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Früher war hier ein Brunnen, an dem sich sonntags morgens die Fahrradfahrer trafen, um nach Coney Island und zurück zu radeln.
Wenn ich nur ihre Namen nenne, denke ich schon an das Goldene Zeitalter. Unglücklich der Mann, der nie ein Goldenes Zeitalter gekannt hat. Ich bin noch in jener Phase zwischen sieben und zwölf. Und lebe jetzt in einer neuen Gegend, an der Decatur Street im Bushwick-Viertel. «Die Straße der Leiden» taufte ich sie später. Aber zur Zeit bin ich nicht allzu unglücklich. Mit meiner Mutter und Schwester nach Glendale, einem Vorort von Brooklyn, zu gehen, war ein Ereignis - ein freudiges. Wir konnten ihr Haus zu Fuß in einer Stunde erreichen. Für uns bedeutete das, aufs Land hinaus zu wandern. Für mich war es die erste Berührung mit Natur - und mit Kunst.
John Imhof, der Vater von Joey und Tony, war Künstler. Er malte Aquarelle (gewöhnlich nachts, wenn alle zu Bett gegangen waren), und er machte auch bunte Glasfenster für die kleinen Kirchen in der Umgebung. Wie meine Eltern mit den Imhofs bekannt wurden, weiß ich nicht. Wahrscheinlich durch den «Saengerbund», wo sie so viele Freunde kennenlernten.
Wenn ich heute an diese beiden kleinen Freunde denke, kommen sie mir mir kaum wirklich vor. Sie waren eher wie Gestalten aus einem Kinderbuch. Sie hatten Eigenschaften, die keiner von uns Stadtjungen besaß. Zunächst einmal waren sie immer freundlich und heiter, immer voller Enthusiasmus, und immer entdeckten sie irgend etwas. Sie sprachen eine andere Sprache als wir übrigen. Sie sprachen über Vögel, Blumen, Frösche, Schlangen, Taubeneier. Sie wußten, wo man Vogelnester fand. Sie züchteten Hühner, Enten, Tauben und kannten sich mit ihnen aus.
Sie hatten mir immer etwas Neues, etwas Interessantes zu zeigen, wenn ich ankam. Vielleicht hatten sie einen Pfau bekommen oder noch einen kleinen Hund oder einen alten Ziegenbock. Immer etwas Warmes, Lebendiges.
Sobald ich eingetroffen war, mußte ich mit ihnen kommen - weil sie mir ein paar neue Eier im Nest zeigen wollten oder ein neues buntes Glasfenster, das ihr Vater gerade gemalt hatte. Ich war zu jener Zeit völlig uninteressiert an bunten Kirchenfenstern und Aquarellen. Ich hätte mir nie träumen lassen, daß auch ich eines Tages bis tief in die Nachtaufbleiben und Aquarelle malen würde. Immerhin, John Imhof war der erste Künstler, der in mein Leben trat. Ich kann mich noch erinnern, wie mein Vater das Wort Künstler aussprach. Er war sehr stolz auf seinen Freund John Imhof. Und jedesmal, wenn ich das Wort hörte, spürte ich eine heftige Regung in mir. Ich hatte nicht die leiseste Vorstellung, was es bedeutete. Ich weiß nur, daß das Wort Kunst etwas in mir bewirkte. Im Gegensatz zu mir waren Tony und Joey bereits mit den Namen der großen religiösen Maler vertraut, und sie besaßen dicke, schwere Bücher, in denen die Werke dieser Maler abgebildet waren. So kannte ich von jungen Jahren an Namen wie Giotto, Cimabue, Fra Angelico und dergleichen. Um Stanley zu ärgern, leierte ich manchmal diese Namen herunter.
Die Imhofs waren katholisch. Und so wurden mir die Namen der Heiligen ebenso vertraut wie die der großen Maler. Oft begleitete ich Tony und Joey in die Kirche. Ich muß gestehen, ich mochte die Atmosphäre der katholischen Kirche nicht. Ich konnte auch nichts von der Lehre glauben, die sie mir zu vermitteln suchten. Besonders wenig mochte ich bei ihnen zu Hause die Bilder von der Jungfrau Maria, von Johannes dem Täufer und von Jesus, der für uns am Kreuz gestorben ist. Ich fand das alles furchtbar grausig. Doch merkte ich bald, daß meine kleinen Freunde sich diese Dinge nicht zu Herzen nahmen. Sie waren sozusagen keine geborenen Katholiken, wie man sie in Spanien, Sizilien oder Irland trifft. Sie hätten genausogut Türken sein können.
Dieses Glendale war nur ein winziges Dorf, das auf der einen Seite an einen Golfplatz und auf der andern an zwei katholische Friedhöfe grenzte. Zwischen ihnen lag ein Tal, in das wir niemals vordrangen. Es war eine Art Niemandsland. Die Straßen waren breit und von riesigen, schattenspendenden Bäumen gesäumt. Jedes Haus war von einem Zaun umgeben. An der Straßenecke wohnte die Familie Rogers, die aus einer kränklichen Tante und einem jungen Mann von knapp zwanzig bestand, der für meine Freunde das war, was Lester Reardon und Eddie Carnie für mich bedeuteten. Dieser junge Rogers war auf dem Wege, ein Golfstar zu werden. Meine kleinen Freunde fühlten sich nur zu geehrt, wenn sie ihm die Schläger tragen durften. Ich selbst habe bis zum heutigen Tage nicht das geringste Interesse für Golf aufgebracht. Ich verstehe das Spiel ebensowenig wie Football.
Es gab so vieles, was ich nicht verstand, so kommt es mir vor. Im Vergleich zu mir waren Tony und Joey äußerst gewitzt. Es bereitete ihnen Vergnügen, mir die Augen zu öffnen.
