Schweitzer Fachinformationen
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Michalis stieg neben dem Athena vom Roller und sah, dass Hannah hinter einigen Fischerbooten an der Mole lehnte und winkte. Er überquerte den Platz vor dem kleinen Museum für historische Segelschiffe, neben der Bar des Yachtclubs, und lächelte. Hannah trug ein blaues Sommerkleid, und ihre langen blonden Haare wehten leicht im Wind. Die Sonnenbrille hatte sie in die Haare hinaufgeschoben, weil sie videotelefonierte und ihr Gegenüber ihr Gesicht sehen sollte. Sie kniff dabei die Augen zu, denn der Himmel war strahlend blau, und das helle Sonnenlicht, das auf dem Wasser des Hafens glitzerte, blendete sie.
Acht Jahre kannten sie sich jetzt, und noch immer war Michalis jedes Mal glücklich, in Hannahs Nähe zu sein. Er wusste, dass er mit ihr sein Leben verbringen wollte, aber es würde anders sein, als es auf Kreta üblich war. Hannah würde weiterhin am Archäologischen Museum in Heraklion arbeiten, auch wenn seine Mutter und seine Schwester das nicht verstanden. Der Gedanke, Eltern könnten sich die Betreuung der Kinder teilen, war ihnen fremd.
»Wir werden es anders machen«, hatten Michalis und Hannah immer wieder erklären müssen, und Hannah war zunehmend verärgert gewesen, weil Loukia und Elena ständig davon anfingen, dass Hannah nach dem ersten Kind doch wohl zu Hause bleiben würde. Erst als Michalis drohte, die Hochzeit abzusagen, hörten die Fragen auf, und Hannah wurde wieder so entspannt und heiter, wie er sie kannte und liebte. Viele ihrer deutschen Freundinnen und Freunde reisten nächste Woche an, um bei dem größten Fest, das sie wohl jemals erleben würden, dabei zu sein. Und schon in fünf Tagen würden Hannahs Mutter, ihr zweiter Ehemann und, vor allem, Hannahs jüngerer Bruder Florian eintreffen.
Einen Tag später würde dann ein Gast eintreffen, auf den Hannah lieber verzichtet hätte: ihr Vater Lothar Weingarten. Nur bei Anrufen zu Geburtstagen und Weihnachten hatten Hannah und ihr Bruder Kontakt zu ihm, denn nach dem Scheitern der Ehe mit Hannahs Mutter war im neuen Leben ihres Vaters kaum Platz für die Kinder gewesen. Selbst die seltenen gemeinsamen Wochenenden verliefen enttäuschend und hinterließen bei Hannah und ihrem Bruder Florian das Gefühl, ihr Vater interessiere sich nicht für sie. Doch seit dem Scheitern seiner zweiten Ehe suchte er plötzlich wieder Kontakt.
Michalis hatte Hannah fast erreicht, als sie das Handy auf ihn richtete.
»Und hier kommt er, mein zukünftiger kretischer Göttergatte. Sieht er nicht wirklich ein bisschen aus wie Zeus?«, sagte Hannah gut gelaunt, und Michalis begriff, dass sie mit ihrer besten Freundin und Trauzeugin Nele sprach. »Zum Glück ist er groß und kräftig, denn er muss mich ja nach der Trauung zwei Stockwerke hoch in die Wohnung tragen. Und ich muss ihm bei der Trauung auf den Fuß treten, das ist so auf Kreta.«
Hannah lachte und hielt das Handy so, dass ihre Freundin das Athena sehen konnte, und sie deutete nicht nur zur Taverne der Familie Charisteas, sondern auch zum Platz vor dem Museum historischer Segelschiffe und dem Yachtclub.
»Dort drüben werden lange Reihen mit Tischen stehen. Es kommen an die tausend Leute, und wie ich meine zukünftige Schwiegermutter kenne, werden alle nach ein paar Stunden so viel gegessen haben, dass sie sich kaum noch rühren können.«
»Deshalb wird dann ja getanzt! Bis in den frühen Morgen!«, rief Michalis.
»O ja, es wird stundenlang getanzt! Michalis' reizende, aber manchmal etwas anstrengende Schwester wollte mir schon Tanzunterricht geben. Aber Michalis' Mutter hat dafür gesorgt, dass ich zweimal die Woche abends zu einer Tanzgruppe gehe. Zehn kretische Frauen, und alle wild entschlossen, mir den Syrtos chaniotis und den Sousta beizubringen, damit ich mich bei der Hochzeit nicht blamier.«
Michalis hätte gern bei den Proben dieser Tanzgruppe zugesehen, doch das hatten ihm die Frauen kategorisch verboten. Er war sicher, Hannah würde beim Tanzen eine sehr gute Figur abgeben, und machte sich größere Sorgen, weil auch er tanzen musste. Nächste Woche würde er zur Sicherheit Nachhilfe im Pentazolis und vor allem im Sousta, dem Tanz der Liebenden, nehmen. Den schnellen Malevisiotis, bei dem die Männer akrobatische Sprünge vollführten, würde er hingegen den routinierten Tänzern überlassen.
