazu gehört zwingend ein pinkfarbenes Samtsofa, finde ich. Vielen Dank für deine kreative Anregung. Dieses Klischee gönne ich mir, das habe ich mir redlich verdient. Es wird dauern, bis es den nächsten Mann in meinem Leben gibt - wer also sollte über extravagantes Mobiliar meckern?«
»Tu es nicht - du wirst es bereuen!«
»Nee, Spaß beiseite: Ich werde über jede Anschaffung nachdenken, denn ich...
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