Schweitzer Fachinformationen
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»Das hast du richtig gemacht«, versichert Jools mir, als ich ihr von meiner Kündigung erzähle. »Die haben dich lange genug hingehalten.«
Ich bin noch im Bett und videochatte mit meiner ältesten Freundin, dem Menschen, der seit der Grundschule an meiner Seite steht, der mir in Zeiten der Unsicherheit immer Halt gibt.
»Danke.« Ich beiße mir auf die Lippe. »Bei Tageslicht betrachtet kommt es mir allerdings ein bisschen überhastet vor.« Im Allgemeinen bin ich niemand, der vorschnelle Entscheidungen trifft. Es kann schon passieren, dass ich spätabends noch einen Kaffee trinke, einen gewagten Lippenstift ausprobiere oder mir willkürlich ein Gericht von der Speisekarte aussuche, aber risikofreudiger wird es bei mir normalerweise nicht.
Jools nippt an ihrem Tee. Wie ich ist sie gerade erst aufgewacht, die Haare lösen sich aus ihrem Dutt. Sie streicht sie sich aus dem Gesicht. »Und, was hat Georgia dazu gesagt?«
»Nicht viel. Ich glaube, sie stand unter Schock.«
Als ich vor acht Jahren bei Figaro anfing, schien es ein eigentlich unverdienter Glückstreffer zu sein: eine Stelle bei Shoreleys einzigem Kreativbüro, wenige Monate nachdem ich mein Studium abgebrochen hatte. Ursprünglich hatte ich mich als Texterin beworben, aber Georgia stellte mich als Planerin ein, weil sie ahnte, dass ihre junge Agentur ohne so jemanden nicht weit käme. Ich sagte sofort zu, weil ich so dankbar war, überhaupt einen Job zu bekommen, und schwor mir, sie wieder auf eine Stelle als Texterin anzusprechen, sobald ich mich eingewöhnt und bewährt hatte. Anfangs waren wir nur zu sechst, gemeinsam bauten wir die Firma auf die vierzig Mitarbeiter aus, die sie heute beschäftigt. Und die meisten dieser Jahre waren gut. Erfüllend, in vielerlei Hinsicht. Tief drinnen aber bin ich keine Planerin: Ich wollte schon immer schreiben. Das liegt mir im Blut. Diese ganze Zeit, in der ich über Produkte und Branchen recherchierte, den Kundenkontakt pflegte oder Aufträge verfasste, wusste ich, dass mein Herz eigentlich für das Schreiben schlug. Ich notierte mir Slogans, schlug dem Team kreative Ansätze vor, entwarf manchmal Texte, um den Kollegen unter die Arme zu greifen.
Gestern Nachmittag lief dann das Fass endgültig über, als ich erfuhr, dass Georgia eine Texterin von außen angeworben hatte. Die Stelle hat sie mir im Laufe der Jahre fünfmal versprochen, und jetzt gibt sie sie einer anderen.
Als ich in ihr Büro stürmte, um eine Erklärung zu fordern, kam sie mit der müden Ausrede, sie könne sich nicht erlauben, mich in der Planung zu verlieren. Also ging ich einfach, was mich selbst mindestens genauso überraschte wie alle anderen.
»Und was jetzt?«, fragt Jools und beißt in eine Scheibe Toast. »Ziehst du nach London?«
»London?«, wiederhole ich, als hätte sie auf den Mond gesagt.
»Ja. Hat dich nicht vor ein paar Wochen diese super-duper Agentur kontaktiert?«
Ich nicke. »Nur weil sie auch eine Planerin brauchen.«
Wie es der Zufall will, hat sich vor ungefähr vierzehn Tagen ein Headhunter im Namen der Crème de la Crème der Werbeagenturen, der Supernova Agency of Soho, bei mir gemeldet. Die Belegschaft liest sich wie eine Liste der heißesten Talente der ganzen Branche, und das Büro bewirbt sich regelmäßig um die dicksten Aufträge im ganzen Land, gewinnt Wettbewerb um Wettbewerb, Preis um Preis. Supernova ist berüchtigt für seine Rücksichtslosigkeit: Fremdes Personal wird abgeworben, Nachtschichten sind Standard, Wochenenden sind nicht vorgesehen. Aber das Gehalt ist astronomisch, und im Büro gibt es eine eigene Bar, ein Fitness- und ein Nagelstudio. Plus die legendären, voll bezahlten Firmenreisen.
Im Laufe der Jahre erhielt ich ähnliche Angebote von verschiedenen Headhuntern, aber sie kamen komischerweise immer gleichzeitig mit Gründen, bei Figaro zu bleiben: ein weiteres Versprechen von Georgia, mich zur Texterin zu befördern, eine Gehaltserhöhung, die Wahl Shoreleys zum lebenswertesten Ort Großbritanniens, ein Artikel im Guardian über Londoner, die in Scharen die Stadt verlassen. Und, um ehrlich zu sein, war ich bisher ziemlich glücklich in Shoreley, wo ich bei Tash, ihrem Mann und meinem Neffen im Haus wohne. Ich erwog nie ernsthaft, in die Hauptstadt zu ziehen.
»Das Timing ist perfekt, Lucy«, sagt Jools jetzt. »Bei uns wird ein Zimmer frei. Genau heute. Cara zieht aus.«
Vor fast zwölf Jahren ging Jools nach London, um eine Ausbildung zur Krankenschwester zu machen, und kehrte nie zurück. Seit drei Jahren lebt sie in einer Hausgemeinschaft in Tooting. Wie ich spart sie auf etwas Eigenes, und in der Zwischenzeit ist eine WG billiger als eine Einzimmerwohnung. Außerdem liegt das Haus nur einen Steinwurf von ihrem Krankenhaus entfernt.