Ich habe immer alle beneidet, die auf dem Land geboren sind. Sie lernen die wesentlichen Dinge des Lebens so viel schneller. Ihr Leben mag hart sein, aber es ist auch gesünder. Aus der Sicht des Stadtjungen wirken sie vielleicht zurückgeblieben, aber das sind sie nicht. Ihre Interessen sind verschieden, das ist alles.
Bis ich Joey und Tony kennenlernte, hatte ich niemals einen Vogel in meinen Händen gehalten, nie erfahren, was es bedeutet, die Wärme und das Zittern einer winzigen lebendigen Kreatur zu spüren. Von meinen Freunden lernte ich bald, mit Mäusen und Schlangen umzugehen. Ich fürchtete mich auch nicht, wenn einmal eine Gans auf mich losging.
Einfach nichts zu tun, war schon ein wunderbares Fest. Im süß duftenden Gras auf der warmen Erde zu liegen und den dahinziehenden Wolken oder den über mir kreisenden Vögeln zuzuschauen. Freilich, der Tagesablauf war für uns geregelt, aber es blieb zwischen den Pflichten immer reichlich Zeit zum Faulenzen.
Schon als ich noch ein Junge war, bedeutete mir die christliche Religion nie etwas. Sie strömte Grabesgeruch aus. Sie sprach von Bösem, von Sünde und Strafe. Sie war morbide und leichenhaft. Ich konnte in ihr niemals Frieden oder Freude finden. Im Gegenteil, sie erfüllte mich oft mit Schrecken, besonders der katholische Glaube. Die Beichte war in meinen Augen ein großer Witz. Ein Hokuspokus, ein Betrug. Nein, alles an der Kirche schien für Schwachköpfe bestimmt.
Es gab wunderliche Gestalten in dieser Gemeinde. Ein Mann, der, glaube ich, Fuchs hieß, war, was meine Freunde einen «Hundeköttelsammler» nannten. Das hieß, daß er den ganzen Tag mit einem verkürzten Besenstiel umherging, an dessen Ende eine Eisenspitze angebracht war, und damit Hundehaufen einsammelte. Er trug diese Haufen in einem Sack auf dem Rücken, und wenn er genügend beisammen hatte, brachte er sie in eine Parfumfabrik, wo man ihn für seine Bemühungen gut bezahlte. Er hatte eine seltsame Art zu sprechen, dieser Mr. Fuchs. Natürlich war er nicht ganz richtig im Kopf. Das wußte er auch. Seine Possen wurden dadurch noch komischer. Er war sicherlich ein frommer Katholik und bekreuzigte sich ständig oder murmelte: «Gegrüßt seist du, Maria.» Er versuchte, uns dazu zu bekommen, für ihn zu arbeiten, aber das sahen wir nicht ein. Was Arbeit anging, so gab es eine Menge Gelegenheitsjobs, die meine Freunde übernehmen konnten. An Taschengeld fehlte es ihnen nie. Gewöhnlich gaben sie ihrer Mutter die Hälfte ihrer Einkünfte ab.
Ich brauchte nicht lange, um zu entdecken, daß zwischen dem Vater und der Mutter irgend etwas nicht stimmte. Mrs. Imhof war, wie jedermann sehen konnte, an die Flasche geraten. Ihr Atem roch immer nach Schnaps, und sie war nicht sicher auf den Beinen. Sie machte auch dumme Sachen, die man einfach nicht übersehen konnte. Die Gespräche zwischen ihr und ihrem Mann hielten sich wahrhaftig in Grenzen. Meistens beklagte er sich, daß alles vor die Hunde gehe. Und das tat es auch. Glücklicherweise gab es zwei weitere Familienmitglieder, die halfen, so gut sie konnten - Minnie, die ältere Tochter, und Gertrude, die etwa in meinem Alter war.
Woher die plötzliche Kluft zwischen den beiden kam, die gute zwanzig Jahre verheiratet waren, wußte man nicht genau. Die Jungen vertraten die Ansicht, ihr Vater sei in einen alten Schatz in Deutschland verliebt, der begonnen habe, ihm Briefe zu schreiben. Sie sagten, er habe sogar gedroht, sie zu verlassen und zu seiner Freundin nach Deutschland zu gehen. (Was er ein paar Jahre später denn auch tat.)
Gewöhnlich zog sich der Vater recht früh zurück. Er ging noch nicht gleich schlafen. Er malte im Licht einer Studierlampe Aquarelle. Wir mußten durch sein Zimmer gehen (auf Zehenspitzen), um in unser Schlafzimmer zu kommen. Es gab mir immer das Gefühl von etwas Heiligem, wenn ich Mr. Imhof mit ein oder zwei Pinseln in der Hand über einen Papierblock gebeugt sah. Er schien uns nicht wahrzunehmen.
Abends nach dem Essen spielten wir gewöhnlich Schach. Joey und Tony spielten recht gut; ihr Vater hatte es ihnen beigebracht. Mehr als das Spiel liebte ich die Schachfiguren. Sie waren kunstvoll und kostbar - aus China, glaube ich. Ich habe das Spiel mit gewissen Abständen mein Leben lang gespielt, aber es ist mir nie gelungen, ein guter Spieler zu werden. Zum einen fehlte mir die nötige Geduld. Zum andern war ich zu unbekümmert. Es war mir gleichgültig, ob ich gewann oder verlor. Ich genoß die Schönheit der Züge - Ästhetik ging mir über Strategie.
Manchmal erlaubten mir die Freunde, ihnen aus meinen Büchern vorzulesen. Ich hatte die Gewohnheit noch nicht abgelegt. Im allgemeinen schliefen sie ein, ehe ich sehr weit gekommen war. Am nächsten Morgen...
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