Schweitzer Fachinformationen
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Falls ihr euch fragen solltet: Ich heiße K. Einfach K. Nur ein Buchstabe.
Ich sage euch jetzt zweierlei. Erstens: K ist eine Abkürzung. Zweitens: Ihr werdet nicht erfahren, wofür. Das müsst ihr wegstecken, auch wenn ihr vielleicht enttäuscht seid.
Aufgewachsen bin ich im Pazifischen Nordwesten der Vereinigten Staaten, dem nassesten und einsamsten Winkel unseres Planeten, wie ich damals fand. Später war die Region in meinen Augen eine düstere grüne Welt voller uralter Rätsel und Geheimnisse. Heutzutage ist sie für mich eine wundersame Mischung aus all diesen Elementen.
Ich bin alt genug, um mich an die Arcade-Automaten mit ihrem typischen Münzeinwurf in Spielhallen zu erinnern, aber jung genug, um mir eine Zeit ohne Internet kaum vorstellen zu können.
Als ich ein Kind war, glaubten meine Eltern, ich hätte ein sogenanntes eidetisches Gedächtnis - die seltene Fähigkeit, Bilder, Schrift und Muster detailgetreu zu memorieren. Früher nannte man das »fotografisches Gedächtnis«, der Ausdruck ist aber nicht korrekt. Ein fotografisches Gedächtnis im Wortsinn gibt es nicht. Und selbst wenn es das gäbe - ich habe es jedenfalls nicht. Ich konnte mir manches besonders gut einprägen und es später problemlos abrufen. Das galt aber nur für bestimmte Dinge, deren Struktur ich interessant fand. Und es war kein Mathetrick oder so. Wenn ich eine Packung Zahnstocher fallen ließ, konnte ich genau sagen, wie viele dalagen. Aber die Quadratwurzel von irgendwas war mir echt zu hoch.
Weil ich in der Schule als das Kid galt, das sich absurdes Zeug merken konnte, gelang es mir manchmal, fiese Schläger aus meiner Klasse so lange abzulenken, bis sie vergaßen, dass sie mich verhauen wollten. Das klappte aber leider nur in fünfzig Prozent aller Fälle und irgendwann gar nicht mehr. In der Highschoolzeit war meine Fähigkeit, mich auf Details zu konzentrieren und komplexe Verbindungen zu erkennen, dann eher eine Obsession als eine Selbstschutz-Maßnahme.
Diese Obsession, wiederkehrende Muster zu entdecken und Codes zu knacken (die vielleicht gar keine waren), führte dazu, dass ich als »neurodivers« diagnostiziert wurde. Als ich vierzehn war, verwarf man diese Diagnose, aber da hatte ich schon etliche Medikamente geschluckt und Bekanntschaft mit so einigen Therapiecouchen gemacht. Und diese spezielle Obsession war es schließlich auch, die mich in die Welt von Rabbits führte.
Fragt man Leute, wann sie zuerst von Rabbits gehört haben, können sie sich oft nicht genau daran erinnern. Sie sind möglicherweise über einen Post in einem obskuren Internetforum gestolpert. Vielleicht redete auch jemand im Freundeskreis über ein Kind, das bei einem längst in Vergessenheit geratenen Atari-2600-Spiel gestorben war, dessen Existenz niemand beweisen konnte - und brachte das mit Rabbits in Verbindung.
Ich allerdings weiß ganz genau, wann und wo ich zum ersten Mal von Rabbits gehört habe.
Es war in einem Garten in Lakewood, bei einem Grillabend.
In Seattle, wo ich aufgewachsen bin, gab es damals Gerüchte, dass im benachbarten Bundesstaat Oregon Jugendliche durch ein Arcade-Spiel namens Polybius ums Leben gekommen seien. Von mysteriösen Männern in grauen Anzügen war die Rede, von gravierenden Folgen fürs Gehirn. Über Polybius wurde geredet, über Rabbits jedoch, das Spiel, das noch viel rätselhafter und gefährlicher war, hörte ich nichts. Jedenfalls bis zu diesem Grillabend am Nationalfeiertag.
Bill und Madeline Connors, enge Freunde meiner Eltern, veranstalteten jedes Jahr am vierten Juli eine Party. Die Connors hatten zwei Töchter. Annie war ein Jahr älter als ich, Emily drei Jahre.
Die beiden Schwestern hatten einen tollen Musikgeschmack und trugen immer die coolsten Klamotten - jede Menge Gürtel und Hüte. Bei dieser Party hatten sie hohe gestreifte Hüte auf, die sie in einem superhippen Laden in der Melrose Avenue in Los Angeles gekauft hatten, erzählten sie. Ich nahm ihnen das ab. Damals war ich noch nicht weiter in den Süden gekommen als bis nach Oakland zu einem Segellager.
Während unsere Eltern im Garten betrunken Rasen-Dart spielten, ging ich ins Haus, um mir eine Cola zu holen (die ich zu Hause nicht trinken durfte), und hörte Annie und Emily reden.
Sie kauerten vor dem Familiencomputer und starrten auf den Bildschirm.
»Hast du rausgekriegt, wie du Everquest zum Starten bringen kannst, oder wie?«, fragte Annie.
»Ich hab was viel Besseres«, antwortete Emily und öffnete ein Programm, das ich kannte. Von meinem Versteck an der Küchentür aus hatte ich einen guten Blick auf den Bildschirm.
Annie beugte sich vor. »Was ist das - alt.binaries.games?«
»Eine Gaming-Gruppe«, sagte Emily und tippte routiniert auf ein paar Tasten.