In dieser Zeit hatte sie diverse Mitbewohner, nur zu oft eine Quelle der Erheiterung für uns. Wobei die derzeitigen mir ganz in Ordnung zu sein scheinen. Ich habe sie ein paarmal getroffen. Besonders Cara war herzlich und intelligent, mit einem kehligen Lachen und einer Schwäche für überbackenen Käsetoast mitten in der Nacht.
Und das Haus ist nett. Ja, schon, es ist ein bisschen gammelig und abgewohnt, mit abblätternder Tapete und fadenscheinigen Teppichen und einem Dauerkonzert von tropfenden Wasserhähnen und undichten Stellen. Aber es hat eine heimelige und gemütliche Atmosphäre. Ein Ort, an dem ich mir vorstellen kann, mich geborgen zu fühlen.
Jools erzählt mir, dass Cara auf Reisen geht. Südostasien, im Anschluss Australien.
Mein Magen macht einen Satz, mein Blick huscht zum Fenster. Ein instinktives Suchen nach einem Fluchtweg.
Ich atme mehrmals tief durch und wende mich wieder dem Handy zu. »Meinst du das ernst?«
»Klar doch! Nimm den fetten Job an und zieh bei mir ein.«
»Aber ich glaube, in London möchte ich genauso wenig als Planerin arbeiten wie in Shoreley.«
»Dann werde Texterin. Kann schon sein, dass du erst mal kleiner anfangen musst, aber du hast so viel Erfahrung in der Branche.«
Und eine Mappe, denke ich zaghaft. Slogans, die ich in meiner Freizeit entworfen, Texte, die ich verfasst habe, wenn das Team unter Zeitdruck stand, Kampagnenideen, die ich zusammen mit Grafikern entwickelt habe, nur so aus Spaß.
»Außerdem weißt du ja, wer sonst noch in London wohnt«, sagt Jools bedeutungsschwanger.
»Wer denn?«, frage ich unschuldig, obwohl es in meinem Kopf flüstert: Max.
»Max.«
»Max?«, ruft meine Schwester, als ich ein paar Minuten später unten frühstücke, die Augen so groß wie die eines Rehs im Scheinwerferlicht.
Tash ist kein Fan von Max, seit er mir das Herz gebrochen hat.
»Jaja, ich weiß. Aber er war total lieb gestern. Er wirkte erfreut, mich zu sehen.«
»Was wollte er denn in Shoreley?«
»Er war nur auf der Durchreise. Ein Arbeitstermin.« Max' Geständnis, sich an die guten alten Zeiten erinnert zu haben, verschweige ich bewusst.
Tash reicht mir einen Kaffee. Während ich an ihrer blitzblanken Frühstückstheke Coco Pops in mich schaufele, macht sie sich warm für eine Fitnesseinheit, von Kopf bis Fuß in Sweaty Betty, eine riesige Wasserflasche in der Hand.
Vor zwei Jahren bin ich bei Tash und ihrem Mann Simon eingezogen, als Teil eines größeren Sparplans (mehr ihrer als meiner zu Anfang), damit ich mir irgendwann eine Eigentumswohnung kaufen kann. Es traf sich gut, dass ich es hasse, allein zu wohnen, und mich nach der Trennung von meinem Ex nach Gesellschaft sehnte, und so fügte sich alles wunderbar.
Für Tash und Simon ist es kein so großes Opfer, wie es klingt. Ihr umgebauter Bauernhof hat sechs Schlafzimmer und zwei richtige Seitenflügel, zudem haben sie dadurch einen inoffiziellen Babysitter im Haus. Das Haus liegt gute fünfzehn Kilometer von der Küste entfernt, umgeben von nichts als riesigen Äckern, ohne Nachbarn in der Nähe. Die Stille hier kann manchmal regelrecht unheimlich sein, sodass ich nach dem Krachen brechender Wellen oder dem Trubel begeisterter Touristen in Shoreleys Kopfsteinpflastergassen lechze.
»Jools findet, ich sollte nach London ziehen«, sage ich mit vollem Mund, während Tash ein paar Kniebeugen macht. »Bei ihr ist ein Zimmer frei.«
Die Furche auf Tashs Stirn vertieft sich. Sie hört mit ihren Kniebeugen auf. »Lucy, nur weil du zufällig Max über den Weg gelaufen bist, kannst du doch nicht einfach alles stehen und .«
»Darum geht es nicht.« Was eigentlich auch stimmt. Ich meine, ja, in meinem Horoskop stand gestern rein zufällig etwas von einer Begegnung mit meinem Seelenverwandten, und es erscheint wirklich lächerlich, dass es sich auf jemand anders als Max bezogen haben könnte. Allerdings waren darin auch neue berufliche Wege erwähnt. Jools hat ein freies Zimmer, und ich wurde von dem Headhunter angeschrieben: Vielleicht zeigen alle Zeichen Richtung London.
»Ich habe eine bessere Idee«, sagt Tash.
»Nämlich?«, frage ich misstrauisch, weil ich - machen wir uns nichts vor - mit einem Menschen spreche, der gern vor dem Frühstück Sport treibt.
»Warum nutzt du nicht die Gelegenheit zum Schreiben? Das war immer dein Traum.«
»Ja, so was in der Art dachte ich auch. Mir einen Job als Werbetexterin besorgen.«
»Nein, ich meinte .« Tash stockt, dann verzieht sie den Mund zu einem Grinsen. »Das hier hab ich gestern im Feinkostladen entdeckt.« Sie greift nach der Obstschale und zieht einen Flyer darunter hervor.
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