Michalis' Vater hatte nicht nur ein, sondern gleich zwei Trios engagiert, die die ganze Nacht spielen und die Gäste mitreißen würden. Diese traditionellen Rituale hatten Michalis und Hannah akzeptiert, auch wenn sie selbst lieber ruhiger und in einem kleineren Kreis gefeiert hätten. Auf einer einzigen Bedingung hatten sie jedoch bestanden: Es würde keine Balothies, Freudenschüsse, geben. Bei jeder großen Feier schossen junge Männer nachts wie besessen in die Luft, und nicht nur, weil es verboten war, hatte Michalis sich diese Schüsse verbeten. Immer wieder kam es bei Festen durch Querschläger zu Verletzten und sogar Toten. Vor einem Jahr waren Michalis und Hannah in den Bergen zufällig Gäste einer Tauffeier gewesen, bei der spätabends minutenlang Freudenschüsse in den dunklen Himmel gejagt wurden, bis einer der Musiker tödlich getroffen zusammenbrach.
»Nele ist viel aufgeregter als ich«, sagte Hannah und küsste Michalis. »Sie hat Angst, in einem fremden Land nicht zu wissen, was sie als Trauzeugin machen muss. Aber das wird sie schon hinbekommen.«
»Auf jeden Fall. Sie muss sich nur an meine Schwester halten. Damit unsere Trauung perfekt wird, wird Elena Nele nicht von der Seite weichen und ihr jeden Handgriff erklären«, erwiderte Michalis.
Hannah blinzelte in die tief stehende Sonne. »Wir müssen rüber, oder? Und zum tausendsten Mal durchkauen, wer wann anreist, wer dann womit beschäftigt wird und wer wo sitzt.«
»Ja, ich fürchte, das müssen wir noch ein paar Tage aushalten. Aber danach .«
»Chryssoulakis hat mich heute zu sich ins Büro gebeten«, sagte Hannah nachdenklich. »Er kann mich noch beschäftigen, bis unsere Wanderausstellung in Athen eröffnet ist, aber danach wird es schwieriger. Der Verwaltungsrat setzt ihn unter Druck, weil ich schon so lange als freie Mitarbeiterin für ihn arbeite. Vielleicht findet Chryssoulakis ein neues Projekt, sonst muss ich hoffen, dass es mit der Stelle in der Presseabteilung klappt.«
In der Presseabteilung war die Stelle einer Assistenz frei geworden, und Orestis Chryssoulakis, der Direktor des Archäologischen Museums in Heraklion, hatte Hannah geraten, sich zu bewerben. Als Direktor ließ er seinen Einfluss spielen und empfahl Hannah nachdrücklich, doch es gab einen Mitbewerber, den das Museum nicht ignorieren konnte: Markos Papastamatakis, den bisherigen Assistenten des Direktors.
»Chryssoulakis hat mir zu verstehen gegeben, dass er Markos loswerden will«, sagte Hannah. »Als Markos vor einigen Jahren bei ihm anfing, war er sehr engagiert und hat sich um alles gekümmert. Aber mit der Zeit ist er eitel und träge geworden, sagt Chryssoulakis. Er will versuchen, mich zu seiner neuen Assistentin zu machen, aber er fürchtet, das in den Gremien nicht durchsetzen zu können.«
Von Anfang an waren im Museum einige Leute skeptisch gewesen, weil Hannah keine Archäologin, sondern Kunsthistorikerin war.
»Wir werden sehen«, fuhr Hannah fort. »Heute hat mir wieder eine Kollegin erzählt, dass Markos im Museum über mich herzieht und Gerüchte verbreitet. Am Anfang haben wir gut zusammengearbeitet, aber inzwischen bin ich froh, wenn ich ihn nicht sehen muss.« Hannah blickte zum Athena. »Wir müssen rüber, oder? Könnte mein Zeus nicht heute mal die Braut entführen und ihr die Schwiegereltern ersparen?«
»Nichts lieber als das«, sagte Michalis und strich sich über den Bart. »Aber dein Zeus weiß leider auch, was dann dort drüben im Olymp los wäre .«
»O ja«, sagte Hannah und grinste.
Das Athena war bis auf den letzten Platz besetzt. Sobald mit dem August die große Hitze vorbei war, strömten die Mitteleuropäer nach Kreta, denen es im Hochsommer zu heiß war. Ein volles Athena ließ Michalis hoffen, Loukia und Elena könnten wenig Zeit haben, sie mit den Details der Vorbereitungen zu bestürmen. Wobei Michalis und Hannah durchaus zu schätzen wussten, dass vor allem Loukia ihnen ungeheuer viel Arbeit abnahm.
»Hannah, können wir denn wenigstens deine Tante und deinen Onkel mit ins Akropolis buchen? Da sind bisher nur deine Freunde, und das Akropolis hat uns ein sehr gutes Angebot gemacht«, sagte Loukia, nachdem sie sich zu Michalis' Vater Takis gesetzt hatten. Sein Tisch an der Tür zum Innenraum war immer für ihn und die Familie reserviert.
Hannah seufzte. Das Akropolis war ein schönes Hotel mit Blick über den Venezianischen Hafen, und ihre Freunde würden sich dort wohlfühlen. Doch im Akropolis war auch ihr Vater untergebracht, weil sich ihre Mutter und ihr Bruder Florian weigerten, mit ihm unter einem Dach zu wohnen.
»Im Akropolis sollte wirklich nur mein Vater sein«, sagte Hannah. »Alle anderen hatten mit ihm schon Streit, und das könnte Probleme geben. Gibt es nicht doch noch ein Zimmer im Thalassa?« Dort würden ihre Mutter, ihr Stiefvater, ihr Bruder und auch ihre Trauzeugin Nele mit ihrem Freund und ihrer kleinen Tochter wohnen.
»Ich werde mit Stavros reden. Er kann bestimmt noch etwas machen«, sagte Takis, und Michalis war sicher, dass das Problem damit gelöst war, denn sein Vater kannte den Hotelier des Thalassa seit...
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