»Was gibt's denn da, Bilder?«
»Halt die Klappe.«
»Aus Zelda?«
Ich beugte mich ein kleines Stück vor. Bilder aus The Legends of Zelda waren immer einen Blick wert.
»Wart's doch einfach ab.« Emily legte ihrer Schwester die Hand auf den Mund und drückte die Leertaste.
Ein Video wurde abgespielt, offenbar ein Ausschnitt aus einem alten Tierfilm, in dem ein Vogel zu sehen war. Der Sprecher erklärte, es handle sich um den Kaiserspecht.
»Na und? Das ist bloß ein blöder Specht«, maulte Annie. »Lass uns wieder rausgehen. Luke Milligan ist auch da.« Sie zog ihre Schwester am Arm.
»Luke Milligan ist ein Widerling. In Chemie hat er Nina die Hand unters T-Shirt gesteckt.«
»Im Ernst?« Annie schien schwer enttäuscht zu sein.
»Außerdem ist das kein gewöhnlicher Specht«, fügte Emily hinzu.
»Was meinst du damit?«
»Guck doch mal. Wir haben gerade bestimmt fünfzig Spechte gesehen.«
»Na und? Die sind groß, ja, aber ansonsten?«
»Darum geht's nicht. Dieser Dokumentarfilm ist 1989 entstanden, und der Kaiserspecht gilt seit 1956 als ausgestorben.«
»Whoa.« Annie beäugte den Bildschirm. »Und was bedeutet das jetzt?«
»Das ist Rabbits«, flüsterte Emily und fuhr den Computer herunter.
»Rabbits?« Annie sah ihre Schwester mit großen Augen an.
Ich war genauso fasziniert.
Emily hatte das Wort so ehrfürchtig ausgesprochen, als wäre es ein düsteres Geheimnis, etwas, das sonst nur Erwachsenen zugänglich war.
Jetzt blickte sie sich vorsichtig um, entdeckte mich aber nicht. Dann zischte sie: »Es ist ein geheimes Spiel.«
Annie starrte sie an. »Und was heißt das?«
»Dass ich es spielen werde«, antwortete Emily sachlich.
»Wie denn? Was muss man da machen?«
»Ist ziemlich kompliziert.«
»Wie genau?«
»Man muss Sachen finden.«
»Was für Sachen?«
»Muster oder . Diskrepanzen.«
»Diskrepanzen?«, wiederholte Annie.
»Sachen, die keinen Sinn ergeben. Und zwar im echten Leben. Das ist es, was das Spiel so gefährlich macht.« Annie versuchte, Emily zu folgen, hatte aber eindeutig keinen Schimmer, wovon ihre Schwester redete.
Ich hingegen spitzte die Ohren.
Emily holte tief Luft und überlegte kurz. »Okay. Aber das muss unter uns bleiben.« Annie nickte, und so fuhr Emily mit gedämpfter Stimme fort: »Im Abspann dieses Films ist eine Person ohne Tätigkeit aufgeführt, einfach nur ein Name.«
Emily gab eine ziemlich abgedrehte Idee über den Film von sich. Fakt war: Neben dem Namen im Abspann stand nicht Maske, Ton oder Spezialeffekte, sondern gar nichts.
»Es ist ein Waisenname«, raunte sie. Dann erzählte sie Annie, dass sie ein Gespräch über den Film mitgehört und davon in ihrem Gaming-Forum berichtet habe. Daraufhin hatten die Leute aus dem Forum mit Mathe und Numerologie herumgespielt, den Zahlenwert des Namens errechnet und waren dabei auf etwas gestoßen, das sich »The Night Station« nannte.
»Was ist das? Ein Radiosender?«, fragte Annie.
»Genau das werden wir herausfinden. Komm.«
Ich verdrückte mich gerade noch rechtzeitig in den Garten, bevor die beiden mich entdecken konnten.
Emily sagte ihren Eltern, sie wolle mit Annie zum Laden fahren, und fragte etwas halbherzig: »Möchte noch jemand was?«
Wünsche wurden wild durcheinandergerufen - Zigaretten, Ginger Ale, Chips und Dips. Annie schrieb alles auf, Emily schnappte sich die Schlüssel für den Pick-up ihrer Mutter.
Mrs. Connors verkündete: »Nehmt K mit.«
»Aber wir haben keinen Platz«, beschwerte sich Emily.
»Der Pick-up ist breit, Em. Sei nicht so zickig.«
Emily seufzte genervt und marschierte an mir vorbei, ohne mich eines Blickes zu würdigen. »Na, dann komm halt.«
»Und wieso glaubst du, dass ich das will?«
Annie ergriff meine Hand und zog mich mit sich.
Ich wollte tatsächlich unbedingt mitfahren - und zwar nicht nur, weil Annie das erste Mädchen war, das ich jemals geküsst hatte. Sondern auch wegen dieses mysteriösen Spiels.
Etwas an Rabbits fühlte sich so machtvoll und erwachsen an.
Als Annie mich zu dem alten blau-weißen Chevy-Pick-up mit den riesigen Reifen zog, musste ich wieder an den Kuss denken. Annie sah gut aus, aber auf eine eigenwillige Art. Ihre Augen standen ein wenig zu weit auseinander, und sie hatte eine wilde, störrische Mähne. Ich fand Annie wunderschön. Außerdem strahlte sie eine kühne Selbstsicherheit aus, die ich faszinierend und verunsichernd zugleich fand.
Ein paar...
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